Wir hätten in der folgenden Auflistung freilich auch auf den geplatzten Investoren-Einstieg der DFL, die ewige Schiedsrichter-Diskussion oder die Führungsetage des FC Bayern eingehen können.
Die Saison 2022/23 hat allerdings auch eine rein sportliche Beurteilung verdient. Damit die ganze Sache nicht ausufert, hat sich SPOX bei den Gewinnern und Verlierern auf jeweils neun Spieler sowie einen Trainer beschränkt.
Sébastien Haller (Gewinner)
● BVB, Angreifer
Es ist zweifellos die bewegendste Geschichte der Saison: Der Sommer-Neuzugang verpasste die komplette Hinrunde wegen einer Krebserkrankung am Hoden und schoss den BVB beinahe zur Meisterschaft.
Nach anfänglichen Schwierigkeiten, sich in die Mannschaft einzufinden, wurde Haller mehr und mehr zum wichtigen Baustein der Offensive, der mit seinen Qualitäten als Wandspieler auch seine Nebenmänner besser machte. Am vorletzten Spieltag in Augsburg schoss er sein Team dann auch noch mit einem Doppelpack an die Tabellenspitze, ehe ihm beim großen Finale die Nerven versagten
Dennoch: Der Ivorer darf sich als großer Gewinner dieser Spielzeit fühlen, auch wenn er das selbst wohl vorerst nicht wahrhaben will.
André Silva (Verlierer)
● RB Leipzig, Angreifer
In Frankfurt einst Torgarant, in seiner ersten Saison bei RB Leipzig mit elf Toren noch ganz passabel und jetzt kaum noch gebraucht. Lediglich viermal traf der Portugiese für die Roten Bullen in der abgelaufenen Bundesliga-Spielzeit. Vier weitere Treffer legte er vor.
Dass es auch anders geht, zeigt nicht nur Co-Torschützenkönig Christopher Nkunku, sondern auch Timo Werner. Der Nationalspieler hat immerhin neun Treffer auf dem Konto. Seinen Stammplatz hat Silva innerhalb der starken Leipziger Rückrunde verloren. Gut möglich, dass er im Sommer ausgetauscht wird.
Jamal Musiala (Gewinner)
● FC Bayern München, Mittelfeldspieler
Klar, die Rückrunde von Musiala war im Vergleich zur ersten Saisonhälfte keine Glanzvorstellung. Die 25 Scorerpunkte in 33 Bundesligaspielen lassen sich am Ende dennoch sehen. Zumal er seine spielerischen Fähigkeiten regelmäßig zeigte.
Eines seiner insgesamt zwölf Tore dann in der 89. Minute im entscheidenden Spiel um die Meisterschaft zu schießen, ist mit 20 Jahren nicht weniger als ein Statement. Und dass Musiala längst nicht am Ende seiner Entwicklung steht, ist nichts anderes als beängstigend für die Konkurrenz der Bayern.
Florian Müller (Verlierer)
● VfB Stuttgart, Torhüter
Es war eines der Themen in den vergangenen Wochen bei den Schwaben: die Torhüter-Diskussion. Müller war als klare Nummer eins in die Saison gestartet, verlor seinen Status jedoch nach einigen Patzern im Laufe der Wochen. Ersatz Fabian Bredlow machte seine Sache vielleicht etwas besser, wusste aber auch nicht immer zu überzeugen.
Bei den Fans sorgte die ständige Debatte für Unruhe, sie würde von den wahren Problemen ablenken. Währenddessen war durchgesickert, dass die Vereinsführung bereits nach einem neuen Stammkeeper für die kommende Spielzeit suchen soll. Dabei sollte der Fokus eigentlich voll auf dem Klassenerhalt liegen, der erstmal in der Relegation gegen den HSV gesichert werden will.
Und wie geht es für Müller weiter? Das einstige Talent hat dem Vernehmen nach keine Zukunft mehr im Verein. Gleiches gilt auch für Bredlow.
Henning Matriciani (Gewinner)
● Schalke 04, Verteidiger
Ja, Schalke ist abgestiegen. Ja, die Abwehr war mit 71 Gegentoren die zweitschlechteste der Liga. Der Aufstieg des 23-Jährigen ist dennoch eine Erfolgsgeschichte. Vor rund zweieinhalb Jahren hatte Matriciani noch als Physiotherapeut gearbeitet, ehe er vom heutigen Regionalligisten SV Lippstadt zum großen S04 wechselte. In der abgelaufenen Saison stieg er zum Stammspieler in der Bundesliga auf.
