Ex-Nationalspieler Oliver Sorg im Interview über das Handwerken mit Holz: "Ich bin jeden zweiten Tag im Baumarkt"

Oliver Sorg ist aktuell Spielertrainer beim FC Radolfzell in der Landesliga - und verdingt sich als Handwerker.
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166 Bundesligapartien für den SC Freiburg und Hannover 96 sowie ein Länderspiel für die deutsche Nationalelf absolvierte Oliver Sorg in seiner Karriere als Profi, die er 2021 beim 1. FC Nürnberg beendete. Heute ist der 33-Jährige Spielertrainer beim FC Radolfzell in der Landesliga - und verdingt sich als Handwerker.

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Im Interview mit SPOX und GOAL spricht Sorg über sein langjähriges Hobby und die Gründe für die Leidenschaft, unterschiedlichste Werke aus Holz zu gestalten. Unter "Ollis Holzerei" auf Instagram ist eine Vielzahl von Sorgs Exponaten zu sehen.

Der fünfmalige U21-Nationalspieler erzählt zudem von regelmäßigen Baumarkt-Besuchen, einer "stürmischen" Erfahrung als Aussteller auf dem Ostermarkt und erklärt, wie es zu seinem Engagement in der 7. Liga kam.

Herr Sorg, Sie haben 2021 Ihre Karriere als Profifußballer beendet. Seitdem haben Sie mehr Zeit für "Olli's Holzerei" und Ihr großes Hobby Handwerken. Das hatte seinen Ursprung bereits in Ihrer Kindheit. Erzählen Sie!

Oliver Sorg: Mein Vater ist Klempnermeister und lief meist mit einem Werkzeuggürtel herum. So einen wollte ich dann auch bald haben. Ich war nach der Schule oft mit ihm in seiner Werkstatt. Ich weiß noch, wie ich eine Seifenkiste bauen wollte und meinen Vater genervt habe, in den Baumarkt zu gehen. Als wir alles besorgt hatten, wollte er mit mir nach seinem Feierabend loslegen. Ich habe aber so darauf gebrannt, dass ich nach den Hausaufgaben sofort selbst in die Werkstatt gegangen und angefangen habe.

Wie kam es dann Jahre später als Fußballer dazu, dass Sie Betten oder Küchen für Kinder gebaut haben?

Sorg: Als meine Tochter 2018 drei Jahre alt war, haben wir damals in Hannover ein Bett für sie gesucht. Ich habe aber nichts Passendes gefunden. Daher habe ich mich selbst versucht und ein Bett mit Himmel und Gitter gebaut, in dem am Ende sogar auch Platz für die Eltern war. Und dann kam mein Nachbar Martin Harnik vorbei, der dasselbe Bett für seine Tochter haben wollte. Auch Samuel Radlinger wohnte bei mir ums Eck. Mit ihm zusammen habe ich ein Piratenbett gebaut. Sobald meine erste Kinderküche fertig war, wollte das auch mein ganzer Freundeskreis haben. So hat sich das ergeben und herumgesprochen. Ich hatte dann ständig ein Projekt neben meiner Karriere.

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© instagram.com/ollis_holzerei

Haben Sie dadurch festgestellt, dass sich das Werkeln gut als Ausgleich zum Leben als Fußballer eignet?

Sorg: Absolut, auf Anhieb. Ich konnte acht Stunden in der Werkstatt sein, herumtüfteln, Musik hören und keine Sekunde an etwas anderes denken.

Wie haben Sie sich das meiste beigebracht - einfach mal losgelegt oder Videos auf YouTube geguckt?

Sorg: Beides. Ich stecke schon voll in der Handwerker-Community in den sozialen Medien drin. Ich liebe es, abends auf der Couch zu liegen und mir Videos von irgendwelchen Heimwerker-Königen anzuschauen, wie sie manche Gehrungen schneiden oder welche Maschinen sie benutzen. Auch, weil ich dabei sehr viel lerne. Und das ist doch cooler als irgendwelche Instagram-Bilder vor dem Eiffelturm.

