Nach Transferangriff von einer knappen Milliarde Euro: Warum gleich mehrere Stars in Saudi-Arabien unglücklich sind

Von Tim Ursinus
mane-1200
© getty

Im Sommer folgten Cristiano Ronaldo zahlreiche Stars und Trainer dem Ruf des Geldes nach Saudi-Arabien. Doch so richtig glücklich sind nur die wenigsten. Wir verschaffen einen Überblick zur Situation der größten Neuzugänge der Saudi Pro League.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Knapp eine Milliarde Euro gaben die Vereine der Saudi Pro League im Sommer für neue Spieler aus, die zum Teil den europäischen Fußball hinter sich ließen, um sich dem Projekt in der Wüste anzuschließen. Den krassen Standortwechsel ließen sie sich freilich ordentlich vergüten. Doch Geld macht bekanntlich nicht immer glücklich.

SPOX zeigt ohne Anspruch auf Vollständigkeit eine Auswahl von Spielern und Trainern, die ihr Leben komplett umgekrempelt haben. Einige davon bereuen ihren Schritt womöglich schon.

Abonniere SPOX auf WhatsApp!

ronaldo
© getty

Cristiano Ronaldo (Al-Nassr)

  • ablösefreier Wechsel 2022/23 zu Al-Nassr
  • kolportiertes Gehalt: 200 Millionen Euro pro Jahr
  • Vertrag bis 2025

Der Superstar gilt als Vorreiter der heiß diskutierten Transfer-Welle in Saudi-Arabien. Als einer der ersten ganz großen Fußballer mit reichlich Erfolgen in Europa schloss er sich Anfang 2023 dem saudi-arabischen Spitzenteam Al-Nassr an.

Ronaldos Transfer war wenig überraschend heftig umstritten, wurde er von Analysten sogar dem Sportswashing zugeschrieben. Der Wechsel wird durch den enormen Marketing-Hintergrund als Teil der "Vision 2030" angesehen, welche unter anderem vorsieht, Saudi-Arabiens Abhängigkeit vom Erdöl deutlich zu verringern sowie die Bevölkerung vielseitiger zu machen und die Infrastruktur zu stärken.

Für Al-Nassr machte der Transfer auch sportlich Sinn. Zwar verpasste man die Meisterschaft am Ende als Zweiter - Ronaldo erzielte 14 Tore in 16 Spielen -, den Arab Club Champions Cup (eine Art DFB-Pokal für Vereine aus dem Arabischen Raum) gewann der Klub jedoch. Im Finale setzte er sich dank eines Doppelpacks des Portugiesen mit 2:1 gegen Rivale Al-Hilal durch.

Auch in dieser Spielzeit trumpft Ronaldo als Torjäger auf. In wettbewerbsübergreifend 23 Spielen gelangen ihm 21 Treffer und elf Assists. Der 38-Jährige scheint sich in seinem neuen Umfeld sehr wohlzufühlen.

Eine Rückkehr nach Europa schloss er zuletzt sogar aus. "Ich bin mir zu hundert Prozent sicher", sagte Ronaldo im Sommer dahingehend und erlaubte sich natürlich auch eine kleine Spitze gegen seinen ewigen Widersacher Lionel Messi, der inzwischen in den USA bei Inter Miami sein Geld verdient: "Die saudische Liga ist besser als die MLS."

Ronaldo öffnete die Türen für zahlreiche weitere Stars. Doch nicht alle sind offenbar so zufrieden wie er.

mane-1200
© getty

Sadio Mané (Al-Nassr)

  • Wechsel für 30 Millionen Euro 2023/24 vom FC Bayern München zu Al-Nassr
  • kolportiertes Gehalt: 40 Millionen Euro netto pro Jahr
  • Vertrag bis 2026

In Mané bekam Ronaldo sogar Zuwachs aus der Bundesliga - und der Senegalese gehört noch zu den Spielern, die durchaus glücklich über den Wechsel sein dürften.

Mané hatte beim FC Bayern München nie wirklich den erhofften Impact auf die Mannschaft genommen, nachdem er im Sommer 2022 noch als Star-Transfer von Ex-Sportvorstand Hasan Salihamidzic gefeiert worden war. Das wohl größte Missverständnis der jüngeren Vereinsgeschichte des deutschen Rekordmeisters war bereits nach einem Jahr wieder beendet.

Die Bayern suchten händeringend nach einem Abnehmer und wurden schließlich in Saudi-Arabien fündig. Der reine Transfer-Verlust belief sich letztlich auf "nur" zehn Millionen Euro. Eine Schadensbegrenzung, mit der beide Seiten am Ende gut leben können.

