Thomas Ernst: "Brauchen einen wie Chong Tese"

SID
Chong Tese spielte vor seinem Wechsel zu Bochum bei Kawasaki Frontale
© Getty

Der Nordkoreaner Chong Tese hat Absteiger VfL Bochum einen erfolgreichen Auftakt in der 2. Liga beschert. Der WM-Teilnehmer erzielte beim 3:2 (2:1)-Sieg des Aufstiegsfavoriten gegen den TSV 1860 München gleich zwei Tore.

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Doch nach seinem Traumstart war die Show des Chong Tese noch lange nicht vorbei.

Der erste Nordkoreaner im deutschen Profi-Fußball ließ bei den TV-Interviews im Anschluss an den 3:2 (2:1)-Sieg des VfL Bochum gegen 1860 München seinen Dolmetscher demonstrativ links liegen und beantwortete die Fragen der verdutzten Journalisten in holpringem, aber passablem Deutsch - sechs Wochen nach seiner Ankunft in der neuen Wahlheimat. Lächelnd verriet er sein Motto: "Lernen statt Schlafen."

Der 26-Jährige bewies bei seiner Zweitliga-Premiere eindrucksvoll, dass er als Klasse-Stürmer und außergewöhnlicher Charakter den VfL aus der Depression und zurück in die Fußball-Bundesliga führen könnte.

"Seit er direkt nach seiner Vertragsunterschrift am Teamabend teilgenommen hat, bringt er sich bei uns ein", sagte VfL-Manager Thomas Ernst: "Keine Frage, einen wie ihn brauchen wir hier, nicht nur sportlich. Er tut uns gut."

Tese: "Werden alle noch besser"

Technisch stark, ballsicher und torgefährlich hatte sich Tese präsentiert. Mit seinen Kopfballtoren zum 2:1 (38.) und 3:1 (46.) sowie als Vorbereiter der Aktion zum 1:0 war er der beste und auffälligste der starken Bochumer Neuzugänge.

Die Führung (13.) erzielte Giovanni Federico, und auch die VfL-Neulinge Björn Kopplin und Faton Toski zeichneten sich als Vorlagengeber aus. So stark die Offensivkraft des Absteigers war, so schwach präsentierte sich seine Abwehr.

Weitere Gegentreffer neben denen von Dordje Rakic (22.) und Benjamin Lauth (59.) lagen ständig in der Luft. "Wir alle werden noch besser", sagte Chong Tese salomonisch.

Tränen bei der Nationalhymne

Jong Tae-Se hatte sich Tese noch während der WM in Südafrika nennen lassen. In Bochum bestand er auf der japanischen Version seines Names, weil er in der J-League bei Kawasaki Frontale spielte und als Chong Tese berühmt wurde. In dieser Zeit erarbeitete er sich auch seinen Spitznamen "Wayne Rooney von Asien".

Chong Tese wuchs als Kind einer südkoreanischen Mutter und eines nordkoreanischen Vaters im japanischen Nagoya auf. Er besaß einen südkoreanischen Pass. Erst mit der Unterstützung der pro-nordkoreanischen Chongryon-Schule, die er besuchte, konnte er im Jahr 2006 den im Süden eigentlich verbotenen Nationalitätenwechsel vollziehen.

2007 spielte er erstmals für Nordkorea. Bei der Ostasienmeisterschaft 2008 erzielte er jeweils die Tore beim 1:1 gegen Südkorea und Japan. In beiden Ländern hätte er ebenfalls Nationalspieler werden können. Doch er entschied sich für Nordkorea, die Bilder des vor Stolz weinenden Tese bei der Nationalhymne vor dem ersten WM-Spiel seines Teams gegen Brasilien gingen um die Welt.

"In Nordkorea gibt es kein Internet"

Auf Nordkorea angesprochen, endet Teses Redeschwall abrupt, er wird einsilbig. Nein, er hatte nach der WM noch keinen Kontakt zu Nationaltrainer Kim Jong-Hun oder seinen Teamkameraden.

Von Gerüchten über Strafen und Demütigungen durch die kommunistische Führung des Landes nach dem Vorrunden-Aus in Südafrika und dem unrühmlichen 0:7 gegen Portugal habe er keine Informationen: "In Nordkorea gibt es kein Internet."

Erst im Februar will er während des Asien-Cups wieder für Nordkorea spielen, die Testspiele zuvor seien "unwichtig".

Dem neuen VfL-Trainer Friedhelm Funkel geht der Rummel um seinen Stürmer bereits zu weit. Der erfahrene Fußballlehrer will mit aller Macht verhindern, dass Tese sich in seiner neuen Heimat wie eine Jahrmarktfigur aus einer fremden Welt fühlen muss: "Wir werden ihn ein bisschen rausnehmen. Er braucht noch Zeit."

Spielbericht: Die große Chong-Tese-Show