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NBA Playoffs: Fragen zum Aus der Philadelphia 76ers: Was passiert, wenn James Harden geht?

Von Robert Arndt
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Zum bereits fünften Mal in den vergangenen sechs Jahren war für die Philadelphia 76ers in der zweiten Playoff-Runde Schluss. Wie geht es nun weiter bei den Sixers?

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Im Fokus steht dabei natürlich James Harden, dessen Entscheidung im Sommer richtungsweisend für die Franchise sein könnte.

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Philadelphia 76ers: Wie konnten die Sixers erneut so einbrechen?

Es ist immer wieder erstaunlich, welche Wege die Sixers finden, um letztlich doch wieder in der zweiten Runde zu scheitern. In der Ära Joel Embiid ist es nun bereits das fünfte Mal, diesmal reichte auch ein 3-2 und eine zweistellige Führung im vierten Viertel von Spiel 6 nicht. Selbst Jayson Tatum gab nach Spiel 7 zu, dass Philly die Celtics fast schon im Sack gehabt hatte, bevor diese (mal wieder) kolossal einbrachen.

In den letzten sechs Minuten von Spiel 6 erzielten die Sixers gerade einmal 3 Pünktchen, in Spiel 7 wiederholte sich die Geschichte mit einem Horrorviertel nach der Pause (10:33). Boston zog Philly mit seinem Two-Bigs-Lineup mit Al Horford sowie Robert Williams den Zahn, dazu fing Tatum Feuer.

Man kann natürlich argumentieren, dass Coach Doc Rivers zu wenig unternahm, um den Celtics-Star zu nerven. Gleichzeitig hat Boston so viele offensive Waffen, dass eben andere Spieler die Sixers geschlagen hätten. Wir werden es nie erfahren.

Sixers vs. Celtics: Die Serie im Überblick

SpielDatumUhrzeitHeimAuswärtsErgebnis
12. Mai1.30 UhrBoston CelticsPhiladelphia 76ers115:119
24. Mai2 UhrBoston CelticsPhiladelphia 76ers121:87
36. Mai1.30 UhrPhiladelphia 76ersBoston Celtics102:114
47. Mai21.30 UhrPhiladelphia 76ersBoston Celtics116:115 OT
510. Mai1.30 UhrBoston CelticsPhiladelphia 76ers103:115
612. Mai1.30 UhrPhiladelphia 76ersBoston Celtics86:95
714. Mai21.30 UhrBoston CelticsPhiladelphia 76ers112:88
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Es bleibt ein bitterer Nachgeschmack, weil eben - wie schon so oft - mehr möglich war. Selbst ohne Joel Embiid konnte Philly ein Spiel klauen und mit den eigenen Fans im Rücken hätte es in Game 6 reichen können. "Wir haben eine großartige Saison gespielt, aber diese Niederlage wischt gewissermaßen alles weg, was wir zuvor erreicht haben", analysierte Rivers, der in diesem Punkt vollkommen recht hat.

Nach einem schwachen Start fingen sich die Sixers, waren in Offense und Defense Top 10 und konnten sich auf ihren MVP verlassen. Philadelphia war für viele das Dark Horse dieser Postseason, Zweifel blieben lediglich hinter der mentalen Stärke von Embiid und James Harden, welche beide eher - gelinde gesagt - gemischte Resultate vorzuweisen hatten und in Spiel 7 weit unser ihren Möglichkeiten blieben.

Umso merkwürdiger war dann diese Aussage von Embiid: "James und ich können nicht alleine gewinnen. Wir spielen fünf gegen fünf. Wir brauchen jeden, um Wege zu finden, besser zu werden." Aber: An den Rollenspielern lag es nicht, sie lieferten ab. Sowohl P.J. Tucker, Tyrese Maxey als auch der oft gescholtene Tobias Harris.

Stattdessen machte Embiid eines seiner schlechtesten Spiele in der Defense und Harden war mal wieder Playoff-James. Nein, Philadelphia hatte genug Potenzial, um dieses Spiel womöglich zu klauen. Die Stars lieferten in den entscheidenden Momenten nur nicht ab.

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Philadelphia 76ers: Was passiert mit James Harden?

