"Glückwunsch erstmal", sagte Manuel Neuer zu Manuel Neuer. Noch bevor in der Mixed Zone die erste Frage fertig ausgesprochen war, wollte der Kapitän des FC Bayern München unbedingt beglückwünscht werden. Da der Fragesteller diese Aufgabe nicht direkt erledigte, übernahm es eben Neuer selbst: "Glückwunsch erstmal! Das haben wir lange nicht gehört."
Neuer hatte ja recht: Nach diesem 3:0-Sieg gegen Lazio Rom durfte man ihm und dem FC Bayern endlich mal wieder gratulieren. Die Münchner zeigten wohl die beste Leistung in diesem Kalenderjahr, noch wichtiger aber war selbstverständlich das Ergebnis. Nach dem 0:1 im Hinspiel bedeutete das 3:0 schließlich den Einzug ins Viertelfinale der Champions League. Und das bedeutete wiederum, dass die Saison nicht schon am 5. März zu Ende ist.
Angesichts des blamablen Aus im DFB-Pokal gegen den 1. FC Saarbrücken und zehn Punkten Rückstand auf Bundesliga-Tabellenführer Bayer Leverkusen hätten die Münchner bei einem Ausscheiden gegen Lazio keine realistische Titelchance mehr gehabt. So früh in der Saison gab es das letztmals vor exakt 20 Jahren, die letzte titellose Saison liegt zwölf Jahre zurück.
Nun aber darf immerhin weiter geträumt werden vom Triumph in der Champions League. Bei den Fans, bei den Spielern, beim scheidenden Trainer Thomas Tuchel: Bei allen Beteiligten war an diesem verregneten Dienstagabend zunächst überzeugende Entschlossenheit und anschließend maximale Erleichterung zu spüren.
"Wirklich herausragend": Joshua Kimmich lobt den verletzten Thomas Tuchel
Zum Einlauf begrüßten die Fans ihre Mannschaft mit einer beeindruckenden Choreografie, über die gesamte Südkurve war das Münchner Kindl zu sehen. Die Stimmung im Stadion war 90 Minuten lang dem Anlass entsprechend. Als sich das Weiterkommen abzeichnete, besangen die Fans beseelt den "Europapokal", ehe sie die Mannschaft bei ihrer Ehrenrunde feierten.
Tuchel hatte seine Spieler bei der Ansprache vor dem Spiel dermaßen eingepeitscht, dass er sich dabei mutmaßlich einen Zeh brach. "Für den Trainer ist die Situation total ungewöhnlich. Dafür macht er das wirklich herausragend", lobte Joshua Kimmich. "Das Trainerteam ist hochmotiviert. Man könnte es an ihrer Stelle auch anders angehen und sagen: Es ist uns scheißegal." Beachtlich dabei: Kaum ein Spieler soll Tuchel derart kritisch gegenüberstehen wie Kimmich.
Mit seiner Aufstellung ging Tuchel gegen Lazio ins Risiko: In der Abwehr setzte er (zumindest bei Ballbesitz) auf eine Dreierkette mit Leon Goretzka als fluiden dritten Innenverteidiger, in der Offensive verzichtete er trotz seines Treffers beim 2:2 gegen den SC Freiburg auf Publikumsliebling Mathys Tel und beorderte dafür den angeschlagenen und formlosen Leroy Sané in die Startelf - das Risiko hinter dieser unpopulären Maßnahme unterstrich er vor Anpfiff sogar selbst. Im Falle eines Scheiterns wäre ein Sturm der Entrüstung über Tuchel hereingebrochen. So aber darf er sich für seinen Mut bestätigt fühlen.
"Er hat die Mannschaft sehr gut eingestellt. Sie hat einen klaren Plan gehabt", lobte der neue Sportvorstand Max Eberl. Die Spieler setzten Tuchels Vorgaben tadellos um. Bei einer geschlossen guten Mannschaftsleistung fiel keiner ab, allerorts gab es kleine Erfolgsgeschichten zu vermelden.
FC Bayern München: Zahlreiche Erfolgsgeschichten beim Sieg gegen Lazio
Erstmals seit sieben Spielen blieb der FC Bayern gegen Lazio mal wieder ohne Gegentor. "Sehr froh" seien alle Defensivspieler darüber gewesen, berichtete Neuer: "Wir haben uns alle umarmt." Der Keeper behielt in der Champions League seinerseits zum 57. Mal eine weiße Weste und stellte damit den Rekord von Iker Casillas ein. Glückwunsch erstmal! Die Innenverteidiger Matthijs de Ligt und Eric Dier harmonierten so tadellos, dass sie Kimmich gar "Halbgeschwister" nannte.
Apropos Kimmich: Nach seinem schwachen Auftritt in Freiburg sorgte er diesmal als Rechtsverteidiger für viel Betrieb. Sein Pendant auf links Raphael Guerreiro war an den ersten beiden Treffern entscheidend beteiligt. Das erst 19-jährige Münchner Kindl Aleksandar Pavlovic glänzte einmal mehr als beeindruckend weitsichtiger und passgenauer Stratege auf der Sechs.
Davor machte Thomas Müller Thomas-Müller-Sachen. Beispielsweise "einen ganz normalen Thomas-Müller-Lauf", wie er seine Einleitung von Harry Kanes 1:0 beschrieb. Das 2:0 erzielte Müller dann selbst, ehe Kane den Doppelpack zum 3:0 schnürte. Es war sein 33. Tor im 33 Pflichtspiel dieser Saison. Kurz vor Schluss feierte Serge Gnabry sein Comeback nach dreimonatiger Verletzungspause.
Max Eberl blickt nach vorne und beschwört das bajuwarische Selbstverständnis
"Man hat gemerkt", befand Eberl: "Sie haben genossen, was sie gemacht haben." Weil sie es gut gemacht haben. Warum aber erst jetzt? Wo die Meisterschaft (so gut wie) verloren ist, wo die Sommer-Trennung von Tuchel besiegelt ist, wo ein großer Umbruch unvermeidlich erscheint, wo der Klub in der größten Krise seit Jahren steckt.
"Es gibt ein schönes Zitat", sagte Eberl. "Wer mit dem Kopf in die Vergangenheit schaut, der schaut mit dem Arsch in die Zukunft." Eberls Arsch aber soll Richtung Vergangenheit schauen. Er steht für den Neuaufbau, für die Zukunft und so orientierte er sich auch verbal nach vorne. Bei seiner Rede zur Lage der Bayern-Nation sprach er von "einer Energie, die da entsteht" und von "Rückenwind", der jetzt mitgenommen werden müsse.
Eines wollte Eberl dann aber doch noch einordnen, ganz dem zuletzt verloren gegangenen bajuwarischen Selbstverständnis entsprechend: "Wir sind Bayern München. Da ist es ein Stück weit selbstverständlich, dass wir im Viertelfinale der Champions League stehen und Lazio schlagen." Übrigens Tabellenneunter der Serie A mit drei Niederlagen aus den vergangenen vier Spielen.
FC Bayern München: Die nächsten Spiele des FCB
Datum | Wettbewerb | Gegner |
9. März, 15.30 Uhr | Bundesliga | Mainz 05 (H) |
16. März, 15.30 Uhr | Bundesliga | SV Darmstadt 98 (A) |
30. März, 18.30 Uhr | Bundesliga | Borussia Dortmund (H) |
6. April, 15.30 Uhr | Bundesliga | 1. FC Heidenheim (A) |
13. April, 15.30 Uhr | Bundesliga | 1. FC Köln (H) |