Zumal Mané schon kurz nach seiner Ankunft sichtlich befreit in der Wüste an alte Tage aus Liverpool - auch wenn das Niveau freilich nicht zu vergleichen ist - erinnerte. Nach sechs Spieltagen in der Liga hatte er ebenso viele Treffer auf dem Konto. Vier weitere Tore erzielte er in den Pokalwettbewerben, dazu gesellen sich sechs Assists.

Auch wenn er in der Liga seither nicht mehr traf, scheint sich Mané an seiner neuen Wirkungsstätte gut eingelebt zu haben. Zudem wird er von seinem Verein sehr geschätzt. "Sie (die Bayern; Anm. d. Red.) müssen sich fragen, warum Mané nicht sein bestes Niveau im Verein zeigen konnte. Und auch der Spieler muss eine Einschätzung abgeben", erklärte Sportdirektor Marcelo Salazar über den "Weltstar" und betonte: "Es gibt immer zwei Seiten einer Geschichte."

espiritio-santo
© getty

Nuno Espírito Santo

  • Trainer bei Al-Ittihad bis November 2023

Dass es auch ganz anders laufen kann, zeigt die Entwicklung rund um Trainer Nuno Espírito Santo.

Nachdem der einstige Spurs-Coach Al-Ittihad in der Vorsaison zur Meisterschaft geführt hatte, ging in dieser Spielzeit alles den Bach herunter. Nur sechs Monate nach dem Titelgewinn musste der Portugiese den Klub aus Dschidda am Roten Meer mit sofortiger Wirkung verlassen.

Nach zwölf Spieltagen lag der amtierende Meister lediglich auf Rang sechs, in der Liga war man zwischenzeitlich fünfmal sieglos geblieben. Und auch unter dem neuen Trainer Marcelo Gallardo läuft es bisher nicht wirklich besser.

Dabei hatte Espírito Santo über einen deutlich besseren Kader als noch in der Vorsaison verfügt, wechselten doch gleich mehrere Hochkaräter zu dem Verein: zum Beispiel Fabinho, N'Golo Kanté oder der damals noch amtierende Ballon d'Or-Gewinner Karim Benzema.

Mit dem Starensemble kam Espírito Santo allerdings nicht zurecht. Besonders zu einem der neuen Stars war das Verhältnis angespannt ...

Karim Benzema
© getty

Karim Benzema (Al-Ittihad)

  • ablösefreier Wechsel 2023/24 zu Al-Ittihad
  • kolportiertes Gehalt: 200 Millionen Euro pro Jahr
  • Vertrag bis 2026

Es war durchaus überraschend, dass sich Benzema nur ein halbes Jahr nach seiner Auszeichnung zum besten Fußballer des Planeten aus dem europäischen Fußball verabschiedete. Ebenso überrascht davon war dem Vernehmen nach auch Espírito Santo.

Berichten zufolge habe der Verein den Stürmer ohne dessen Zustimmung verpflichtet. Anschließend soll sich der Coach sogar beim Vorstand über die Verpflichtung Benzemas beschwert haben, weil dieser nicht zu seinem Spielstil passen würde.

Zudem stieß Benzema bei seinem neuen Trainer auf taube Ohren, als er die Kapitänsbinde für sich beanspruchen wollte. Erst später wurde er dem Wunsch des jahrelangen Torjägers von Real Madrid gerecht.

Nach einer Niederlage in der AFC Champions League, wenige Tage vor der Entlassung von Espírito Santo, soll es laut der saudi-arabischen Zeitung Al Riyadiah zwischen den beiden dann richtig geknallt haben. In der Halbzeit habe der Ex-Coach dem Franzosen vorgeworfen, "faul" zu sein.

Benzema, der immerhin bei zwölf Toren und vier Assists in 19 Spielen steht, soll daraufhin patzig reagiert haben. "Sprich nicht nur mit mir, sprich mit der ganzen Gruppe", antwortete er. Espírito Santo forderte hingegen, dass er sich in den Dienst der Mannschaft stellen solle.

Auch Benzema wird als Auslöser für die Entlassung gehandelt. Demnach habe er sich sogar über den fehlenden Fortschritt unter Espírito Santo beim Verein beschwert.

kante
© getty

N'Golo Kanté und Fabinho (Al-Ittihad)

  • ablösefreier Wechsel 2023/24 zu Al-Ittihad (Kanté)
  • kolportiertes Gehalt: 100 Millionen Euro pro Jahr
  • Vertrag bis 2026
  • Wechsel für 46,7 Millionen Euro 2023/24 vom FC Liverpool zu Al-Ittihad (Fabinho)
  • kolportiertes Gehalt: 40 Millionen Euro
  • Vertrag bis 2026

Für die einstigen Mittelfeld-Stars der Premier League lief es unter Espírito Santo etwas besser als bei Benzema.

