Inter Mailand: Unter dem Radar! Darum ist Simone Inzaghi einer der besten Trainer der Welt

Von Mark Doyle / Falko Blöding
Simone Inzaghi
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Simone Inzaghi leistet bei Inter Mailand großartige Arbeit. Trotzdem wird er kaum mit den absoluten Top-Klubs in Verbindung gebracht. Unter dem Radar leistet der Italiener mit die beste Arbeit aller Trainer in Europa.

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Die Trainersituation bei Europas Spitzenklubs ist außergewöhnlich. So viele wie im Moment suchten noch nie einen neuen Coach. Der FC Bayern, Liverpool, Barcelona, Napoli, vermutlich auch Manchester United und der FC Chelsea - sie alle werden den wichtigen Posten mehr oder weniger freiwillig im Sommer neu besetzen. Das führt zu jeder Menge Spekulationen und gehandelt werden aktuell immer dieselben Namen: Xabi Alonso von Bayer Leverkusen steht hoch im Kurs, das gilt auch für Brightons Robert De Zerbi, den scheidenden FCB-Trainer Thomas Tuchel, Julian Nagelsmann (Deutschland) oder Sportings jungen Übungsleiter Rúben Amorim. Nicht zu vergessen Zinédine Zidane und Antonio Conte, die jeweils aktuell ohne Arbeitgeber sind.

Einer, dessen Name dagegen selten fällt und bei dem das durchaus überraschend ist, ist Inter Mailands Simone Inzaghi. Der Italiener leistet bei den Nerazzurri herausragende Arbeit, fliegt aber dennoch immer ein wenig unter dem Radar, wenn es um die absoluten Top-Leute der Branche geht. Nachvollziehbar ist das nicht!

Am Mittwochabend können sich Fans und Experten wieder ein Bild davon machen, wie stark und stabil Inter unter Inzaghi ist. Dann treffen die Mailänder im Rückspiel des Champions-League-Achtelfinales auf Atlético Madrid. Nach dem 1:0-Heimerfolg im Februar haben sie gute Karten, die Runde der letzten Acht zu erreichen.

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Simone Inzaghi kam im Chaos-Sommer zu Inter

Atléticos Diego Simeone hat ebenfalls großen Respekt vor Inzaghis Inter. Schon vor dem Hinspiel meinte der Argentinier: "Ich mag die Spielweise von Inter sehr." Der Gegner befinde sich in einer "außergewöhnlichen Form".

Dies ist der Verdienst Inzaghis. 2021 kam er nach fünf erfolgreichen Jahren bei Lazio zu Inter und trat dort das schwere Erbe Antonio Contes an. Jener Sommer war turbulent, denn neben Conte verließen auch die Leistungsträger Romelu Lukaku und Achraf Hakimi den Verein.

Conte hatte den Verein wegen des Verkaufs von Hakimi an PSG verlassen, der aufgrund der finanziellen Schwierigkeiten der Suning-Gruppe, der Eigentümerin Inters, infolge der Pandemie notwendig geworden war. Lukaku erzwang einen Transfer zu Chelsea und dazu kam der Ausfall Christian Eriksens wegen dessen Herzproblemen.

Inzaghi hatte ursprünglich vor, seine Mannschaft um Lukaku herum aufzubauen. Mit dem Belgier stand er in Kontakt und hatte schon Pläne geschmiedet, wie er das Beste aus dem bulligen Angreifer herausholen wollte. Daraus wurde aus genanntem Grund nichts.

Inters Vizepräsident Javier Zanetti warnte also die Tifosi, sie sollten sich auf eine "schwierige und komplizierte" Saison einstellen. "Das muss gesagt werden, um allen gegenüber fair zu sein", so die Vereinslegende gegenüber Sky Sport Italia. "Aber es muss auch gesagt werden, dass wir konkurrenzfähig sein werden, da Inzaghi bereits gut arbeitet. Der neue Trainer hat die Erwartungen schon übertroffen."

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Simone Inzaghi gewann mit Inter fünf Titel

Ein paar Monate später stand trotzdem eine bittere Niederlage. Inter verpasste die Meisterschaft denkbar unglücklich. Die Nerrazzurri legten einen starken Schlussspurt hin, gewannen acht ihrer neun letzten Spiele. Ein Horrorpatzer der damaligen Nummer zwei Ionut Radu bei der 1:2-Niederlage gegen den FC Bologna besiegelte aber schließlich Platz zwei in der Endabrechnung. Ausgerechnet Lokalrivale Milan profitierte und gewann den Scudetto.

