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NBA - Der Spaß fehlt: Schaffen es die L.A. Clippers rechtzeitig zu den Playoffs aus "dem Nebel"?

Von Ruben Martin
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Die L.A. Clippers stehen kurz vor Ende der Regular Season etwa dort, wo man sie schon vor einem halben Jahr erwartet hätte. Wer die Mannschaft näher beobachtet, wird jedoch einen anderen Eindruck mitnehmen. Paul George, Kawhi Leonard und Co. scheinen selber nicht voll überzeugt von ihren Chancen in den Playoffs zu sein.

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Die Clippers stellen seit dem Sommer 2019 das beste Flügel-Duo der Liga mit Kawhi Leonard und Paul George, in Bestform können nicht einmal die Boston Celtics mit MVP-Kandidat Jayson Tatum und Jaylen Brown mithalten. Die beiden Clippers-Stars hatten in den vergangenen Jahren jedoch auch immer wieder mit Verletzungen zu tun, so musste man sich nach fast jedem bitteren Saisonende der Mannschaft fragen: "Was, wenn Leonard verfügbar gewesen wäre? Was, wenn George nicht angeschlagen in die Playoffs gehumpelt wäre?"

In der vergangenen Offseason beziehungsweise zu Beginn der Saison entschieden sich die Verantwortlichen der Clippers dann, die Truppe um den 32-jährigen Leonard und den 33-jährigen George mit James Harden (34) zu verstärken und erneut auf Russell Westbrook (35) zu setzen, der im Februar 2023 nach Buyout als Experiment ohne großes Risiko geholt worden war. Gerade Harden hatte in den vorherigen Jahren immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen.

Bisher blieben die Clippers jedoch von größeren Verletzungen verschont, die komplette Top-8 der Rotation bestritt mindestens 62 der ersten 74 Partien. Die Mannschaft von Head Coach Ty Lue belegt den vierten Platz im heiß umkämpften Westen, viel besser hätte man sich die Ausgangslage kurz vor den Playoffs nicht wünschen können. Dennoch wirken die Clippers kaum so, als würden sie mit großer Zuversicht nach vorne blicken.

"Wir wollen konstant sein und eine Identität entwickeln. Im Moment haben wir aber keine Identität", stellte George vor knapp zwei Wochen fest, in der vergangenen Woche schimpfte Lue sogar: "Haben wir gerade eine Identität? Ich glaube schon, ja. Wir sind weich. Das könnte unsere Identität sein, falls man es so nennen will. Wir müssen härter sein, mental und physisch."

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L.A. Clippers: Selbstverteidigung aus Verzweiflung

Im tiefsten Winter hörte man noch ganz andere Töne von der Mannschaft, die Clippers gewannen von Dezember bis zum 6. Februar ganze 26 ihrer 31 Spiele und grüßten am Ende dieser Phase sogar von der Spitze der Western Conference. Seitdem konnten die Clippers nur knapp die Hälfte ihrer Spiele gewinnen, es fehlte sehr deutlich an Konstanz. Auf zwei gute Spiele folgte selten ein drittes.

Besonders kurios wurde es gegen die Blazers vor knapp zehn Tagen, die man zwar zweimal schlagen konnte, in Sachen Körpersprache, Detailtreue und vor allem Spielspaß fehlte jedoch einiges. Das war auch der Mannschaft bewusst. So traf Harden im dritten Viertel bei einer Führung von 81:60 gegen die Rumpftruppe der tankenden Blazers eine interessante Entscheidung. Nach einem Pass zum freien Leonard in der Ecke rannte er selbst zu seinem Mannschaftskollegen und zog den Closeout durch, wie man es sonst als Verteidiger machen würde. Warum?

"Wir haben das gebraucht", erklärte Guard Xavier Moon anschließend und stellte auf Nachfrage eines Reporters klar, dass er auch meine, was er sagt. "Wirklich, das ist das, was wir gebraucht haben. Es war an der Zeit." Harden bestätigte dies: "Ich wollte einfach etwas Spaß in die Mannschaft bringen. Die letzten paar Wochen waren wie Nebel für uns. Ich glaube, jede Mannschaft erlebt das. Ich will einfach gute Energie und gute Stimmung für diese Mannschaft bringen."

"Vielleicht wäre es besser für uns gewesen, wenn er den Wurf getroffen hätte. Aber das hat uns etwas zum Lachen gegeben, etwas Freude", führte Harden aus. "Zu diesem Zeitpunkt müssen wir einfach sichergehen, dass jeder Spaß hat und glücklich ist. Und jeder muss sehen wollen, wie sein Mitspieler Erfolg hat auf dem Feld. Nur so kann diese Mannschaft funktionieren."

Western Conference: Der Kampf um die Playoffs

PlatzTeamBilanz
4Clippers47-27
5Mavs45-29
6Pelicans45-30
7Suns44-31
8Kings43-31
9Lakers42-33
10Warriors40-34
11Rockets38-36
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L.A. Clippers: Wo ist Paul George mental?

Dass öffentlich so viel darüber geredet wird, legt nahe, dass bei den Clippers nicht jeder Spaß hat und glücklich ist. Wer gerne spekuliert, kann an dieser Stelle auch die vertragliche Situation von George heranziehen. Die Clippers einigten sich im Januar auf eine Vertragsverlängerung mit Leonard für drei Jahre, im gleichen Zuge erwarteten viele Reporter und Experten auch bei George eine Verlängerung.