Für Harden ist es eine gebrochene Schallplatte, bei ihm gibt es nur noch Sekt oder Selters: In den Spielen 1 und 4 war "The Beard" überragend, ansonsten hatte der 33-Jährige die fast schon üblichen Probleme. In den letzten drei Partien bleib Harden jeweils ohne einen einzigen Punkt im vierten Viertel. Zeitweise verweigerte der Guard quasi Würfe, was einfach nur merkwürdig ist, wenn man bedenkt, dass Harden noch vor fünf Jahren der wohl beste Scorer auf dem Planeten war.

Aber: Er hat körperlich abgebaut, vor allem seine Drives sind abenteuerlich geworden und haben oft nur noch das Ziel, Fouls zu ziehen. Mit seinen Stepbacks kann er zwar weiter explodieren, dies unterliegt aber natürlich enormen Schwankungen. Wenn dann der Rhythmus nicht da ist, zögert er eben. Über die Serie gesehen waren es trotz der Gala aus Spiel 1 nur 42 Prozent aus dem Feld und 34 Prozent von Downtown.

Die spannende Frage ist nun, wie es mit dem Bärtigen weitergeht. Harden kann erneut aus seinem Vertrag aussteigen und seine Option über 35,6 Millionen Dollar verstreichen lassen. Direkt nach dem Spiel wollte der MVP von 2018 dazu aber nichts sagen. "Ich habe darüber noch gar nicht nachgedacht", sagte er zu seiner anstehenden Free Agency und fügte an, dass er weiter für ein konkurrenzfähiges Team auflaufen wolle.

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Aber ist das wirklich so? Schon seit Monaten wabern die Gerüchte über eine Rückkehr nach Houston durch die Liga. Laut Adrian Wojnarowski (ESPN) wird Harden aus seinem Deal aussteigen, die Rockets sollen tatsächlich die besten Karten haben. Für Harden sei Houston Familie und Heimat. Das Team hat den Cap Space und Besitzer Tillman Fertitta kündigte bereits bei der Vorstellung des neuen Head Coaches Ime Udoka an, dass nun "Phase zwei" des Rebuilds beginnen soll.

So könnte Houston in der Nacht auf Mittwoch die Lottery gewinnen und dann im Juni Supertalent Victor Wembanyama ziehen. Dies wäre eine Möglichkeit, auch für einen zweiten Hochkaräter hätten die Rockets das Geld. Für den Moment ist das alles noch Theorie und Spekulation, doch die Gerüchte halten sich so hartnäckig, dass sie eher nicht als Harden-Manöver einzuschätzen sind, um so viel Geld wie möglich von den Sixers zu erhalten.

Das ist die andere Frage: Was ist Harden den Sixers wirklich wert? In dieser Spielzeit agierte er zumindest noch auf All-Star-Niveau, das rechtfertigt aber nur bedingt einen 210-Millionen-Dollar-Max-Deal über vier Jahre. Dazu verzichtete Harden im vergangenen Sommer auf rund 15 Millionen Dollar, um den Kader verstärken zu können - das wird er nicht vergessen haben.

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Philadelphia 76ers: Welche Konsequenzen hätte ein Harden-Abgang?

Würde Philly mit Harden verlängern, würde sich das Team bedrohlich der Marke von 179,5 Millionen Dollar, dem "Second Apron", nähern, ab welchem die Strafen in der kommenden Saison drastisch wären. Geht Harden jedoch, haben die Sixers kaum eine Möglichkeit ihn zu ersetzen. Durch den Start des Supermax-Vertrag von Embiid wären die Sixers auch ohne Harden über dem Cap und könnten somit keine namhaften Free Agents anlocken.

Es würde also eine Lücke in den Kader reißen, die vornehmlich intern gestopft werden müsste. Zu nennen wäre vor allem Tyrese Maxey, der sich mit den Verantwortlichen der Sixers wegen einer möglichen Vertragsverlängerung ebenfalls an den Tisch setzen wird. Auf ihn dürfte ein Zahltag warten: Es dürfte mehr geben als z.B. für Jordan Poole oder Tyler Herro (4 Jahre, 120 Mio.). Ein Maximal-Vertrag würde dagegen überraschen.

