Neureuther: "Nicht der richtige Weg"

Von Marco Heibel
Felix Neureuther ist amtierender Vize-Weltmeister im Slalom
© getty

Im Slalom ist Ski-Alpin-Star Felix Neureuther bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi eine deutsche Gold-Hoffnung. Der 29-Jährige sieht die Spiele aufgrund der fehlenden Wintersporttradition in der Olympiastadt und der hohen Kosten allerdings kritisch. Vom IOC und von Bundespräsident Joachim Gauck ist er enttäuscht.

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"Ich finde, dass der Trend mit Sotschi, Olympia 2018 in Pyeongchang und der Fußball-WM in Katar einfach nicht der richtige Weg ist", sagte Neureuther im Interview mit "Bild" und führte aus: "Man muss die Menschen bei ihren Emotionen packen. Nur damit kann man einen Sportboom auslösen."

Ob Sotschi einen solchen Impuls bringen kann, ist für den amtierenden Vize-Weltmeister im Slalom "nicht sicher". Vielmehr erscheine es ihm, "als würde da etwas hochgezogen für viel Geld - ob man aber auch Stimmung dafür haben wird, weiß ich nicht."

Neureuther betonte, er mache sich "Gedanken um den Sport, wie er in Zukunft aussehen soll. Da habe ich große Bedenken, große Sorgen, wenn Großveranstaltungen wie Olympische Spiele oder Fußball-Weltmeisterschaften an Orte vergeben werden wie Sotschi, Südkorea oder Katar. Es kommt so rüber, dass der Kommerz im Vordergrund steht. Ich sehe aber nicht ein, dass das so sein soll."

Neureuther: "So kann man keine Emotionen wecken"

Der 29 Jahre alte Partenkirchener, der als einer der aussichtsreichsten deutschen Medaillen-Kandidaten für Sotschi gilt, betonte mit Blick auf die jüngste Vergabe-Politik: "So kann man bei den Menschen keine Emotionen wecken oder Lust auf die Spiele, vor allem nicht bei Kindern. Die sollen doch gefesselt vor dem Fernseher sitzen und voll dabei sein. Da zeigt der Pfeil sicher in die falsche Richtung."

Die Menschenrechts- und Sicherheitslage in Russland sieht Neureuther ebenfalls kritisch. "Man nimmt das natürlich wahr, macht sich Gedanken. Es kann mir keiner erzählen, dass das nicht so ist. So fokussiert und engstirnig kann keiner sein, dass er sich da keine Gedanken macht", sagte der WM-Zweite im Slalom.

"Absurd hohe Summe"

Die 50 Milliarden Euro, die angeblich für die Errichtung der Wettkampfstätten und das komplette Drumherum ausgegeben wurden, schockieren Neureuther. "Es ist für mich absoluter Wahnsinn, wenn ich höre, dass 50 Milliarden Euro für Olmpische Spiele ausgegeben werden - vor allem in der jetzigen Zeit, in der über Dinge wie die Finanzkrise geredet wird", sagte er dem "SID".

"Es geht so vielen Menschen so schlecht. Wir haben die große Möglichkeit, durch unseren Sport den Menschen, denen es nicht so gut geht, eine kurze Zeit eine Freude zu bereiten. Aber so ein Projekt erweckt den Eindruck, als ginge es nur um den Kommerz", klagte der Partenkirchener an.

Von Gauck mehr Einflussnahme erwartet

Von Bundespräsident Joachim Gauck, der seine Reise nach Sotschi schon vor Monaten ohne Begründung abgesagt hat, hätte sich Neureuther mehr Einflussnahme erwartet: "Wenn er gesagt hätte: 'Ne, ich fahre da nicht hin, weil...' - das hätte ich super gefunden!"

Der 29-Jährige weiter: "Herr Gauck hätte wirklich die Möglichkeit, mit den wichtigen und richtigen Menschen dort zu sprechen, auch mit Putin. Was bringt es, wenn ich jetzt sage: Es muss eine Umdenke stattfinden. Dazu fehlt mir als einzelner Sportler der Einfluss."

"Die Herren vom IOC wohnen im 5-Sterne-Hotel"

Auch die Ungleichheit zwischen den Sportlern und den Funktionären in Sotschi ist Neureuther ein Dorn im Auge: "Wir Athleten wohnen zu zweit auf 15 Quadratmetern. Die Herren vom IOC wohnen im 5-Sterne-Hotel."

Der achtfache Weltcupsieger präzisierte seine Kritik: "Nicht, dass Sie mich falsch verstehen: Mir ist es egal, ob ich auf 15 Quadratmetern wohne. Mir reicht das. Aber warum sollen die Herren vom IOC nicht genau so wohnen wie wir Sportler? Um wen geht es bei Olympia eigentlich? Ist das der Geist von Olympia?"

"Schwer, mich zu schlagen"

Neureuther räumte ein, bis zu seinem WM-Silber im Vorjahr bei Großereignissen stets unter riesiger Anspannung gestanden zu haben: "Der Druck, den ich letztes Jahr bei der WM hatte, größer kann er doch gar nicht sein. Da musste ich zeigen, dass es der Neureuther auch bei einem Großereignis schafft und nicht nur der Sohn der berühmten Eltern ist."

In Sotschi fange zwar "alles bei null an", doch mit seiner ersten Einzelmedaille im Rücken seien die Voraussetzungen für Olympiagold besser als jemals zuvor: "Deshalb genieße ich jetzt den Druck. Beweisen muss ich niemandem mehr etwas. Und wenn ich gut drauf bin, wird es schwer, mich zu schlagen."

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