My ring is outside

Von Norbert Pangerl
Ein Bild aus besseren Zeiten: Tommy Morrison (r.) schlägt George Foreman und wird Weltmeister
© Getty

Anfang der 1990er Jahre spielte Boxer Tommy Morrison eine Hauptrolle im fünften Teil von Sylvester Stallones Rocky-Saga. Doch auch abseits von Hollywood machte der junge Schwergewichtler schnell von sich reden. Er stand mit George Foreman und Lennox Lewis im Ring, bevor eine Diagnose sein Leben veränderte.

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Als Sylvester Stallone im Juni diesen Jahres in Canastota gemeinsam mit Mike Tyson und anderen Boxsport-Legenden für seine Rocky-Reihe in die Hall of Fame des Boxens aufgenommen wurde, kämpfte im etwa 2000km weiter westlich gelegenen Örtchen Emporia in Kansas ein Protagonist der an Fortsetzungen reichen Boxer-Saga wieder einmal um seine Freiheit.

Es war das Jahr 1989, als Stallone mit der Idee für Rocky V im Hinterkopf den damals 20-jährigen Schwergewichtler Tommy Morrison erstmals in Aktion sah.

Ein Jahr zuvor war der Duke - wie sich Morrison aufgrund seiner angeblichen Verwandtschaft mit John Wayne nannte - Profi geworden und schien wie geschaffen für die Hauptrolle als talentierter Jungspund und Bewunderer des zurückgetretenen Italian Stallion.

Stallone ließ Morrison vorsprechen und engagierte ihn für die Rolle des Tommy Machine Gunn. Ein Glücksfall auch für den "realen" Boxer Morrison: Sein Bekanntheitsgrad ging schlagartig in die Höhe und öffnete dem smarten Modellathleten zahlreiche Türen.

Filmstar und "great white hope"

Mit der Popularität im Rücken und bereits als "Great White Hope" gefeiert, besiegte der 1,88 Meter große Fighter seine ersten 28 Gegner, viele davon durch K.o.

Besonders der linke Haken wurde zum gefürchteten Markenzeichen des ehemaligen "Toughman", welches bei den Dreharbeiten zu Rocky V auch zwei Stuntleute zu spüren bekamen. Wegen eines gebrochenen Kiefers und einer gebrochenen Augenhöhle verklagten sie später Stallone und die Produktionsfirma auf 20 Millionen US-Dollar Schadenersatz.

Knapp ein Jahr, nachdem Rocky V in die Kinos kam, bekam Morrison erstmals die Chance, um den WM-Gürtel der WBO zu kämpfen. In Atlantic City traf er auf den ebenfalls ungeschlagenen Rivalen aus Amateurzeiten, Ray Mercer. Der Olympiasieger von 1988 machte kurzen Prozess und knockte Morrison schon in der fünften Runde aus.

Drogenprobleme als ständiger Begleiter

Bereits zu dieser Zeit hatte Morrison immer wieder mit Drogenproblemen zu kämpfen und sammelte diverse Vorstrafen. Trotz seiner Schwierigkeiten außerhalb des Rings erhielt er im Juni 1993 erneut einen WM-Kampf.

Sein Gegner in Las Vegas: der 44-jährige Superstar George Foreman. Er besiegte den Altmeister über 12 Runden klar nach Punkten und war so am Höhepunkt seiner Karriere angelangt.

Doch die Freude währte nicht lange. Bereits im übernächsten Kampf musste er völlig überraschend gegen den als Profi unerfahrenen und als Aufbaugegner gedachten US-Amerikaner Michael Bentt zu Boden.

Der Titel war weg, gleichzeitig geriet das Privatleben von Morrison immer mehr aus den Fugen. Drogen-, Waffen-, Gewaltdelikte: Die Liste seiner Verfehlungen verlängerte sich von Jahr zu Jahr. Trotzdem blieb er im Ring aktiv.

Niederlage gegen Lewis und HIV-Diagnose

Eine Reihe von Siegen gegen namenlose Laufkundschaft und zwei schwere Schlachten gegen Ross Puritty und Donovan Razor Ruddock verhalfen ihm im Oktober 1995 zu seinem letzen Auftritt auf großer Bühne. Im Convention Center von Atlantic City traf er auf Lennox Lewis und musste sich dem Schwergewichts-Superstar nach sechs Runden geschlagen geben.