So oder so, bei allen Schwächen von Harden brauchen die Sixers den Guard. Auch um Embiid zufriedenzustellen, der sich nach dem Aus noch einmal für seinen Co-Star stark machte: "Unsere Arbeit hier ist noch nicht erledigt", sagte er im Bezug auf seinen Aufbauspieler. "Wir haben zusammen noch nichts gewonnen, aber ich glaube, dass wir nah dran sind."

Den Rest wolle er aber dem Front Office überlassen. "Ich kenne die Ausgangslage, aber jetzt muss das Management übernehmen. Ich werde mich da komplett raushalten", versicherte der MVP.

Sixers: Diese Spieler haben noch einen Vertrag über den Sommer hinaus

Spieler (Alter)Position23/2424/2525/2626/27
Joel Embiid (29)Center46,950,754,458,2*
Tobias Harris (30)Forward39,3UFA--
James Harden (33)Guard35,6*UFA--
P.J. Tucker (38)Forward11,011,5*UFA-
De'Anthony Melton (24)Guard8,0UFA--
Furkan Korkmaz (25)Forward5,4UFA--
Tyrese Maxey (22)Guard4,3RFA--
Danuel House Jr. (29)Forward4,3*UFA--
Montrezl Harrell (29)Center2,8*UFA--
Jaden Springer (20)Guard2,24,0**RFA-

* Spieler-Option, ** Team-Option, *** nicht oder nur zu Teilen garantiert, UFA = Unrestricted Free Agent, RFA = Restricted Free Agent

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Philadelphia 76ers: Was war mit Joel Embiid in Spiel 7 los?

Es war fast schon überraschend, dass nach Spielende keine Meldungen über den Äther liefen, wonach Embiid nicht bei 100 Prozent war. Es war die schwächste Playoff-Performance seit langem vom Center - und das zur Unzeit. Nur 15 Punkte bei 5/17 aus dem Feld können nicht sein Anspruch sein. Während Jayson Tatum scorte und scorte, hatte Embiid riesige Probleme, Al Horford im Eins-gegen-eins zu schlagen.

Zugegeben, Boston machte es verdammt gut, wie man zunächst Harden immer auf die rechte Seite drängte und Embiid geschickt doppelte, dennoch war das zu wenig vom MVP. In Spiel 6 erhielt er vor allem im vierten Viertel kaum den Ball, das war diesmal nicht der Fall. Und so bleibt es dabei, dass Embiid weiter auf seine erste Teilnahme an den Conference Finals wartet.

Natürlich spielten in den vergangenen Jahren immer wieder Verletzungen eine Rolle - so auch in diesem Jahr -, doch in diesem Spiel fehlte es ihm an Reife. Man merkte förmlich, wie er es erzwingen wollte, als Boston sich zu Beginn des dritten Viertels in einen Rhythmus spielte. Embiid dagegen fand keinen, und damit erhöht sich der Druck weiter. Ob das nun fair ist oder nicht. Der Kameruner hat endlich seinen MVP-Award, er hatte in dieser Saison eine schlagfertige Truppe an seiner Seite - und wieder endet die Saison in einer Enttäuschung.

"Dieses Versagen ist ein Schritt zum Erfolg", zitierte Embiid im Anschluss Giannis Antetokounmpo, der selbiges nach dem Ausscheiden der Bucks von sich gegeben hatte. Der Unterschied: Antetokounmpo führte sein Team bereits zu einem Titel. Davon ist Embiid noch meilenweit entfernt. Die Frage, ob er seine Mannschaft wirklich zu einem Titel führen kann, bleibt unbeantwortet.

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Philadelphia 76ers: Ist Doc Rivers der richtige Coach?

Täglich grüßt das Murmeltier. Oder in diesem Fall vielmehr jährlich. Mal wieder schaffte es ein Rivers-Team es nicht, den Sack zuzumachen, sodass nach dem Aus natürlich auch wieder die Frage nach dem Coach gestellt wurde. Rückendeckung gab es von Embiid: "Er war fantastisch und hat meiner Meinung nach einen guten Job gemacht."

