"Griechenland hat auch die EM gewonnen"

Von Interview: Florian Regelmann
Thomas Greiss hat bei seinen wenigen Einsätzen für die San Jose Sharks fast immer überzeugt
© Getty

Thomas Greiss ist bei den San Jose Sharks hinter dem russischen Star-Goalie Jewgeni Nabokow nur die Nummer zwei, aber der 24-Jährige hat in seinen Einsätzen bewiesen, dass er das Zeug zum Stammkeeper in der NHL hat. Bei den Olympischen Spielen in Vancouver soll Greiss der große Rückhalt der deutschen Nationalmannschaft werden und im besten Fall so gut halten, dass dem Team von Uwe Krupp eine Überraschung gelingen kann. Bei SPOX spricht Greiss über seine Vorfreude, den Stanley Cup und sein Leben am Strand.

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"Ich traue Thomas Greiss durchaus zu, sich in der NHL durchzusetzen. Er ist physisch unglaublich stark und dadurch bei den seitlichen Bewegungen sehr schnell", sagt DEB-Goalie-Coach Klaus Merk im Gespräch mit SPOX.

Greiss hat in dieser Saison für die San Jose Sharks neun Spiele als Starter gemacht und dabei fast immer glänzend gehalten. Wer weiß, mit einem Goalie in Super-Form ist für die DEB-Auswahl in Vancouver vielleicht eine Überraschung drin. Greiss selbst glaubt fest an eine mögliche Sensation.

SPOX: Herr Greiss, der Beginn des Olympischen Eishockey-Turniers rückt immer näher. Wie sehr hat sich in den vergangenen Wochen das Vancouver-Feeling schon eingestellt?

Thomas Greiss: Man spürt, dass es bald losgeht. Man unterhält sich in der Kabine darüber, jeder fiebert dem Start entgegen. Die Vorfreude ist riesengroß.

SPOX: Los geht es für das deutsche Team gegen Schweden. Ganz ehrlich: Eigentlich geht es doch nur darum, die Niederlage in Grenzen zu halten, oder?

Greiss: Natürlich sind wir Außenseiter, aber mit ein bisschen Glück können wir an einem guten Tag schon für die eine oder andere Überraschung sorgen. Die Schweiz hat in Turin auch Kanada geschlagen. Griechenland ist auch Fußball-Europameister geworden. Man weiß nie, was passiert, da geht schon was für uns.

SPOX: Aber nur, wenn Sie wie ein Außerirdischer halten.

Greiss: Der größte Traum wäre es, wenn ich in einem Spiel 50 Schüsse aufs Tor zu bekomme, alle halte und wir gewinnen. Aber ich weiß, dass das schwierig in die Tat umzusetzen sein wird. Dafür brauche ich auch etwas Glück.

SPOX: In Turin haben Sie 2006 Ihr Olympia-Debüt gefeiert und gegen Kanada gespielt. Welche Erinnerungen haben Sie an das Spiel?

Greiss: Wir haben zwar 1:5 verloren, aber es war dennoch ein Riesenspiel für mich. Es war das erste Mal, dass ich gegen solche Superstars wie Joe Sakic oder Jarome Iginla gespielt habe. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal bei Olympia dabei sein würde, das war eine unglaubliche Erfahrung.

SPOX: Sie werden sich im DEB-Team den Goalie-Job mit Dimitri Pätzold teilen. Aus gemeinsamen Sharks-Zeiten kennen sie sich ja sehr gut.

Greiss: Das stimmt. Dimitri und ich haben uns immer gut verstanden. Als ich zum ersten Mal in die USA gekommen bin, hat es mir sehr viel gebracht, dass er schon da war. Er hat mir bei der Eingewöhnung sehr geholfen.

SPOX: Wie schwer war denn die Eingewöhnung?

Greiss: Grundsätzlich habe ich mich relativ leicht getan. Ich hatte das Glück, in eine nette Gastfamilie zu kommen, die mich toll aufgenommen hat. Es war zwar eine Umstellung, gerade was die Sprache und das Essen angeht, aber ich habe es ganz gut geschafft. Mir gefällt es sehr gut in Kalifornien.

SPOX: Vermissen Sie nicht den deutschen Schnee?

Greiss: (lacht) Das hält sich sehr in Grenzen, wenn ich ehrlich bin. Früher musste ich morgens am Auto das Eis abkratzen, jetzt spaziere ich im T-Shirt aus dem Haus, das passt schon. Zum Skifahren, was ich gerne mal machen würde, komme ich hier sowieso nicht. An einem freien Tag an den Strand laufen zu können, ist ein echter Luxus. Das Wetter ist einfach unschlagbar.