Auf Ihrem Instagram-Profil sieht man neben Kindermöbeln auch andere Gegenstände wie Schneidebretter. Was gehört alles zu Ihrem Repertoire?

Sorg: Es hat sich mit der Zeit stets weiterentwickelt. Erst kamen die Aufträge für die Kinder, dann immer wieder neue Maschinen dazu oder auch mal ein Laserdrucker für spezielle Schildchen. Dann wollte jemand einen Weihnachtsstern, so dass plötzlich Weihnachtsdeko gefragt war. Kürzlich habe ich für meine Kinder einen Hasenstall und für einen Kumpel einen Tisch gebaut. Ich mag es sehr, Dinge einfach auszuprobieren. Wenn jemand kommt und mich fragt, ob ich dieses oder jenes machen kann, sage ich immer: Keine Ahnung, aber ich lege einfach mal los.

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© instagram.com/ollis_holzerei

Wieso setzen Sie vor allem auf Holz und nicht auch auf andere Baustoffe?

Sorg: Weil Holz das beste Material der Welt ist.

Weshalb?

Sorg: Es ist warm, langlebig und verzeihend. Man kann Fehler machen. Hat ein Gegenstand nach ein paar Jahren eventuell gelitten, muss man ihn nur abschleifen und lackieren, dann sieht er wieder wie neu aus. Mit Holz kannst du stabil, massiv und qualitativ hochwertig bauen, so dass die Haltbarkeit über Jahre bestehen bleibt. Mein Schwiegervater konnte eine Wickel-Kommode, die er für seine Tochter gebaut hat, nun seiner Enkelin schenken - weil der Zustand noch ideal war. So etwas finde ich herrlich.

Wie sieht es denn bei Ihnen zu Hause in der Werkstatt aus?

Sorg: Da habe ich mir einen Männer-Traum erfüllt! (lacht) Mein Reich besteht aus rund 50 Quadratmetern unter der Garage. Inklusive selbstgebauter Absauganlage aus PVC-Rohren, aber ich musste feststellen, dass man damit keine Sauerei in der Werkstatt verhindern kann. Ich verstehe jetzt auch meinen Vater, der sich immer so aufregt hat, wenn ich früher das Werkzeug nicht an seinen Platz zurückgebracht habe. Auch bei mir muss alles seine Ordnung haben. Beim Werkeln bin ich sehr penibel und detailverliebt, weil ich einen hohen Anspruch an mich habe. Da kann dann schon mal ein Holzstück durch die Gegend fliegen, wenn etwas auch beim dritten Mal noch nicht so passt, wie ich es mir vorstelle.

Wie oft sind Sie dort mittlerweile täglich im Einsatz?

Sorg: Wenn ich an einem bestimmten Projekt arbeite, ist das im Grunde ein ganz normaler Arbeitstag. Morgens gehe ich runter, komme zum Mittagessen wieder hoch und mache anschließend weiter. Es kann auch Überstunden geben.

Und wie lange dauert ein durchschnittlicher Besuch von Ihnen im Baumarkt?

Sorg: Das ist unterschiedlich, aber ich bin auf jeden Fall jeden zweiten Tag dort. Es kann schon vorkommen, dass ich mich eineinhalb Stunden lang umschaue. Das ist für mich wohl wie das Shoppen gehen für Frauen. (lacht) Ich bin einfach unheimlich gern dort und hasse es, wenn ich anschließend noch Termine habe und meine Zeit dadurch begrenzt ist. Meist kaufe ich auch bewusst nicht alles auf einen Schlag, denn sonst würde ich ja einige Zeit lang nicht mehr hingehen müssen.

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© instagram.com/ollis_holzerei

Was war handwerklich gesehen der speziellste Wunsch, den ein ehemaliger Mitspieler an Sie richtete?

Sorg: Ein alter VW Bulli als Kinderbett für den Sohn von Martin Harnik. Er fährt ja auch eine alte Vespa und findet solche nostalgischen Dinge cool. Das Bett habe ich dann auch mit kleinen Fahrradreifen und einer Lichthupe ausgestattet. Wenn sein Sohn jetzt die Tür des Kinderzimmers und die des Schlafzimmers der Eltern aufmacht, kann er sie morgens mit der Lichthupe wecken. (lacht) Das hat Martin schon so genervt, dass er sie mal eine Weile ausgesteckt hat.

