Wie Albanien zur EM 2024 stürmt: Großer Name auf der Trainerbank und ein Star aus dem Nichts

Von Oliver Maywurm
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Albanien überrascht gerade in der Quali und hat das Ticket für die EM 2024 fast schon sicher. SPOX stellt das Team näher vor.

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Es war so etwas wie die Initialzündung für das Fußballmärchen, das Albanien gerade erlebt. Auf der rechten Seite fiel Jasir Asani der Ball vor die Füße, er legte ihn sich einmal in Richtung Strafraumkante vor, zog mit seinem starken linken Fuß durch - und was folgte, war pure Ekstase.

Asanis Schuss schlug unhaltbar im langen Eck ein und der albanische Offensivmann kannte ebenso wie die Zuschauer in Tirana an jenem Juni-Abend kein Halten mehr. Euphorisch drehte er ab und lief dem Mann in die Arme, der ihm erst gut zweieinhalb Monate zuvor zu seinem Debüt für Albaniens Nationalmannschaft verholfen hatte: Trainer Sylvinho, seines Zeichens früherer Selecão-Kicker.

Asanis Kunststück hatte Albanien am 2. Spieltag der EM-Qualifikation gegen Moldawien gerade mit 1:0 in Führung gebracht. Zum Auftakt war man Polen mit 0:1 unterlegen, nun tütete man den ersten Sieg ein, gewann letztlich noch mit 2:0.

Knapp vier Monate später steht Albanien nun sensationell schon mit anderthalb Beinen bei der EM 2024 in Deutschland, setzt sich wohl gegen die eigentlich favorisierte Konkurrenz aus Polen und Tschechien durch. Es wäre die zweite EM-Teilnahme Albaniens, nachdem man 2016 in Frankreich erstmals dabei war.

SPOX stellt die albanische Mannschaft, die vor einem riesigen Erfolg steht, im Folgenden etwas genauer vor.

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Jasir Asani: Albaniens Star aus dem Nichts

Nach seinem Führungstor gegen Moldawien nahm Asani auch in allen vier weiteren EM-Qualifikationsspielen jeweils eine entscheidende Rolle ein. Beim 3:1 auf den Färöer Inseln lieferte er die Vorlage für den ersten albanischen Treffer, dann war er beim 1:1 in Tschechien Wegbereiter für den so wichtigen Ausgleich.

Im September folgte dann Asanis nächstes ganz großes Highlight: Im Topspiel gegen Polen marschierte er einige Minuten vor der Pause von rechts nach innen, zog mit links satt ab und traf ins lange Eck zur Führung - ähnlich wie gegen Moldawien, aber vielleicht noch etwas schöner. Und wahrscheinlich noch etwas wichtiger. Albanien schlug Robert Lewandowski und Co. am Ende mit 2:0 und setzte sich damit an die Spitze von Qualifikationsgruppe E.

Und dort stehen die Albaner natürlich auch nach dem spektakulären 3:0 gegen Tschechien am Donnerstag weiterhin. Wieder Mann des Abends: Natürlich Jasir Asani. Der 28-Jährige sorgte früh für die Führung, bereitete kurz nach der Pause dann den wichtigen zweiten Treffer vor.

Spätestens seitdem hat Asani ganz sicher das Zeug zum Nationalhelden. Dabei hat er wie gesagt erst vor gut einem halben Jahr überhaupt erstmals für Albaniens A-Nationalmannschaft gespielt.

In der nordmazedonischen Hauptstadt Skopje geboren, lief er auf Junioren-Ebene zunächst noch für die Auswahl-Teams Nordmazedoniens auf. Erst in der U21 spielte er dann erstmals und auch nur ein einziges Mal für Albanien - und das war 2016. Ganze sieben Jahre dauerte es also bis zum nächsten Auftritt im albanischen Trikot, diesmal bei den Großen.

Auf Vereinsebene hat Asani indes bisher nie bei einem international namhaften Verein gespielt. Beim nordmazedonischen Traditionsklub Vardar Skopje wurde er einst Profi, 2017 zog es ihn dann nach Albanien zu FK Partizani. 2020 folgte ein kurzes und wenig erfolgreiches Leih-Intermezzo in Schweden bei AIK Solna, ehe es 2021 zum Wechsel nach Ungarn kam. Für Kisvarda FC gelangen ihm dort immerhin zehn Tore in 52 Einsätzen - und seit Anfang dieses Jahres spielt er nun bei Gwangju FC, 1. Liga in Südkorea.

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Sylvinho in Albanien: Der größte Star ist der Trainer

Im Januar 2023 übernahm ein großer Name Albaniens Nationalmannschaft: Sylvinho.

Der mittlerweile 49-Jährige war einst brasilianischer Nationalspieler, sechsmal lief er Anfang der 2000er Jahre für die Selecão auf. Für mehr Länderspiele reichte es wohl auch deshalb nicht, weil Sylvinho Linksverteidiger war und beinahe gleich alt ist wie ein gewisser Roberto Carlos. Und der hatte den Platz links hinten bei den Brasilianern schließlich über Jahre hinweg gepachtet.