Gleichzeitig hat Rivers nun bereits zehnmal ein Spiel 7 verloren, kein anderer Coach kommt auf mehr als fünf. In dieser Serie ließ sich der 61-Jährige dennoch wenig zuschulden kommen. Wenn überhaupt kann auf Spiel 6 gezeigt werden, als Rivers es im vierten Viertel nicht mehr schaffte, Embiid den Ball in die Hand zu drücken.

Hier richtet sich aber auch der Blick gen Harden, der deutlich defensiver im Bezug auf Rivers antwortete. "Unsere Beziehung ist okay", gab sich der 33-Jährige schmallippig.

Aufgrund der ungewissen Zukunft Hardens wird sein Wort aber vermutlich weniger Gewicht haben. Rivers selbst will zumindest bleiben. "Ich habe glaube ich noch zwei Jahre Vertrag, also ja", war die Antwort auf die Frage, ob er auch in der kommenden Saison noch Coach der Sixers sein werde.

Bei aller Enttäuschung: Die Sixers waren ein verdammt gutes Regular-Season-Team, erledigten ihre Hausaufgaben gegen Brooklyn und zwangen den Top-Favoriten auf den Titel (laut Las Vegas) in ein siebtes Spiel. Das alles lässt sich nicht wegdiskutieren.

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Philadelphia 76ers: Wer wird Free Agent, was kann gemacht werden?

Wie bereits erwähnt sind die Möglichkeiten der Sixers begrenzt. Verlässt Harden Philadelphia, haben die Sixers zumindest die Midlevel Exception über 12 Millionen Dollar zur Verfügung, um ihren Kader zu verbessern. Neben Harden könnten bis zu sieben weiteren Spieler das Team verlassen, darunter auch Georges Niang, der mit seinem Shooting ein wichtiger Bestandteil der Second Unit war.

Auch Backup-Center Paul Reed wird Restricted Free Agent: Er erspielte sich im Verlauf der Saison das Vertrauen von Rivers und zeigte auch in den Playoffs ansprechende Leistungen. Wenn Philly den 23-Jährigen halten könnte, wäre dies ein Gewinn.

Sixers: Alle Free Agents in der Übersicht

Spieler (Alter)PositionGehalt 22/23Anmerkungen
Dewayne Dedmon (33)Center0,8Unrestricted
James Harden (33)Guard33,0Spieler-Option (35,6 Mio.)
Montrezl Harrell (29)Center2,5Spieler-Option (2,8 Mio.)
Danuel House Jr. (29)Forward4,1Spieler-Option (4,3 Mio.)
Jalen McDaniels (25)Forward1,9Unrestricted
Shake Milton (26)Guard2,0Unrestricted
Georges Niang (29)Forward3,5Unrestricted
Paul Reed (23)Center1,8Restricted
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Ansonsten werden die Sixers vermutlich am Ende der Bank viel Personal austauschen. Danuel House hat eine Spieler-Option, gleiches gilt für Montrezl Harrell, der zum Ende kaum noch spielte. Das ist aber alles eher kleinere Fische, sie sind austauschbar. Boss Daryl Morey ist zumindest bekannt dafür, hier und da einen Steal abzugreifen.

Draft-Picks haben die Sixers jedoch keine zur Verfügung. Der 28. Pick wandert nach Utah (via Brooklyn aus dem Harden-Trade), der Zweitrundenpick musste wegen des Tamperings in der vergangenen Offseason abgetreten werden. Überhaupt können die Sixers keinen Erstrundenpick traden, magere drei Second Rounder stehen zur Verfügung.

Trades könnten sich also schwierig gestalten, wobei zumindest die Option besteht, zum Beispiel Tobias Harris zu opfern. Dessen Monster-Vertrag (39,2 Mio.) läuft im kommenden Jahr aus und wird nun etwas leichter zu verschieben.

Zwar spielte Harris solide Playoffs, aber sollte zum Beispiel Harden gehen, wäre ein Zwei-für-Eins-Trade von Harris eine sinnvolle Option, um mehr Tiefe in den Kader zu bringen. Dazu braucht es aber erst einmal einen Abnehmer für den 30-Jährigen.

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