Danach begann für ihn ein Albtraum, der ihn bis heute fest in seinen Fängen hat. Anfang 1996 wurde bei Morrison HIV diagnostiziert. Er wünschte sich noch einen letzten Kampf, den er mangels Lizenz in den USA dann im November desselben Jahres in Japan bestritt.

Auf tragische Weise ging so die Box-Karriere schlagartig zu Ende und der kurz zuvor noch gefeierte Star stand an einem Scheideweg - an dem er dann auch noch falsch abbog.

Zwei Comeback-Kämpfe und erneute Pause

Mehrmals bestritt der heute 42-Jährige in den letzten fünf Jahren, HIV-positiv zu sein. In einem Interview mit "USA Today" behauptete er, Steroide hätten 1996 den positiven Test verursacht, er sei absolut gesund. Durch ärztliche Atteste wollte er sich so nochmals eine Box-Lizenz besorgen. 2007 konnte er dabei sogar einen kleinen Erfolg feiern.

Ein Labor testete Morrison HIV-negativ, worauf er tatsächlich noch einmal zwei Kämpfe bestritt. Unabhängige Ärzte wiesen jedoch darauf hin, dass das negative Ergebnis wohl durch die regelmäßige Einnahme antiretroviraler Medikamente begründet sei. Im Falle eines Absetzens würden die Testresultate wieder positiv ausfallen.

Deshalb verweigerte man Morrison weiterhin die Box-Erlaubnis. Danach sorgte er mit Behauptungen für Aufsehen, HIV sei ein Märchen und von Wissenschaftlern erfunden worden, um Geld zu machen. Die Regierungen würden diese Lüge aufrecht erhalten.

Er lebe nach wie vor wie ein gesunder Mensch und habe auch ungeschützten Geschlechtsverkehr mit seiner Partnerin. Außer diesen kruden Theorien hörte man seitdem nicht mehr viel von ihm. Bis zum Februar diesen Jahres.

Erneute Verhaftungen und Gefängnisaufenthalt

Da wurde er in seiner Heimat Kansas erneut verhaftet und wegen Drogenbesitz angeklagt. Im Juni ließ die Staatsanwaltschaft jedoch die Klage fallen.

Begründung: Der Polizist, der ihn verhaftet hatte, fiel einem Verkehrsunfall zum Opfer und ohne den einzigen Zeugen könne das Verfahren nicht fortgesetzt werden. Glück gehabt, könnte man meinen.

Schon im August folgte die nächste Verhaftung. In Tennessee wurde er wegen eines Haftbefehles aus dem Jahr 2010 in Gewahrsam genommen und ins Gefängnis nach Sedgwick County überstellt. Seitdem sitzt er dort wegen Drogenbesitz ein. Die Kaution in Höhe von 50.000 US-Dollar kann der mittellose Ex-Boxer nicht hinterlegen.

Foto dokumentiert alarmierenden Zustand

Die erneute Inhaftierung Morrisons ist nicht sonderlich überraschend, umso mehr aber der körperliche Zustand, in dem sich das ehemalige Kraftpaket mittlerweile befindet. Auf den vom Sedgwick County Sheriff's Office veröffentlichen Bildern würde ihn wahrscheinlich nicht einmal seine eigene Mutter wiedererkennen.

Um Jahre gealtert und abgemagert hat er kaum mehr etwas gemein mit dem Tommy Morrison, den man aus Rocky oder einer seiner zahlreichen Ringschlachten kennt.

Es scheint, als hätten ihn die jahrelangen Alkohol- und Drogenprobleme und nicht zuletzt auch seine HIV-Erkrankung schwer gezeichnet.

Ehefrau: "Er hat niemanden mehr"

Aus diesem Grund kämpft Morrisons Frau Trisha Harding seitdem jede freie Minute um die Freilassung ihres Ehemanns.

"Er hat niemanden mehr außer mich", sagte sie der Presse und bat die Fans gleichzeitig um finanzielle Unterstützung, um Morrison zu sich nach Hause zu holen. Wie es danach für ihn weitergehen soll, weiß auch sie nicht.

"My ring is outside", sagte Rocky Balboa in den Schlussszenen des Films, bevor er Tommy Gunn eine Lektion erteilte. Für Tommy Morrison ist dieses Zitat Wirklichkeit geworden.

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