"C.J. ist der Grund, weshalb wir in dieser Position sind. Er ist ein besonderer junger Mann und ein besonderer Spieler und er glänzt immer weiter. Egal wie groß der Moment auch ist, unser Team lehnt sich an ihn an", sagte Houstons Head Coach DeMeco Ryans nach dem dominanten Sieg der Texans gegen ein vormals zumindest defensiv hoch gehandeltes Team aus Cleveland. Natürlich lag der Erfolg nicht einzig und allein an Stroud, aber was der 22-Jährige in seinem ersten Jahr in der NFL bereits an Reife und in puncto Entscheidungsfindung zeigt, katapultiert ihn in Sphären von Andrew Luck und Peyton Manning. Nicht zuletzt werden innerhalb der Texans-Organisation seine Führungsqualitäten gelobt. Es ist nicht unbedingt normal, dass ein vermeintlicher Jungspund - zumal in einer vorher recht dysfunktionalen Franchise - sofort eine derart wichtige Rolle innerhalb der Kabine und auf dem Feld einnimmt.
Natürlich ist die Quarterback-Position eine besondere, auch was die Hackordnung in einem Team betrifft. Trotzdem musste sich Stroud erst einmal beweisen. Das gelang ihm bereits über signifikante Teile der Saison und erst recht während des Sieges über die Browns in der Wild Card Round. Wenngleich auf der Gegenseite nicht Deshaun Watson, sondern Feuerwehrmann Joe Flacco spielte, konnten die Texans auf gewisse Weise auch böse Geister der Vergangenheit endgültig in den Orkus befördern. Stroud ist die Zukunft der Franchise und mittelfristig wohl sogar der bessere Quarterback als Watson.
"Es gibt drei Ebenen: Es gibt interessiert, engagiert, und dann gibt es noch besessen. Ich weiß nicht, wie man C.J. Stroud beobachten kann, allein seine Vorbereitung vorm Spiel, und nicht zu dem Schluss kommt, dass dieser Typ nicht besessen von Großartigkeit ist", sagte Analyst Daniel Jeremiah kürzlich im NFL-Podcast "Move the Sticks". Seit einiger Zeit begeistert Stroud die Analystenszene mit seinem Spiel. Besonders seine Ruhe ist für einen Rookie fast schon einmalig. Noch dazu führt er so viele Pässe "on platform" aus - das heißt, er setzt die Füße richtig und praktiziert den Wurf unter besten Bedingungen. Andere Quarterbacks, selbst einige mit vielen Jahren Erfahrung, lassen sich vom Pass Rush oder vielleicht auch von einer kniffligen Zone Coverage aus der Ruhe bringen. Bei Stroud ist das selten der Fall.
Enges Rennen zwischen Stroud und Young vor dem Draft
Wer sich erinnert: Vorm Draft im Frühjahr gab es ellenlange Diskussionen darüber, welcher Quarterback denn an Nummer eins ausgewählt werden sollte. Frank Reich, der damalige Head Coach der Carolina Panthers, wurde nachgesagt, dass er einen vertikalen Passer mit guter körperlicher Statur wie Stroud präferieren würde. Einige innerhalb der Carolina-Organisation waren jedoch von Bryce Young angetan, wie Owner David Tepper später erklärte. Schlussendlich entschieden sich die Panthers, nachdem sie sich auf Platz eins getradet hatten, für den Gewinner der Heisman Trophy von 2021 und öffneten damit die Tür für Houston, um ihre erste Wahl, nämlich Stroud, an Nummer zwei zu erhalten. Die Organisation schien vom Können und auch der mentalen Stärke des vormaligen Ohio State Buckeye überzeugt, sodass er noch vor Will Anderson, der an Nummer drei folgte, ausgewählt wurde. Zuvor hatten einige Draft-Experten spekuliert, dass die Texans sich zunächst auf einen Defensiv-Diamanten stürzen würden. Aufgrund der hohen Picks bekamen sie alles. Stroud hat das Vertrauen bislang mehr als zurückgezahlt, denn solch eine Performance im ersten Jahr hatte wohl nahezu niemand prognostiziert.
Er mag ein guter Athlet sein, aber er ist keiner, der mit der Brechstange eigene Läufe erzwingen möchte. Im Schnitt unternimmt 2,6 Runs pro Spiel und schafft damit knapp 11 Yards pro Lauf. In einer Zeit, in der immer mehr Top-Läufer auf der Quarterback-Position aus den Colleges kommen, wirkt Strouds Spielstil fast schon etwas old-schoolig. Vom Einfluss auf die Franchise her mag er an Andrew Luck erinnern, der in seiner Anfangszeit in der NFL ein insgesamt durchschnittliches Colts-Team in die Playoffs und sogar ins Conference Championship Game führte.
C.J. Stroud: Erinnerungen an Drew Brees
Spielerisch kommt Stroud jedoch eher Drew Brees nahe, wenngleich er etwas größer ist und damit nie Schwierigkeiten hat, über die Lines hinwegzuschauen. Seine sauberen Pässe und die Konstanz in seiner Fußarbeit sind jedoch Brees-artig, der gerade in den stärksten Spielzeiten der New Orleans Saints fast schon wie eine Maschine funktionierte und ganz selten Ballverluste produzierte. Stroud wiederum liegt mit einer Interception-Quote von einem Prozent in dieser Wertung an der Spitze aller Quarterbacks diese Saison. Und das bei der höchsten Zahl an Passing Yards pro Spiel (273,9).