Nach dem Revierderby in der Rückrunde wurde Matriciani zum Meme. Schalke 04 postete ein Bild von ihm mit dem Ballon d'Or, in den sozialen Netzwerken wurde er als GOAT gefeiert. Der vielseitige Verteidiger war vor allem durch eine spektakuläre Grätsche in höchster Not zum Helden des Spiels avanciert. In Liga zwei soll er fester Bestandteil bei der Mission Wiederaufstieg werden.
Sadio Mané (Verlierer)
● FC Bayern München, Angreifer
Der Senegalese kam als gefeierter Königstransfer nach München. Stolze 32 Millionen Euro plus Boni legte der FC Bayern für den Angreifer auf den Tisch. Ein Fehlgriff, wie sich nach der Weltmeisterschaft herausstellen sollte.
Die Auseinandersetzung mit Leroy Sané nach dem Aus in der Champions League war die unrühmliche Krönung einer Zusammenarbeit, die dem Vernehmen nach im kommenden Sommer schon wieder enden könnte. Mané wirkte meist wie ein Fremdkörper im Bayern-Spiel, in die Mannschaft war er zu keinem Zeitpunkt richtig integriert. Die kolportierten 20 Millionen Euro Jahresgehalt sind das berühmte i-Tüpfelchen.
Felix Nmecha (Gewinner)
● VfL Wolfsburg, Mittelfeldspieler
Lange stand er im Schatten seines bekannten Bruders Lukas, unter Trainer Niko Kovac stieg der 22-Jährige durch hervorstechende Leistungen aber zum Nationalspieler auf. Aufgrund der Kontroversen auf seinen sozialen Kanälen hagelte es für die Nominierung zwar Kritik, sportlich ist sie aber zweifellos verdient.
Nmecha kann im Mittelfeld alle Rollen vor der Sechs bekleiden. Seine Stärken liegen besonders im kreativen Spiel nach vorne. Auch in Sachen Torgefahr und Pressingresistenz gehörte er in der abgelaufenen Spielzeit zu den besten Wölfen. Umso bitterer, dass er nach dem letzten Spieltag mit Krücken aus dem Krankenhaus humpelte. Nmecha gilt auch als Kandidat für den deutschen Kader bei der kommenden U21-Europameisterschaft im Juni und Juli.
Callum Hudson-Odoi (Verlierer)
● Bayer Leverkusen, Angreifer
Hasan Salihamidzic flirtete einst heftig mit ihm, Thomas Tuchel wollte beim FC Chelsea auf ihn bauen. Letztlich landete der Engländer per Leihe in Leverkusen, wo er die Offensive mit seinem unfassbaren Tempo verstärken sollte. Der Durchbruch blieb allerdings - mal wieder - aus.
Für Hudson-Odoi gibt es keine Zukunft bei Bayer. Ab Mitte Februar machte Trainer Xabi Alonso keinerlei Anstalten mehr, auf den Flügelflitzer zu bauen. Die seither ernüchternde Bilanz: acht Einsatzminuten.
Donyell Malen (Gewinner)
● BVB, Angreifer
Vor der Saison stand Malen noch zur Disposition, in der Rückrunde stieg er zum Leistungsträger und konstantesten Angreifer des BVB auf. Neun Tore und fünf Assists steuerte er in der Bundesliga allein ab Februar bei.
Der Niederländer hat gute Argumente, zum besten Spieler der Rückrunde gewählt zu werden. Kaum ein anderer nahm in diesem Zeitraum einen derart großen Einfluss auf die Offensive seiner Mannschaft.
Suat Serdar (Verlierer)
● Hertha BSC, Mittelfeldspieler
Der einstige Nationalspieler steht sinnbildlich für den Abstieg der Hertha. Serdar kam 2021 für viel Geld (acht Millionen Euro) aus Gelsenkirchen und sollte das Mittelfeld der Alten Dame nachhaltig prägen. Nach zwei Jahren lässt sich bilanzieren, dass dieser Plan krachend gescheitert ist.
Serdar hangelte sich seither von einer schwachen Leistung zur nächsten, sein unbestritten großes Potenzial wusste er nur in den seltensten Fällen auszuschöpfen. Ein Werdegang, der sich auf den Großteil der restlichen Hertha-Mannschaft projizieren lässt.