Welcher Mitspieler war der handwerklich talentierteste?

Sorg: Martin Harnik war es auf keinen Fall! Interesse haben eigentlich alle gezeigt, aber Samuel Radlinger wurde von der Leidenschaft richtig gepackt. Er hat mir bald jeden zweiten Tag ein Bild aus dem Baumarkt geschickt, wie er sich eine neue Bohrmaschine gekauft hat, um seine eigene Werkstatt besser auszustatten. Auch Marvin Bakalorz kam oft vorbei und half mir stundenlang bei verschiedenen Projekten.

Welches war das schwierigstes Bauwerk?

Sorg: Der VW Bulli. Allein deshalb, weil ich da auch die Motorhaube rund bauen musste. Das war schon speziell. Ähnlich aufwändig war das Kindercafé für Felix Klaus - mit Eingang, Bewirtungsbereich und Regalen. Das habe ich sogar noch mit Mauerstein-Optik tapeziert.

Ende März haben Sie Ihre Arbeiten auf dem Ostermarkt in Ihrer Geburtsstadt Engen ausgestellt. Wie kam es dazu?

Sorg: Eigentlich war der Plan, meine Holzerei offiziell auf dem Engener Weihnachtsmarkt zu eröffnen. Doch der fiel leider aus. Ich habe dann einen eigenen Weihnachtsmarkt für geladene Gäste in meinem Haus veranstaltet. Der kam gut an und machte viel Spaß, daher wollte ich es auch mal auf dem Ostermarkt probieren. Ich stand da mit meinem Holz und tratschte mit den Leuten, das war richtig toll. Auch dort war die Resonanz sehr gut, ich erhielt auch einige Aufträge.

Wurden Sie dort als ehemaliger Fußballprofi erkannt?

Sorg: Teils, teils. Mir ist es ohnehin lieber, wenn das nicht passiert, denn dann setzen sich die Leute ausschließlich mit meinen Arbeiten auseinander.

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© instagram.com/ollis_holzerei

Wie sah es denn in Sachen Umsatz aus?

Sorg: Ich war zufrieden. Das Wetter war leider nicht so gut. Es hat etwas geregnet und der Wind ging ordentlich. Ich musste zwischenzeitlich unter meinem Pavillon stehen und ihn eine Stunde lang festhalten. An Gewichte hatte ich nämlich nicht gedacht. (lacht)

Es gibt zwar die Instagram-Seite, aber wie wollen Sie Ihre Werke künftig bekannter machen?

Sorg: Über Instagram läuft schon wirklich viel, das unterschätzt man. Davon kann ich gar nicht alles annehmen, weil ich die Leute auch nicht mit einer monatelangen Wartezeit vertrösten möchte. Eine Homepage und ein Online-Shop sind in Planung, aber bis dahin muss man mich mit seinen Vorstellungen einfach bei Instagram anschreiben.

Was kostet denn beispielsweise ein Schneidebrett?

Sorg: 20 bis 30 Euro - je nach Größe, es gibt drei verschiedene. Die sind alle aus Eiche massiv und halten sehr lange. Darauf lässt sich also einiges schneiden.

Macht es Sie eigentlich traurig, dass das Handwerk in Deutschland gravierenden Personalmangel beklagt?

Sorg: Natürlich. Ich finde das wahnsinnig schade, denn ich bin davon überzeugt, dass ein Handwerksberuf sehr vielen Menschen Spaß machen würde. Auf der anderen Seite kann ich auch verstehen, warum sich das nur wenige Leute vorstellen können, denn das Handwerk ist oft nicht gut angesehen. Das ist aber Blödsinn, denn Handwerker bauen Häuser und erledigen so viele Dinge, die für einen Haushalt und seine Instandhaltung wichtig sind. Dieser Job muss dringend attraktiver gemacht werden - und das geht vor allem durch eine bessere Bezahlung.

