Unübertroffen seit Pep Guardiola - aber dennoch keine Euphorie: Die paradoxe Situation des FC Bayern München

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Die Situation des FC Bayern München am 19. Bundesliga-Spieltag ist durchaus paradox. Hier die fast schon tragischen Verletzungssorgen und die nächste wenig glanzvolle Leistung. Dort die erstaunlich starke Punktausbeute. Eine Bestandsaufnahme nach dem 3:2-Arbeitssieg beim FC Augsburg.

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Pep Guardiola holte mit dem FC Bayern zwar keinen Champions-League-Titel, in der Bundesliga traten die Münchner aber wohl nie dominanter auf als unter dem katalanischen Star-Trainer. Was das mit dem 3:2-Arbeitssieg an einem kalten Samstagnachmittag im Januar 2024 auf einem verheerenden Rasen in Augsburg, begleitet von fast schon tragischen Verletzungssorgen, zu tun hat?

Nun, dieser Arbeitssieg unter widrigsten Umständen bescherte dem FC Bayern am 19. Spieltag die Punkte 45, 46 und 47. Das sind zwar zwei weniger als Tabellenführer Bayer Leverkusen, der abends überraschend gegen Borussia Mönchengladbach patzte. Mehr Punkte konnten die München zu diesem Zeitpunkt der Saison aber letztmals im dritten und letzten Guardiola-Jahr 2015/16 vorweisen. Ja, tatsächlich. Zum Vergleich: In der vergangenen Spielzeit waren es zum gleichen Zeitpunkt sieben Zähler weniger.

Man kann es kaum glauben, spielerisch und stimmungsmäßig erinnert aktuell nämlich kaum etwas an Guardiolas Zeiten - dieser Eindruck manifestierte sich trotz des Sieges auch in Augsburg. Von Euphorie keine Spur. "Kampf" und "Arbeit" waren die meistgenannten Worte bei den Analysen nach dem Spiel. "Lockere Spiele gibt es in der Bundesliga für uns erstmal nicht", sagte etwa Kapitän Manuel Neuer. "Es geht viel über Kampf. Es läuft nicht von alleine so wie wir es vielleicht gewohnt sind."

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"Bist du behämmert?": FCB-Trainer Thomas Tuchel wütet Richtung Augsburg-Bank

Mehr erkämpft, denn erspielt war auch zuletzt der Sieg gegen Union Berlin, davor setzte es eine Niederlage gegen Werder Bremen. Erklären konnte diese Pleite nicht einmal der Trainer, Thomas Tuchel gab sich damals ratlos - und wurde anschließend bereits sachte hinterfragt.

In Augsburg war Tuchels Anspannung durchaus zu spüren, als er in der Nachspielzeit in Richtung Augsburger Bank wütete. "Bist du behämmert oder was? Was ist denn los mit dir?", schrie der Trainer über die TV-Mikrofone gut vernehmbar in Richtung des Augsburger Sportdirektors Marinko Jurendic. Der Münchner Aleksandar Pavlovic lag gerade angeschlagen auf dem Rasen, Jurendic vermutete Zeitspiel.

Tatsächlich musste Pavlovic kurz darauf ausgewechselt werden, nach dem Spiel gab es bei ihm immerhin Entwarnung. Die Münchner Verletzungssorgen verschlimmerten sich in Augsburg dennoch. Kingsley Coman zog sich einen Innenbandriss im Knie zu und wird wochenlang fehlen. Er ist somit der zehnte unpässliche Profi.

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FC Bayern München müht sich zum Sieg gegenden FC Augsburg

Passiert ist Comans Verletzung ausgerechnet bei Pavlovics Treffer zum zwischenzeitlichen 1:0. Die Münchner führten später 2:0 und 3:1, gerieten aber dennoch akut ins Wanken. Neuer hielt in der Schlussphase einen von zwei reichlich unnötigen Elfmetern - und sah wegen Zeitspiels die Gelbe Karte. Nichts wirkt bei den Münchnern aktuell locker und souverän, alles irgendwie behäbig und mühsam.

