"Das Land steht hinter uns!" Endlich EM-Euphorie bei der deutschen Nationalmannschaft

SID
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© getty

Julian Nagelsmann schwört sein Team im Trainingslager auf das große Ziel ein - und spürt die Begeisterung der Fans.

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Der würzige Geruch von Thüringer Rostbratwurst lag in der Luft, zwischen Hüpfburg und Bierstand herrschte Volksfeststimmung im Ernst-Abbe-Sportfeld in Jena. 15.000 Fans jeglichen Alters feierten Julian Nagelsmann und die Stars zum Auftakt der EM-Mission mit Sprechchören - und der Bundestrainer war regelrecht beseelt von all der Turnier-Euphorie.

"Das gibt der Mannschaft ein tolles Gefühl, dass das Land hinter uns steht und uns alle unterstützen", sagte Nagelsmann. "Wir sind alle heiß!", rief Rudi Völler. Die Zusammenkunft der zu Beginn des Trainingslagers in Thüringen noch arg dezimierten DFB-Auswahl mit ihrem Anhang fand der Sportdirektor "eine wunderbare Gelegenheit, uns zu zeigen und nahbar zu sein".

Ein "Fan" nahm es wörtlich: Der YouTuber Marvin Wildhage schlich sich in Spielerkluft auf den Platz, wurde aber schnell enttarnt. Der Begeisterung tat der kleine Zwischenfall keinen Abbruch, spätestens mit dem Eröffnungsspiel am 14. Juni in München gegen Schottland soll dann das ganze Land auf der EURO-Welle zum Sommermärchen 2.0 surfen.

Den Weg dorthin skizzierte Nagelsmann wenige Stunden zuvor, schon für seine "Regierungserklärung" im Sitzungssaal des Blankenhainer Stadtrats hatte er sich in seine EM-Trainingsklamotten geworfen. Die Arbeit auf dem Platz, betonte er 18 Tage vor dem Turnierstart, "ist das Allerwichtigste. Ich erwarte, dass wir Vollgas geben" - für das große Titel-Ziel. Doch sein Kader soll im Trainingslager auch "Luft zum Atmen" haben und die wachsende Euphorie der Fußball-Nation genießen können.

Rudi Völler: "Euphorie mitnehmen"

Wie am Montagnachmittag in Jena oder schon bei der Ankunft am Sonntag. Nagelsmann schwärmte von den vielen Fans in Trikots und mit Schals, von all den Deutschland-Fähnchen an den Häusern. Entsprechend berührt habe er in der ersten Nacht im noblen Spa & GolfResort Weimarer Land "was Schönes geträumt" - aber nicht vom Titel, wie er betonte. Der Delaunay-Pokal, meinte er, komme aber in seinen "Tagträumen" häufiger vor.

Vor Nagelsmann hatte der DFB-Präsident die Hoffnungen noch einmal in Worte gegossen. "Wir wissen ja, wo wir herkommen, wie stark die Konkurrenz ist. Nichtsdestotrotz vertraue ich unserer sportlichen Leitung. Wir wollen das Maximale erreichen", sagte Bernd Neuendorf, "und das ist auch möglich." Auch er hat beobachtet, "dass eine Europameisterschaft im eigenen Land niemanden kalt lässt, dass die Menschen diesem Turnier entgegen fiebern". Entsprechend riet Völler der Mannschaft und ihrem Chef, "diese Euphorie mitzunehmen".

Das konnten beim öffentlichen Training anfangs nur 19 Spieler, ein angeschlagenes Quartett mit Leroy Sane und Jamal Musiala wich für lockere Übungen bald auf einen Nebenplatz aus. Zehn Akteure fehlten ganz - wegen Verpflichtungen bei ihren Klubs oder wie Manuel Neuer erkrankt. Erst kommenden Dienstag, dann in der "finaleren" Vorbereitungsphase in Herzogenaurach, soll das Team komplett sein. Sollte noch jemand ausfallen, könnte Nagelsmann einen nicht Nominierten aus dem Urlaub holen: "Ausgeschlossen ist nix."

Seine Mannschaft, betonte Nagelsmann, solle sich "nicht lähmen lassen" von all den Erwartungen. Obwohl auch er weiß: "Da wird nicht nur Europa, sondern die ganze Welt drauf schauen!" Umso lockerer lässt er die Leine abseits des Platzes.

Julian Nagelsmann: "Wenn wir uns selber begeistern ..."

Einzelne Spieler stehen für Aktionen bereit wie Thomas Müller und Chris Führich am Montag beim Besuch der lokalen Tafel. Am Dienstag steht neben dem ersten Training im Lindenstadion ein kleines Familienfest mit Grillen an, die Frauen und Kinder dürfen die ersten Tage im Teamquartier verbringen. "Wir hoffen, dass das nicht die einzige Feier ist", sagte Nagelsmann schmunzelnd mit Blick auf das Endspiel am 14. Juli in Berlin.

Am Mittwoch soll Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier "uns einstimmen" auf das Turnier, am Donnerstag sollen die Fußballer von einem Sondereinsatzkommando lernen, was eine verschworene Gemeinschaft ausmacht. Am Freitag geht es mit dem Zug weiter nach Franken zu Partner adidas.

Auch dort will Nagelsmann "die Dinge, die wir im März angestoßen haben, weiterführen". Seine Hoffnung: Dass seine Elf Fußball spielt, "der Spaß macht, der entertainen soll. Wenn wir uns selber begeistern, werden wir auch die Fans begeistern." Und das erträumte Sommermärchen 2.0 wahr machen.