Bekanntheit erlangte Sylvinho vor allem in seiner Zeit beim FC Barcelona. Von 2004 bis 2009 bestritt er insgesamt 128 Pflichtspiele für die Katalanen, gewann mit ihnen zweimal die Champions League. Zudem war er in Europa auch für den FC Arsenal und Celta Vigo aktiv, ließ seine Karriere 2009/10 dann bei Manchester City ausklingen.

Sylvinhos erste beiden Stationen als Cheftrainer verliefen eher enttäuschend: Bei Olympique Lyon blieb er 2019 nur drei Monate im Amt, beim brasilianischen Topklub Corinthians war dann auch nach nur rund acht Monaten Schluss (Ende Mai 2021 bis Anfang Februar 2022).

Dennoch setzte Albaniens Verband Anfang des Jahres auf den Brasilianer - und hatte damit bislang enormen Erfolg. "Wir haben drei Endspiele vor uns und wir müssen jedes davon mit der gleichen Einstellung wie zuletzt angehen", forderte Sylvinho vor dem jüngsten Sieg gegen Tschechien. Zwei Endspiele bleiben nun noch übrig.

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Albanien träumt: Noch ein Sieg und die EM ist sicher

Albanien hat bis dato 13 Punkte aus sechs Quali-Spielen gesammelt, zwei Partien stehen für Sylvinhos Elf nun noch aus. Man führt die Tabelle in Gruppe E an, der Vorsprung auf den ersten Verfolger aus Polen beträgt vier Zähler.

Nach dem kommenden Spieltag am Sonntag, an dem die Albaner spielfrei sind, wird die Ausgangslage gegenüber den Konkurrenten aus Polen, Tschechien und Moldawien noch etwas deutlicher sein.

Da sich die beiden Erstplatzierten direkt für die EM qualifizieren, ist aber schon klar: Albanien benötigt nur noch einen Sieg, um das Ticket für das Turnier in Deutschland sicher in der Tasche zu haben.

Schon mit einem Dreier in Moldawien am 17. November könnte alles eingetütet sein und die EM-Teilnahme gefeiert werden. Und falls das noch nicht klappt, steht am letzten Spieltag (20. November) das Heimspiel gegen Schlusslicht Färöer Inseln an. Auch das machbare Restprogramm spricht also für Albanien.

Sollte man es tatsächlich zur Endrunde schaffen, werden Sylvinho und Co. ganz sicher anpeilen, diesmal über die Gruppenphase hinaus zu kommen. 2016 in Frankreich gelang das nicht: Nach Niederlagen gegen die Schweiz und Frankreich sowie einem Sieg gegen Rumänien verpasste man als Dritter knapp den Sprung ins Achtelfinale.

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Albanien und der Traum von der EM 2024: Die weiteren Eckpfeiler

Asani ist also der herausragende Spieler Albaniens in dieser EM-Qualifikation. Und Trainer Sylvinho zieht alleine wegen seines Namens viel Aufmerksamkeit auf sich. Aber welche weiteren Eckpfeiler sind für dieses albanische Märchen verantwortlich?

Zunächst einmal ist da sicherlich Nedim Bajrami zu nennen. Der offensive Mittelfeldmann von US Sassuolo, aufgewachsen in der Schweiz, war bislang für drei Tore in der Qualifikation verantwortlich, legte einen weiteren Treffer vor.

Auf der Torhüterposition hat Sylvinho indes fast ein Luxusproblem: Mit Brentfords Thomas Strakosha und Empolis Etrit Berisha stehen gleich zwei namhafte Keeper zur Verfügung, in der EM-Quali bekam bisher meist Berisha den Vorzug.

Davor verteidigt unter anderem Atalantas Innenverteidiger Berat Djimsiti, auf der rechten Seite ist Lazios Elseid Hysaj gesetzt. Kristjan Asllani von Inter Mailand und Lecces Ylber Ramadani organisieren das Mittelfeldzentrum - und in der Offensive hat Sylvinho neben Asani und Bajrami noch einige weitere interessante Kicker zu Verfügung.

Sokol Cikalleshi von Konyaspor zum Beispiel, der schon bei der EM 2016 im Kader stand. Oder Taulant Seferi, der zuletzt gegen Tschechien doppelt traf und aktuell für FC Baniyas in den Vereinigten Arabischen Emiraten aktiv ist.

Und dann wäre da ja noch der eigentliche Topstar, der verletzungsbedingt in der EM-Qualifikation bislang gar nicht spielen konnte: Mittelstürmer Armando Broja vom FC Chelsea, der Ende September sein Comeback nach Kreuzbandriss feierte und Anfang Oktober gegen Fulham gleich mal für die Blues traf. Bei der EM im kommenden Sommer könnte Broja den Albanern möglicherweise zusätzliche Durchschlagskraft verleihen.

Mit Klaus Gjasula steht derweil auch ein in Deutschland gut bekannter Spieler im albanischen Aufgebot. Für den 33-jährigen Mittelfeldmann von Darmstadt 98, der in den letzten drei Qualispielen jeweils eingewechselt wurde, wäre eine EM in dem Land, in dem er aufgewachsen ist, sicherlich etwas ganz Besonderes.

 

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