Die Wild-Card-Partie gegen die Cleveland Browns mutierte zeitweilig zur Stroud-Show. Bei der Niederlage gegen die Browns in Woche 16 der Regular Season stand der 22-Jährige nicht auf dem Feld. Am vergangenen Samstag konnte er unterstützt von einer gut aufgelegten O-Line, angeführt von Laremy Tunsil, die Secondary von Cleveland systematisch auseinandernehmen. Dabei war Stroud auch einmal mehr nicht darauf aus, den Ball nur zu einzelnen Passempfängern wie Nico Collins, der 96 Receiving Yards verbuchte, zu bringen. Stattdessen variierte er seine Pässe und warf den Ball zu neun Mitspielern, zu sieben mit Erfolg.
Das anstehende Spiel auswärts in Baltimore in der Divisional Round wird direkt das nächste Duell mit einer hochgelobten Defensive. In diesem Fall geht es für Stroud und Houston gegen die gewieft agierende Verteidigung der Ravens, die eine vergleichsweise niedrige Blitz-Quote von 21,9 Prozent aufweist, aber mit 60 Sacks die meisten aller Teams bislang produzieren konnte. Für Stroud wird es vielleicht der ultimative Test, inwieweit er schon zum jetzigen Zeitpunkt seiner Profikarriere eine trickreiche Verteidigung, die oft ihre Schemen zu verschleiern versucht, lesen und entsprechend bespielen kann.
C.J. Stroud: Ein Schicksalsschlag begleitet ihn
Sollte Stroud tatsächlich die Sensation schaffen und die Texans in das erste Conference Championship Game der Franchise-Geschichte führen, würde er ein historisches Rookie-Jahr nochmal aufs Neue krönen. Ein hohes Maß an Selbstzufriedenheit ist ohnehin vom teils besessenen Quarterback nicht zu erwarten. Zudem bleiben die dunklen Schleier seines Familienlebens, über die der 22-Jährige in dieser Saison bereits öffentlich gesprochen hat.
Konkret geht es um seinen Vater Coleridge Bernard Stroud III, der aktuell eine Gefängnisstrafe von 38 Jahren im Folsom State Prison absitzt. Stroud Senior war an einem Apriltag 2015 in das Auto einer Frau, die an einer Ampel wartete, eingedrungen und hatte diese dazu gezwungen, ihn zu einem Ort zu fahren, um dort Drogen zu kaufen. Die Frau konnte fliehen und beschuldigte Stroud später, dass er sie attackiert haben soll. Die Geschichte endete mit einer Verfolgungsjagd zwischen Stroud und der Polizei, die darin resultierte, dass er in einen Pfosten fuhr und in die Meeresbucht von San Diego sprang. Da er bereits Anfang der Neunzigerjahre dreimal, unter anderem wegen Drogenbesitzes und bewaffneten Raubs, verurteilt worden war, folgte ein heftiges Strafmaß.
C.J. Stroud hatte beispielsweise im Spiel gegen die Denver Broncos in Woche 13 die Aufschrift "#Reform" und "Free Pops" auf seinen Schuhen. Nach dem Spiel gegen Tampa Bay in Woche 9 sagte er bei einer Pressekonferenz: "Es geht nicht nur um die Situation meines Vaters. Die ganze Strafjustiz ist korrupt. Ich habe mir Videos angeschaut. In Mississippi haben manche der Gefängnisse Ratten, Kakerlaken und solche Sachen. ... Versteht mich nicht falsch, Kriminelle sollen ihre Strafe absitzen. Aber es sind trotzdem Menschen. Ich möchte sehr schnell ein Licht darauf werfen."
Sein Vater könnte erst 2040 auf Bewährung das Gefängnis verlassen. Die damalige Verurteilung nach dem Vorfall in San Diego brachte die Familie Stroud mit Mutter Kimberly und den vier Kindern nahe der Obdachlosigkeit. "Er hatte eine Wahl zu treffen, als sein Vater verschwand", sagte Mutter Kimberly. "Er konnte Motivation schöpfen und das Beste daraus machen oder sich dem Ganzen ergeben und zu einer weiteren Zahl in einer Statistik über Kinder von kriminellen Eltern werden."
C.J. Stroud wurde nicht Teil dieser traurigen Statistiken in den Vereinigten Staaten und hat stattdessen mit einem gebührenden Maß Besessenheit daran gearbeitet, einer der besten Rookie-Quarterbacks der letzten Jahrzehnte zu werden.
NFL Playoffs: Divisional Round
Datum | Uhrzeit | Heim | Auswärts | Ergebnis |
Sa., 20.01. | 22.30 Uhr | Baltimore Ravens | Houston Texans | -:- |
So., 21.01. | 2 Uhr | San Francisco 49ers | Green Bay Packers | -:- |
So., 21.01. | 21 Uhr | Detroit Lions | Tampa Bay Buccaneers | -:- |
Mo., 22.01. | 0.30 Uhr | Buffalo Bills | Kansas City Chiefs | -:- |