Harry Kane erzielte nach zwei Partien ohne eigenen Treffer zwar sein 23. Bundesligator, war aber kaum ins Kombinationsspiel eingebunden. Leroy Sané und Jamal Musiala präsentierten sich zwar bemüht, blieben in ihren Aktionen aber weitestgehend glücklos. Genau wie der früh für den verletzten Coman eingewechselte Joker Mathys Tel, der nach einem sensationellen Saisonstart mittlerweile seit fast vier Monaten auf einen Torerfolg wartet.

Augsburg blieb unterdessen gefährlich und kam sogar auf einen höheren xG-Wert als der FC Bayern (2,61 zu 2,33). Neuer musste fünf Paraden zeigen, so viele waren es in der Bundesliga letztmals im September 2022 gegen Bayer Leverkusen.

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Verletzungsorgen beim FC Bayern: Sacha Boey soll für Entlastung sorgen

Letztlich aber trotzte der FC Bayern sämtlichen Widerständen. Und davon gab es einige: Abgesehen von den FCA-spezifischen Widerständen (verheerender Rasen, Angstgegner) ist diesbezüglich die Münchner Ausfallliste zu nennen. "Wir haben in der letzten Woche viele Scheiß-Nachrichten bekommen", sagte Leon Goretzka. Tuchel fehlten in Augsburg insgesamt neun Profis, sieben verletzt sowie die beiden abgestellten Nationalspieler Min-Jae Kim und Noussair Mazraoui.

Vor allem die Situation in der Abwehr ist alarmierend: Mangels Alternativen musste Raphael Guerreiro auf ungewohnter Position rechts hinten beginnen, während Winter-Neuzugang Eric Dier in der Innenverteidigung sein Startelf-Debüt feierte. Am Sonntag-Vormittag kam immerhin Entlastung: Der FC Bayern verkündete die Verpflichtung von Sacha Boey. Der 23-jährige Rechtsverteidiger aus Frankreich wechselt für 30 Millionen Euro von Galatasaray Istanbul nach München.

Durch Comans Innenbandriss verschärfte sich dafür die Situation in der Offensive. Vielleicht darf am kommenden Samstag gegen Borussia Mönchengladbach ja mal wieder Thomas Müller beginnen.

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Bayer Leverkusen und Lazio Rom: Dem FC Bayern stehen wegweisende Spiele bevor

In Augsburg fehlte die Klub-Ikone trotz aller Verletzungssorgen zum dritten Mal hintereinander in der Startelf. Müller kam erst in der 89. Minute ins Spiel und verschuldete kurz darauf den zweiten Elfmeter. "Nicht die cleverste Aktion meiner Karriere" nannte Müller sein unnötiges Foul.

Murren über seine anhaltende Reservistenrolle war von ihm übrigens keines zu hören. "Wir sind eine kleine Gruppe, deshalb müssen wir zusammenhalten", sagte Müller stattdessen. Auf den FC Bayern warten schließlich wegweisende Spiele: Nach dem Duell mit Gladbach geht es auswärts gegen Tabellenführer Leverkusen, anschließend steigt das Achtelfinal-Hinspiel der Champions League gegen Lazio Rom.

Irgendwann "werden auch wieder Spiele kommen, bei denen wir spielerisch mehr glänzen, bei denen es klarer wird", hoffte Sportdirektor Freund in Augsburg. Aber bis dahin nehme er gerne noch "zwei, drei" solcher Arbeitssiege mit. Auch wenn es beim FC Bayern aktuell ziemlich holpert, so passen immerhin Effizienz und Punkteausbeute. In der vergangenen Saison hatten die Münchner unter Trainer Julian Nagelsmann zu diesem Zeitpunkt sieben Punkte weniger auf dem Konto - bei der identischen Tordifferenz von 56:18.

FC Bayern München: Die nächsten Spiele

DatumWettbewerbGegner
3. Februar, 15.30 UhrBundesligaBorussia Mönchengladbach (H)
10. Februar, 18.30 UhrBundesligaBayer Leverkusen (A)
14. Februar, 21 UhrChampions LeagueLazio Rom (A)