Nun steht Serdar vor einer unklaren Zukunft, er darf den Verein offenbar verlassen. In der 2. Liga stehen die Zeichen nämlich auf Neuanfang, ganz ohne hochbezahlte Spieler, die weit hinter ihren Erwartungen zurückgeblieben sind.
Benjamin Pavard (Gewinner)
● FC Bayern München, Verteidiger
Der Franzose war nie ganz unumstritten in München, er selbst haderte mit seiner Rolle als Rechtsverteidiger. Auf der rechten Seite fand er sich auch meist in der Hinrunde wieder, wo er dennoch zu überzeugen wusste. Im zweiten Saisonabschnitt wendete sich das Blatt allerdings.
Als rechter Part in Julian Nagelsmanns Dreierkette oder in Folge von Verletzungssorgen in der Viererkette - Pavard machte sich unersetzlich. Das führte übereinstimmenden Medienberichten sogar zu einem Umdenken in der Vereinsführung.
Pavards 2024 auslaufender Vertrag soll verlängert werden. Er soll künftig eine wichtige Säule in der Innenverteidigung werden. Seine guten Leistungen sind allerdings nicht unbemerkt geblieben: Angeblich klopfen der FC Liverpool und Real Madrid an.
Patrik Schick (Verlierer)
● Bayer Leverkusen, Angreifer
Der Tscheche galt nach seinen 24 Toren in der Vorsaison als Top-Favorit auf die Torjägerkanone. Letztlich reichte es aber nur zu drei mickrigen Treffern. Während des verkorksten Saisonstarts agierte Schick äußerst unglücklich, ehe er sich kurz vor der Weltmeisterschaft an den Adduktoren verletzte. Die Beschwerden überwand der Stürmer nie. Nach monatelanger Pause und drei Bundesligaspielen brach die Verletzung erneut auf.
Schick absolvierte kein Spiel mehr, am Ende standen lediglich 14 Einsätze zu Buche. Eine Saison zum Vergessen.
Gregor Kobel (Gewinner)
● Borussia Dortmund, Torhüter
Der Schweizer ist nach dieser Saison endgültig in die Elite der Bundesliga-Torhüter aufgestiegen. Er lieferte mit seinen zahlreichen Paraden genügend Argumente, um ihn sogar als BVB-Spieler der Saison zu bezeichnen.
Lediglich Union Berlins Frederik Rönnow, der in diesem Ranking somit auch seine verdiente Erwähnung bekommen hat, hielt mehr Bälle als Kobel. Die Leistungssteigerung könnte schon bald mit einer Gehaltsverdopplung und der Beförderung in den Mannschaftsrat belohnt werden.
Der BVB wird alles daran setzen, den Publikumsliebling langfristig an sich zu binden. Zumal mehrere englische Topklubs Gerüchten zufolge Interesse zeigen sollen.
Alexander Schwolow (Verlierer)
● Schalke 04, Torhüter
Was Serdar für die Hertha ist, ist Schwolow für Schalke. Die Leihgabe aus Berlin war als klare Nummer eins nach Gelsenkirchen gekommen. Nach zahlreichen Patzern sah man sich aber zu einem Torwartwechsel gezwungen.
Es schlug unerwarteter Weise die Stunde von Ralf Fährmann, der seinen Job deutlich konstanter ausführte. Doch im April verletzte er sich, weshalb Schwolow wieder zwischen die Pfosten durfte. Anstatt seine Chance zu nutzen, blieb sein Spiel allerdings fehlerbehaftet.
Schwolows Aussetzer wie am vorletzten Spieltag gegen Frankfurt trugen am Ende zum Schalker Abstieg bei. Noch bitterer: Der Gang in die Zweitklassigkeit bleibt ihm trotz des beendeten Leihgeschäfts nicht erspart. Er wird nach Berlin zurückkehren. Ein Wechsel des einstigen "Goldener Handschuh"-Preisträgers zu einem Bundesligisten scheint nahezu ausgeschlossen.
Niclas Füllkrug (Gewinner)
● Werder Bremen, Angreifer
Füllkrug geht zwar als "schlechtester Torschützenkönig" der Bundesliga in die Geschichte ein, die berühmte Kanone kann ihm und Leipzigs Christopher Nkunku trotzdem keiner mehr nehmen. Zumal seine wochenlange Verletzung womöglich eine bessere Ausbeute als 16 Treffer verhinderten.