Sowohl Kanté als auch Fabinho sind unangefochtene Stammspieler, mit der sportlichen Entwicklung sollen die erfolgsverwöhnten Stars dem Vernehmen nach aber ebenfalls unzufrieden sein.

Fabinho durfte sich nach seinem Debüt immerhin über ein ungewöhnliches Geschenk eines Fans freuen. Dieser streifte dem Brasilianer mal eben eine Rolex ums Handgelenk, diese ließ der 30-Jährige jedoch fallen. Zu seinem Glück ging die Luxusuhr dabei nicht kaputt.

firmino-1200
© getty

Roberto Firmino (Al-Ahli)

  • ablösefreier Wechsel 2023/24 zu Al-Ahli
  • kolportiertes Gehalt: 100 Millionen Euro in drei Jahren
  • Vertrag bis 2026

Nach seinem mehr als gelungenen Ligadebüt mit drei Treffern droht die Verpflichtung von Firmino ein waschechtes Missverständnis zu werden. Obwohl sich Al-Ahli in der Spitzengruppe befindet und ein Großteil der Star-Neuzugänge (Riyad Mahrez, Edouard Mendy, Franck Kessié oder Allan Saint-Maximin) mit guten Leistungen glänzt, tauchte der Brasilianer seit seinem Dreierpack nicht mehr auf der Anzeigetafel auf.

Firmino wirkt erschöpft und ausgebrannt. Auch zeigt sich der eigentlich so technisch versierte Angreifer zerfahren in seinen Aktionen, findet in der Mannschaft von Ex-Salzburg-Trainer Matthias Jaissle teils überhaupt nicht statt.

Inzwischen hat Firmino seinen Stammplatz verloren, nachdem einige Fans sogar schon gefordert hatten, dass ihn Jaissle gänzlich aus dem Kader streichen solle. Eine vorzeitige Trennung im Winter soll derzeit allerdings kein Thema sein. Zumal seine Einstellung stimmen soll.

Firminos Leistungsabfall könnte auf seine Krankenakte zurückzuführen sein, fehlte er in seinen letzten beiden Spielzeiten in Liverpool doch häufiger als in den sechs Saisons zuvor. Erste Stimmen werden laut, wonach seine Zeit abgelaufen sei. Es wäre ein unwürdiges Ende einer großartigen Karriere.

gabri-veiga
© getty

Gabri Veiga (Al-Ahli)

  • Wechsel für 40 Millionen Euro 2023/24 von Celta Vigo zu Al-Ahli
  • kolportiertes Gehalt: 12,5 Millionen Euro netto pro Jahr
  • Vertrag bis 2027

Es war einer der umstrittensten Wechsel des Sommers, als der in Spanien schon als Supertalent gefeierter Veiga mit gerade einmal 21 Jahren in die Wüste wechselte. Er soll gleich mehrere Angebote von Topklubs, darunter die SSC Neapel, abgelehnt haben.

Als das Gerücht, welches sich schließlich bewahrheitete, die Runde machte, reagierte die Fußballwelt mit großem Unverständnis auf den jungen Spanier. Unter anderem kommentierte Toni Kroos mit einem trockenen "peinlich".

"Ich verstehe, dass jeder seine eigene Meinung hat, aber es gab auch andere Entscheidungen, die den Ausschlag gaben. Unter allen Optionen war dies diejenige, die es mir ermöglichte, mich als Fußballer weiterzuentwickeln und in einer Liga zu reifen, die sehr stark wächst", sagte Veiga wenige Wochen später und gab zu verstehen, dass der Wechsel keinen monetären Hintergrund hatte.

Veigas Ex-Trainer Rafa Benítez äußerte hingegen sein Verständnis für die Entscheidung seines ehemaligen Schützlings bei Celta Vigo: "Der Wechsel zu Al-Ahli wird Veigas Leben zum Positiven verändern. Uns tut es weh, wenngleich es unserem Verein finanziell hilft. (...) Saudi-Arabien ist kein Ort nur für alte Spieler. In China habe ich Yannick Carrasco trainiert. Danach kehrte er zurück und spielte in der Champions League"

Eine Rückkehr nach Europa ist auch für Veiga nicht ausgeschlossen, wie er selbst betonte. Zunächst muss er abseits der ganz großen Aufmerksamkeit weiter auf sich aufmerksam machen - und das gelingt ihm bislang nur bedingt: Nach 16 Spielen hat er vier Treffer und vier Assists auf dem Konto.

steven-gerrard
© getty

Steven Gerrard (Al-Ettifaq)

  • Seit 2023/24 Trainer bei Al-Ettifaq
  • kolportiertes Gehalt: 17 Millionen Euro pro Jahr
  • Vertrag bis 2025

Al-Ettifaq galt vor der Saison als der konkurrenzfähigste Verein in der Saudi Pro League hinter den "großen Vier" (Al-Nassr, Al-Ahli, Al-Ittihad und Al-Hilal). Dementsprechend schlug man auch auf dem Transfermarkt zu.