Inzaghi führte Inter in jener Spielzeit aber auch zum Gewinn der Coppa Italia - und zum ersten Mal seit zehn Jahren ins Achtelfinale der Champions League. Die letzte Saison in Europa verlief sogar noch besser: Inter schaltete unter anderem den FC Barcelona mit zwei Siegen in der Gruppenphase aus.

Trotz Schwierigkeiten in der Serie A - zwischenzeitlich war sogar Platz vier in Gefahr - lief es in Europa wie am Schnürchen, als Inter Porto und Benfica rauswarf, bevor im Halbfinale zwei Erfolge gegen Milan das Ticket für besagtes Endspiel der Königsklasse gegen City bedeuteten.

Die unglückliche 0:1-Niederlage in Istanbul war Inzaghis einzige Finalniederlage als Inter-Trainer. In zwei Endspielen um die Coppa Italia war er jeweils siegreich, genauso wie in drei Duellen um die Supercoppa. Fünf Titel hat er mittlerweile gewonnen.

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Hakan Calhanoglu lobt Simone Inzaghi

Inzaghi ist es gelungen, Inter ein neues Selbstverständnis einzuhauchen. Es gibt keine Zweifel an der eigenen Stärke mehr. Lautaro Martínez, sein Kapitän und Torjäger, schwärmt von Inzaghis aggressiver Philosophie, die maßgeschneidert für die Mannschaft ist: "Wir spielen ein hohes Pressing, das es uns ermöglicht, den Ball schnell zurückzugewinnen, Torchancen zu kreieren und den Gegner in die Enge zu treiben", beschrieb der Weltmeister bei Sky Sport Italia.

Martínez' Entwicklung unter Inzaghi steht dabei stellvertretend für eine ganze Reihe von Spielern, die in den letzten Jahren noch einmal einen großen Schritt nach vorn gemacht haben. Francesco Acerbi hat Inzaghis Entscheidung, den erfahrenen Verteidiger von seinem ehemaligen Klub Lazio zu verpflichten, voll und ganz gerechtfertigt. Federico Dimarco hat sich zu einem der besten Außenverteidiger im Weltfußball gemausert, während Hakan Calhanoglu in seiner neuen Rolle als Spielmacher aus der Tiefe eine Offenbarung ist.

Alle drei machen den Trainer für ihre gute Form verantwortlich. "Es ist einfach die Art und Weise, wie er mit den Spielern spricht und wie er sich uns gegenüber verhält", erklärte Calhanoglu. "Er will immer gewinnen und wird wütend, wenn wir nachlassen. Aber wenn das Training zu Ende ist, sieht man, dass er ein großes Herz hat. Er ist sehr entspannt und wir können mit ihm über alles reden."

Die Harmonie zwischen Mannschaft und Trainer spiegelt sich in eindrucksvollen Zahlen wider. Inter hat die letzten 13 Pflichtspiele allesamt gewonnen und dabei teils berauschenden Fußball gespielt. In fünf jener Partien gelangen Martínez und Co. mindestens vier Tore. Dazu ist die Defensive so sattelfest, wie es sich für eine italienische Spitzenmannschaft gehört. Sie setzt in Europa Maßstäbe.

Der Vorsprung an der Tabellenspitze der Serie A beträgt satte 15 Punkte, ein weiterer Scudetto ist also Formsache. Dazu kommt die glänzende Ausgangslage vor dem Rückspiel gegen Atlético.

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Simone Inzaghi winkt bei Inter eine Gehaltserhöhung

In der Führungsetage weiß man um die Verdienste Inzaghis. Klubchef Giuseppe Marotta lobte zuletzt, der Trainer habe seinen Spieler eine "Siegermentalität" eingeimpft und zeige eine besondere Gabe im Umgang "mit Kritik und Druck". Aktuell läuft der Vertrag des 47 Jahre alten Ex-Profis noch bis 2025. Laut Gazzetta dello Sport soll dieser aber zügig verlängert werden. Inzaghi winke dabei eine deutliche Gehaltserhöhung. Aktuell soll er etwa 5,5 Millionen Euro pro Jahr verdienen.

Inzaghi selbst sieht seine Zukunft ebenfalls in der Modestadt: "Ich bin glücklich bei Inter und habe eine gute Beziehung zum Vorstand und den Fans. Wegen meines Vertrags werden wir uns noch in dieser Saison zusammensetzen und über eine Verlängerung reden. Nochmal: Die Beziehung ist klasse und es werden guten Gespräche."

Sollte nicht also doch noch ein Klub aus der trainersuchenden Meute bei Inzaghi anklopfen, dürfte dessen Erfolgsgeschichte bei Inter noch das eine oder andere Kapitel hinzugefügt werden.