Zudem darf sich der 30-Jährige voraussichtlich über eine Teilnahme als Stürmer Nummer eins bei der Heim-EM im kommenden Jahren freuen. Ob er dann noch das grün-weiße Trikot trägt, steht auf einem anderen Blatt.
Leon Goretzka (Verlierer)
● FC Bayern München, Mittelfeldspieler
Seine Saison hätte nicht schlechter laufen können. Zu Saisonbeginn machte sein Körper nicht mit, was Marcel Sabitzer einen Stammplatz im zentralen Mittelfeld besorgte. Nach seiner Rückkehr ließ das Zusammenspiel mit Joshua Kimmich zu wünschen übrig.
Dennoch musste Sabitzer weichen. Goretzka war spätestens zur Rückrunde ständiger Kritik ausgesetzt - und zwar berechtigt. Derart, dass die Bayern im Sommer reagieren wollen. Dann muss auch Goretzka um seinen Stammplatz fürchten. Das Spiel in Köln war dahingehend schon ein Wink mit dem Zaunpfahl.
Goretzka wurde erst im Laufe der Partie eingewechselt und musste nach dem Ausgleich wieder auf der Bank Platz nehmen. Eine Demütigung, die ihm ernsthafte Sorgen um seine Zukunft im Verein machen sollte.
Randal Kolo Muani (Gewinner)
● Eintracht Frankfurt, Angreifer
Ohne seine Dienste hätte sich die Eintracht die Teilnahme am europäischen Geschäft sehr wahrscheinlich abschminken können. Kolo Muani war der mitunter einzige Offensivspieler der SGE, der seine Leistungen beständig abrief.
Mit 15 Toren und 14 Assist gehört der Franzose zweifellos zu den besten Spielern der abgelaufenen Saison. Das haben auch längst die europäischen Topklubs bemerkt. Womöglich trägt er bald sogar das Trikot des FC Bayern.
Marco Reus (Verlierer)
● Borussia Dortmund, Angreifer
Es hätte die Krönung seiner Karriere werden sollen, durch die erneut verpasste Meisterschaft bleibt sie aber weiterhin unvollendet. Reus ist es scheinbar nicht vergönnt, einen Titel außerhalb des DFB-Pokals zu gewinnen.
Als Stammspieler wird ihm das höchstwahrscheinlich auch nicht mehr gelingen. Anders als Mats Hummels, der zur Rückrunde nochmal richtig wichtig für den BVB wurde, war Reus über weite Strecken nur noch Reservist. Andere waren und sind inzwischen schlichtweg besser im Dortmunder Angriff. Immerhin bekam er einen neuen Vertrag bis 2024, wenn auch zu geringeren Bezügen.
Marco Rose (Gewinner)
● RB Leipzig, Trainer
Es war der erste Trainerwechsel der Saison, als Rose den Posten von Domenico Tedesco zum sechsten Spieltag übernahm - und neben der Installierung von Xabi Alonso bei Bayer Leverkusen die wohl beste Entscheidung eines Bundesligisten.
Von seinen 29 Bundesligaspielen als Leipzig-Coach gewann Rose 19, nur sechsmal ging seine Mannschaft als Verlierer vom Platz. Durch die bärenstarke Bilanz kletterte Leipzig am Ende noch souverän auf Rang drei. Roses Verdienst wird bei einem Blick auf die Tabelle seit seiner Übernahme noch deutlicher: 61 Punkte holte kein anderes Team. Die Bayern befinden sich mit 60 Zählern auf Platz zwei, der BVB ist mit 59 Dritter.
Mehr als genügend Argumente, um Rose als Trainer der Saison zu bezeichnen (bei allem Respekt für Urs Fischer oder Christian Streich). Bei einer Anstellung zum Saisonstart hätte es eventuell sogar zur ersten Leipziger Meisterschaft gereicht.
Daniel Farke (Verlierer)
● Borussia Mönchengladbach, Trainer
Farke kam mit Vorschusslorbeeren nach Gladbach. Inzwischen ist klar: Das war ein ordentlicher Griff ins Klo. Unter Farke hat sich schlichtweg nichts geändert, sogar eher verschlechtert.
Von einem Umbruch nach der verkorksten Vorsaison war ebenfalls nichts zu sehen. Am Ende war es ein verschenktes Jahr, weshalb der nächste Neuanfang bevorsteht - und dieser findet wohl ohne Farke statt.