Sie sind nun 33 Jahre alt. Stand denn 2021, als Sie Ihren Kontrakt beim 1. FC Nürnberg ein Jahr vor Vertragsende vorzeitig auflösten, bereits fest, dass dann auch Ihre Karriere beendet ist?

Sorg: Nein. Ich wollte den Vertrag erfüllen und dann auch aufgrund des Alters meiner Tochter aufhören. Der Verein plante aber nicht mehr mit mir und ich wollte nicht nur Trainingsspieler sein. Nach der Vertragsauflösung hatte ich zwar noch zwei, drei Anfragen vorliegen, aber ich habe mich für die Familie und gegen den Fußball entschieden. Weil ich auch immer sagte: Wenn ich mal Kinder habe, will ich nicht, dass sie wegen mir die Zugezogenen sind.

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© getty

Nach einem Jahr Pause haben Sie beim FC Radolfzell als Spielertrainer in der Landesliga Südbaden angefangen. Was haben Sie in der Zeit dazwischen gemacht?

Sorg: Ich habe mein Haus gebaut und war jeden Tag fünf, sechs Stunden auf der Baustelle unterwegs, weil ich einiges auch selbst erledigt und dabei wieder neue handwerkliche Dinge gelernt habe. Ich wollte vom Fußball auch erst einmal nichts mehr wissen. Ich habe keine Spiele geschaut und auch nicht mit Kumpels gekickt. Nach all den Jahren war es toll, ohne Plan in ein Wochenende gehen und die Zeit vergessen zu können.

Wie kam der Wechsel nach Radolfzell letztlich zustande?

Sorg: Ich war beim Einkaufen und bekam einen Anruf des Präsidenten. Nächsten Tag wollte ich mich zurückmelden, aber mir war sofort klar, dass ich ablehnen werde. Als ich meiner Frau davon erzählte, meinte sie: 'Warum eigentlich nicht?' Erst dann habe ich begonnen, darüber nachzudenken. Mittlerweile bin ich extrem froh, dass ich es gemacht habe. Der Verein leistet seit Jahren eine tolle Jugendarbeit, das hat mich sehr angesprochen. Dazu gibt es eine Kooperation mit meinem langjährigen Klub SC Freiburg. Da schließt sich der Kreis für mich perfekt. Ich verliebe mich gerade aus einer anderen Position heraus neu in den Fußball, meine erkalteten Emotionen werden wieder entfacht.

Was wäre ohne diesen Anruf passiert?

Sorg: Es gab immer mal Planspiele, die nichts mit dem Fußball zu tun hatten, aber nie konkret geworden sind. Ich habe mich zusammen mit einem Freund darum beworben, einen Kiosk zu eröffnen und Hafenmeister zu werden. Das war damals ausgeschrieben und ich liebe das Bootfahren am Bodensee sehr. Wenn ich jetzt aber an einem schönen Sommertag an diesem Kiosk vorbeilaufe und sehe, wie der Betreiber malochen muss, bin ich ganz froh, dass ich nur ein Eis essen und Bootfahren kann. (lacht)

Sie selbst haben in der abgelaufenen Saison nur zwei Einsätze absolviert. Warum?

Sorg: In der Vorbereitung habe ich noch überwiegend mittrainiert. Da ich bei einer Trainingsbeteiligung von 18 Jungs aber am Ende nur elf aufstellen kann, würde ich mir blöd vorkommen, einem jungen Spieler den Platz wegzunehmen. Die geben alle Gas und investieren viel, also sollen sie auch vor mir spielen. Ich kicke nur, wenn akuter Bedarf herrscht.

Was glauben Sie, was in zehn Jahren wahrscheinlicher ist: Oliver Sorg als hauptberuflicher Handwerker oder doch Trainer?

Sorg: Schwere Frage. Als Handwerker bin ich sehr offen für alles und schaue, wo mich das hinführt. Ich genieße aber auch den Trainerjob und kann mir diesen Weg tatsächlich vorstellen. Andererseits will ich nicht mehr weg von hier. Die aktuelle Kombination passt perfekt: Ich fühlte mich in meinem Leben noch nie so glücklich und angekommen wie momentan.