Kritik an Hansbrough: "Vieles ist rudimentär"

Von Haruka Gruber / Philipp Dornhegge
Der Trainer und sein Sorgenkind: Dirk Bauermann gibt Ben Hansbrough Anweisungen
© Imago

Es ist das große Rätsel der BBL: Der FC Bayern verpflichtete mit Ben Hansbrough einen College-Superstar - der aber nur selten spielt. Warum? Trainer Dirk Bauermann spricht vor dem Duell in Oldenburg (19.50 Uhr im LIVE-TICKER) Klartext.

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Eine Nacht Bedenkzeit genügte Ben Hansbrough, um zu wissen, dass der FC Bayern der richtige Verein ist. Als er am 25. Juni beim Draft überraschend von keinem NBA-Klub gewählt wurde, ging er noch einmal die zahlreichen Offerten aus den europäischen Ligen durch - und gab dem BBL-Aufsteiger einen Tag nach dem Draft die Zusage.

Ein Wechsel, der selbst in den USA vernommen wurde, immerhin gehörte Hansbrough zu den großen Namen des College-Basketballs. Er erzielte für Notre Dame 18,4 Punkte, gab 4,3 Assists, wurde zum besten Spieler der Big East Conference gewählt und galt bei vielen Beobachtern als sicherer Draft-Kandidat. Nur eine Knöchel-Verletzung kurz vor dem Pre-Draft-Probetraining und leichte Zweifel an seinen athletischen Fähigkeiten verhinderten, dass er gezogen wurde.

Die Bayern profitierten von den Umständen und konnten so einen Spieler verpflichten, dem zugetraut wurde, auf Anhieb die BBL zu prägen.

Zwar wechselten auch die deutschen Nationalspieler Robin Benzing, Philipp Schwethelm, Jan Jagla, Ex-NBA-Profi Ruben Boumtje Boumtje sowie Italien-Legionär Je'Kel Foster nach München - doch die wichtigste Unterschrift war jene von Hansbrough. So zumindest die Annahme.

Acht Spieler vor Hansbrough

Nach den ersten fünf Liga-Spielen ist die Bilanz jedoch ernüchternd: Hansbrough stand in keiner Partie in der Starting Five und selbst als Option von der Bank wurde er nur selten beachtet. Gleich acht Mitspieler kommen länger zum Einsatz als der 23-Jährige (17:04 Minuten im Schnitt). Der im Sommer fast aussortierte Jon Wallace hingegen gehört zu den Konstanten und hat die Rolle als erster Backup für Steffen Hamann inne.

Entsprechend lesen sich Hansbroughs Statistiken: 6,0 Punkte und 3,0 Assists mögen angesichts der Spielzeit noch akzeptabel erscheinen, eine Dreierquote von 12,5 Prozent (1/8) sowie 1,3 Turnover sind andererseits enttäuschend - und sind ein Beleg dafür, warum Coach Dirk Bauermann seinen vermeintlich talentiertesten Spieler so selten aufbietet.

"Ich war selbst ein sehr großer Fan von Ben, als er in Notre Dame gespielt hat. Aber wie es so ist im Leben: Wenn man ihn täglich im Training erlebt, sieht man erst, welch großen Nachholbedarf er in den Bereichen hat, die er am College noch verschleiern konnte", erklärt Bauermann im Gespräch mit SPOX.

Bauermanns deutliche Kritik

So habe Hansbrough eklatante Schwächen offenbart: "Ben ist mit dem Ball unglaublich stark. Das Problem jedoch: Am College standen ihm als Spielmacher viele Optionen aus dem Pick'N'Roll zur Verfügung, die es im europäischen Basketball einfach nicht gibt", sagt Bauermann.

"Und was ihm am College überhaupt nicht gelehrt wurde, war das Spiel ohne Ball. Der europäische Basketball ist aber geprägt vom Spiel ohne Ball. Wenn er bei einer anderen Mannschaft spielen würde, wäre er vielleicht jetzt schon einer der Auffälligsten in der Liga, weil er dort häufiger den Ball in der Hand hätte. Komplexere Dinge jedoch muss er erst lernen."

Explizit spricht der ehemalige Bundestrainer auch die Defizite in der Defense an: "Ich ging davon aus, dass er sich wegen seiner Toughness und den schnellen Füßen in der Mann-gegen-Mann-Verteidigung bewähren wird, auch wenn Notre Dame viel Zone gespielt hat. Doch er tut sich schwer damit, Konzepte zu verstehen und umzusetzen. Deswegen ist vieles noch rudimentär und am Anfang."

Ben Hansbrough im SPOX-Interview: "Bayern einer der größten Klubs der Welt"

"Gib mir den Ball und lass mich machen!"

Zumal Hansbrough Mühe hatte, sich einzuleben. Als Privatmensch in München (Bauermann: "Er hatte großes Heimweh"), aber auch als Teamplayer beim FC Bayern. Der Vorwurf: Hansbrough wäre nicht bereit gewesen, sein Ego dem Mannschaftsgedanken unterzuordnen.

"Ich dachte, die Integration geht schneller", stellt Bauermann ernüchtert fest, der aus pädagogischen Gründen Hansbrough am 4. Spieltag in Göttingen (77:73) das gesamte Spiel über auf der Bank beließ. "Ich habe Ben gesagt, dass er nicht erwarten kann, dass sich unser Basketball um ihn dreht."

Bauermann weiter: "Am Anfang hatte sich Ben gedacht: 'Was wollen die eigentlich von mir? Ich bin der Big East Player of the Year! Gib mir den Ball und lass mich mal machen!' Denn bei Notre Dame lief es so: Die Zeit läuft runter, Ben bekommt den Ball, Ben macht eine Einzelaktion. So versuchte er es auch bei uns in den ersten Wochen, immer mit Vollgas. Aber Vollgas funktioniert in Europa nicht."

Fortschritt erkennbar

Dennoch sieht der Trainer einen Fortschritt bei seinem Problemfall: "Es hat etwas gedauert, bis er akzeptieren konnte, dass es hier anders läuft. Jetzt hat er verstanden, dass der europäische Basketball keine Verlängerung des College und auch keine D-League mit älteren Spielern ist. Mittlerweile studiert er unsere Spiel-DVDs und schaut sich Partien aus der Euroleague an."

Bauermanns versöhnliches Fazit: "Ben ist mitten im Prozess des Umstellens, deswegen glaube ich, dass es besser werden wird. Wir glauben fest an ihn, sind geduldig mit ihm und geben ihm die Zeit, die er benötigt. "

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