Diese kam jedoch bis heute nicht, stattdessen kamen mehrfach Berichte auf, dass die Philadelphia 76ers die Situation sehr aufmerksam beobachten und George wohl gerne direkt im kommenden Sommer weglocken würden. Der bald 34-Jährige könnte seine Spieleroption für 48,7 Millionen Dollar ablehnen und wäre damit Free Agent. Rein finanziell ist dies nicht auszuschließen. George könnte so sicherstellen, dass er noch einen vielleicht letzten großen Vertrag unterschreibt.

George äußerte sich in den vergangenen Monaten kaum zur Stimmung in der Mannschaft oder zu seinen Plänen für die Zukunft. Dagegen äußerte sich selbst Leonard für seine Verhältnisse recht deutlich und bestätigte während der Abwesenheit von Westbrook, dass dessen Energie fehle. "Er ist ein Spieler, der mit Energie spielt und Tempo macht. Wir vermissen ihn definitiv. Wir haben unsere ersten 50 Spiele mit ihm gespielt, seine Verletzung hat unseren Rhythmus unterbrochen", sagte Leonard.

"Aber bei uns liegt das Problem zwischen den Ohren", führte Leonard aus: "Wir müssen da rausgehen und einfach das tun, worüber wir vorher reden. Ob er auf dem Feld steht oder nicht, es stehen immer fünf Jungs da, die alles geben könnten und das machen könnten, was angesagt wird."

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L.A. Clippers: Die Defense wackelt heftig

Die Ansagen bei den Clippers drehen sich in den vergangenen Wochen sicher in erster Linie um die Defense. In den vergangenen 15 Spielen ließ L.A. auf 100 Ballbesitze durchschnittlich 119,7 Punkte zu, schlechter waren in diesem Zeitraum nur die Raptors, Blazers und Jazz. Das ist mit zwei Edelverteidigern in Leonard und George schwer zu erklären, auch Ivica Zubac ist ein solider Verteidiger.

Besonders anfällig sind die Clippers in Transition, wo sie mit 1,20 Punkten pro Possession den drittschlechtesten Wert der Saison vorweisen. Aber auch im Halbfeld lässt sich vieles auf die fehlende Energie zurückzuführen, der Augentest bestätigt die Selbstkritik der Clippers. Die gesamte Mannschaft wirkt seit einigen Wochen einen halben Schritt langsamer als zuvor, das kann man sich in der NBA auch gegen vermeintlich schwächere Gegner nicht leisten.

So leisteten sich die Clippers Mitte März erst einen dicken Ausrutscher mit einem 93:110 gegen die Hawks ohne Trae Young, eine Woche später scheiterten sie an dezimierten Sixers mit 107:121. "Wir wissen, dass wir besseren Basketball in den Playoffs spielen müssen, sonst wird die Saison bald vorbei sein", sagte Lue damals.

Gleichzeitig greifen die Clippers diese Saison mit dem sechstlangsamsten Tempo aller Mannschaften an. Das funktioniert insgesamt gut, das Team stellt immerhin die drittbeste Offense. In einer Schwächephase kann dies jedoch die Probleme noch verstärken, da einfache Punkte im Fastbreak fehlen.

NBA, L.A. Clippers, Kawhi Leonard, Paul George, James Harden, Russell Westbrook, Ty Lue, Daniel Theis
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L.A. Clippers: Kam der Höhepunkt zu früh?

Das fehlende Tempo ist mit Blick auf die Playoffs jedoch vermutlich nicht die größte Sorge, da dort das Spiel insgesamt langsamer wird und gute Leistungen im Halbfeld meist Trumpf sind. Bis dahin müssen die Clippers jedoch auch im Halbfeld deutlich besser verteidigen, mit den Kings, Nuggets und zwei Duellen gegen die Suns wird dies bald auf die Probe gestellt werden.

Die Playoff-Rotation scheint sich in den vergangenen Partien immer stärker herauszukristallisieren, was jedoch eine schlechte Nachricht für Daniel Theis sein könnte. Der Weltmeister kam in den vergangenen vier Partien nicht zum Einsatz. Vielleicht ist jedoch auch eine Verletzung im Spiel, von der nichts bekannt ist. Sonst würde man erwarten, dass ein Energizer wie Theis im Trott der Clippers seine Chance bekommen würde.

Beim aktuellen Stand der Dinge laufen die Clippers klar Gefahr, ihre beste Phase der Saison zu früh gehabt zu haben. Während andere Playoff-Teams im Westen seit dem All-Star Break einen Gang hoch schalten zu scheinen, allen voran die Mavericks, entwickeln sich die Clippers seitdem genau in die falsche Richtung.

Die gute Nachricht für George, Leonard und Co. ist jedoch, dass sie noch acht Spiele haben, um wieder ihren Rhythmus und den Spaß am Spiel zu finden. Vielleicht finden sie auf dem Weg sogar noch ihre Identität.

L.A. Clippers: Das Restprogramm vor der Postseason

DatumHeimGast
3. AprilKingsClippers
5. AprilClippersNuggets
6. AprilClippersJazz
7. AprilClippersCavaliers
10. AprilSunsClippers
11. AprilClippersSuns
13. AprilClippersJazz
14. AprilClippersRockets
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