Im Sommer war es der Verein mit den fünftgrößten Ausgaben in der Liga. Neben einigen Stars wurde auch Gerrard als Trainer verpflichtet. Das Ziel: Der erste große Erfolg seit der Blütezeit in den 1980er-Jahren. Doch das ging bislang gehörig schief.

Angesichts von nur Platz neun aktuell in der Liga und dem frühen Ausscheiden im King's Cup sind die Saisonziele in weite Ferne gerückt. Das Mindestziel, die Qualifikation für die AFC Champions League, könnte verpasst werden. Diese ist nur den ersten drei Teams vergönnt, Al-Ettifaq hat schon gehörigen Rückstand.

Das hat sich sicher auch Gerrard anders vorgestellt, lehnte er im Sommer dem Vernehmen nach sogar lukrative Angebote aus Europa ab. Das Gerücht über ein Engagement in der Wüste war erstmals im Juni aufgekommen, ehe die England-Legende dem Verein eine Abfuhr erteilte. Nur zwei Wochen später unterschrieb er einen Vertrag. Hintergründe zu dem plötzlichen Sinneswandel sind nicht bekannt.

Schmackhaft gemacht wurde ihm der Wechsel neben seinem Gehalt auch mit zahlreichen Transfers von talentierten Spielern. Moussa Dembele, Jack Hendry, Demarai Gray oder Georginio Wijnaldum unterschrieben ebenfalls.

Doch schnell wurde klar, dass das Gerrard-Team nicht im Ansatz mit den Besten des Landes mithalten kann. Der größte Tiefpunkt der Saison war aber bislang, als bei der Eröffnung des neuen Stadions nicht einmal die Hälfte der Plätze belegt war. Schon zuvor waren teilweise nur knapp 700 Zuschauer vor Ort.

Gerrard, der Al-Ettifaq immer als langfristiges Projekt dargestellt hatte, gibt aber jedoch noch nicht auf und kündigte bereits weitere Transfers im Winter an. Führen diese auch nicht zur erhofften Wende, hat sich der einstige Fanliebling mehr als nur verzockt.

Jordan Henderson
© getty

Jordan Henderson (Al-Ettifaq)

  • Wechsel für 14 Millionen Euro 2023/24 vom FC Liverpool zu Al-Ettifaq
  • kolportiertes Gehalt: 22 Millionen Euro pro Jahr
  • Vertrag bis 2026

Was für Gerrard gilt, lässt sich auch auf Henderson projizieren. Für ihn dürfte der ausbleibende Fan-Andrang bei Spielen von Al-Ettifaq ein mittelschwerer Schock gewesen sein, nach mehr als einem Jahrzehnt im Anfield.

In England wird er für seinen Wechsel zu Al-Ettifaq verachtet. Bezeichnend waren die Pfiffe und Buhrufe beim Spiel der englischen Nationalmannschaft - für die er weiterhin berücksichtigt wird - gegen Australien im Oktober.

Auf Dauer dürften seine Ansprüche auf die Startelf bei den Three Lions aber schrumpfen, wenn man bedenkt, auf welchem Niveau sich Henderson nun misst. An der Seite von Gerrard muss er jetzt schleunigst für einen Aufschwung sorgen, ansonsten droht ein Absturz in die völlige Unbedeutsamkeit.

Denn schon jetzt haben die beiden Liverpool-Legenden ihren eigenen Status schwer beschädigt.

neymar-brasilien-1200
© getty

Neymar (Al-Hilal)

  • Wechsel für 90 Millionen Euro 2023/24 von PSG zu Al-Hilal
  • kolportiertes Gehalt: 150 Millionen Euro pro Jahr
  • Vertrag bis 2025

Weil Al-Hilal auf alle seine irren Forderungen einging, wagte Neymar den Schritt in die Wüste. Doch schnell wurde sein fürstlich finanziertes Paradies zur eigenen Hölle.

Nach nur drei Liga-Spielen, in denen ihm immerhin drei Assists gelangen, verletzte sich der Brasilianer bei der Nationalmannschaft schwer am Knie. Er wird seinem Klub monatelang wegen eines Kreuzbandrisses fehlen.

Ob er in dieser Saison überhaupt noch ein Spiel machen kann, bleibt abzuwarten. Ein kleines Trostpflaster ist immerhin die Tatsache, dass Al-Hilal nach 18 Spieltagen ungeschlagen an der Tabellenspitze der Saudi Pro League steht.