SPOX: Viele denken, dass die Eishockey-Begeisterung in Kalifornien nicht mit der in Hockey-Städten wie Detroit oder Pittsburgh mithalten kann. Ein Trugschluss, oder?

Greiss: Absolut. Die Sharks sind in San Jose eine Riesennummer. Fast jeder läuft in einem Trikot von uns herum, auf allen Bussen steht "Go, Sharks, Go", Eishockey ist immer präsent.

SPOX: Wo wohnt denn ein Backup-Goalie in San Jose?

Greiss: (lacht) Ich habe ein Apartment in einem Wohngebäude, nicht direkt in der Innenstadt, sondern etwas außerhalb. Bis zur Halle sind es aber nur zehn Minuten. Insgesamt habe ich mich an den Lebensstil gewöhnt, da ich das ganze Jahr über fast nur Englisch spreche, muss ich mich sogar immer ein wenig überlegen, wenn ich dann wieder ins Deutsche wechsele. Das ist immer ganz lustig. Aber bevor Sie mich fragen: Ich sehe mich nicht als US-Boy, ich fühle mich nach wie vor als Deutscher und komme auch im Sommer immer in die Heimat.

SPOX: Wie groß sind die Chancen, dass Sie in diesem Jahr mit einem Stanley Cup nach Deutschland kommen? Sie haben von den deutschen Spielern klar die besten Chancen auf den Titel.

Greiss: Wir müssen mal schauen. Im vergangenen Jahr ist es in der Regular Season auch super gelaufen und dann war es in den Playoffs sofort vorbei. Deshalb bin ich vorsichtig. Aber das Ziel ist der Stanley Cup, ganz klar. Die Mannschaft spürt auch den Druck, dass es mal an der Zeit wäre, ihn zu gewinnen.

SPOX: Sie haben in dieser Saison neun Mal von Anfang an gespielt, ansonsten steht immer Jewgeni Nabokow im Tor. Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Situation?

Greiss: Ich würde natürlich gerne mehr spielen, aber ich bin dennoch ganz zufrieden, wie sich meine Karriere bis jetzt entwickelt hat. Ich habe mit Nabokow eben einen super Torwart vor mir. In den Spielen, die ich gemacht habe, ist es ja außerdem ganz gut für mich gelaufen.

SPOX: Ist es nicht schwer, seine Form zu halten, wenn man so selten ins Tor darf?

Greiss: Es ist nicht leicht, in ein Spiel hereinzukommen. Im vergangenen Jahr habe ich im Farmteam ständig gespielt, da war ich besser im Rhythmus. Aber ich muss einfach versuchen, hart zu trainieren und mich so bereitzuhalten.

SPOX: Wie ist denn Ihr Verhältnis zu Nabokow?

Greiss: Nabby ist ein ganz relaxter Typ, wir verstehen uns gut und reden auch viel über bestimmte Spielsituationen. Am meisten beeindruckt mich an ihm seine Konstanz. Er macht in der Saison an die 70 Spiele und ist immer mit Big Saves zur Stelle und macht die Hütte dicht. Das ist schon bemerkenswert.

SPOX: Nabokow ist aber auch schon 34 Jahre alt. Sehen Sie die Chance, sein Nachfolger zu werden?

Greiss: Mein Ziel ist es, irgendwann in der NHL die Nummer eins zu sein, darauf arbeite ich hin. Aber im Moment beschäftige ich mich mit meiner Zukunft noch nicht. Ich habe noch zwei Jahre Vertrag, dann werden wir sehen, was passiert.

SPOX: Sowohl Nabokow als auch Sie haben ja übrigens großes Glück, dass Sie mit Marleau, Thornton und Heatley in einer Mannschaft spielen. So müssen Sie gegen diese Jungs nur im Training ran?

Greiss: (lacht) Oh ja. Was die Jungs machen, ist schon beeindruckend. Marleaus Schnelligkeit, Heatleys Schuss, Thorntons Übersicht - wenn wir im Training Powerplay trainieren, spielen die sich die Scheibe hin und her, wie sie wollen, und schon ist sie drin. Leider stehe ich dann auf der anderen Seite. Die Drei sind auch schon ganz heiß auf Vancouver. Sie sind total auf Gold getrimmt, alles andere wäre ja in Kanada eine große Niederlage.

SPOX: Letzte Frage: Was macht für Sie die Faszination des Goalie-Jobs im Eishockey eigentlich aus?

Greiss: Man muss mit dem immensen Druck, der auf einem lastet, gut umgehen können. Das ist das Entscheidende - und auch das Faszinierende. Du darfst dir keinen Fehler erlauben, nie ein dummes Tor bekommen und dann musst du die Fähigkeit haben, in einem großen Spiel mit einer großen Parade ein Spiel zu retten oder zu drehen.

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