"Fuck! Was passiert hier gerade?"

Arvid Schenk spielte Oktober 2014 bis Januar 2015 für den FC Dundee
© Facebook

Von wegen "schlechtestes Debüt aller Zeit". Arvid Schenk (25) erzählt im SPOX-Interview, was im Derby seines FC Dundee gegen Dundee United an Neujahr wirklich passiert ist, berichtet über seine drei Monate in Schottland, die dortigen Essgewohnheiten, einschneidende Erlebnisse und seinen berühmten Vater.

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SPOX: Herr Schenk, wie war denn Ihr Start ins Jahr 2015?

Arvid Schenk: Eine schöne Frage (lacht). Zunächst mal war es ungewohnt, dass man an Neujahr spielen musste. Und dann auch noch so ein wichtiges Spiel. Ich habe erst kurz davor erfahren, dass ich ausgerechnet im Derby gegen Dundee United mein erstes Spiel für den FC Dundee machen werde - das war schon der Oberhammer...

SPOX: Aber dann spielte sich ja Unfassbares ab...

Schenk: Ja, wir lagen nach 31 Sekunden durch einen abgefälschten Schuss zurück. Dann denkt man sich schon "Fuck! Was passiert hier gerade?" Wir kamen zurück, glichen zum 1:1 aus, aber ab dann lief einfach alles gegen uns. Ich muss sagen, ich habe in diesem Spiel Treffer kassiert, die nicht alltäglich waren. Der zweite Treffer war wohl das schönste Tor, das ich je hinnehmen musste. Meine ersten beiden Ballkontakte waren, als ich die Kugel aus dem Netz holte. Am Ende verloren wir 6:2.

SPOX: Was denkt man da in diesem Moment?

Schenk: Ich habe einfach versucht, nicht groß nachzudenken, wollte der Mannschaft Sicherheit geben. Das Schlimme an der Sache war, dass ich an keinem der sechs Tore etwas machen konnte. Das ist dann sehr ärgerlich.

SPOX: Wie bitter ist es, im ersten Spiel in Derby solch eine Klatsche zu bekommen?

Schenk: Sehr bitter. Seit 1983 wartete in der Stadt jeder auf dieses Derby in der 1. Liga, die Stadien der beiden Vereine liegen nur 50 Meter auseinander. Dann ist es endlich soweit und wir bekommen die Hütte voll. Ich kann nicht sagen, dass ich gut gespielt habe, das kann bei diesem Ergebnis niemand behaupten, aber eins hat mich sehr geärgert...

SPOX: Was?

Schenk: Die Berichterstattung in den Medien anschließend. Da wurde jetzt vor einigen Tagen über die Agenturen gemeldet, dass es das "schlechteste Debüt aller Zeiten" gewesen wäre und ich meinen Vertrag daraufhin aufgelöst hätte. Wir haben an diesem Tag kollektiv versagt. Klar sucht man immer einen Schuldigen, aber ich war an keinem Tor direkt beteiligt und außerdem lief mein Vertrag auch nur bis zum 31. Januar und wurde nicht, wie fälschlicherweise berichtet, aufgelöst. Dundee wollte sogar mit mir verlängern, aber das Budget des Vereins war aufgebraucht. Durch die Darstellung in den Medien hatte ich in den letzten Tagen erstmals Heimweh.

SPOX: Sie klingen verärgert...

Schenk: Das bin ich auch ein wenig, weil über dieses Spiel erst einen Monat später berichtet wurde, anschließend auch noch falsche Aussagen getroffen wurden und die Berichterstattung einfach katastrophal schlecht war. Mich haben die letzten Tage besorgte Freunde angerufen und gefragt, was denn passiert sei. Mein Telefon stand gar nicht mehr still. Selbst die "Gazzetta Dello Sport" rief mich an.

SPOX: Die wollten auch über Sie und Ihre Derby-Erfahrungen berichten?

Schenk: Die italienischen Medien wollten auch die Geschichte hören, was denn dort ablief und hofften, dass ich etwas Schlechtes über den FC Dundee sage, aber das lief alles normal und fair ab. Ich hatte einen sogenannten Short-term-contract, der nur für drei Monate galt.

SPOX: Aber nach dem Spiel haben Sie kein weiteres Match mehr für den FC Dundee bestritten?

Schenk: Richtig, weil die etatmäßige Nummer eins Scott Bain wieder fit war. Aber klar, vielleicht traute man mir nach dem Derby kein weiteres Spiel mehr zu. Doch ich hatte mit Coach Paul Hartley ein gutes Verhältnis. Es lief alles ganz harmonisch ab und ich hage keinen Groll gegen den Verein, ganz im Gegenteil.

SPOX: Haben Sie die Einzigartigkeit des Derbys gespürt? Wie groß ist die Rivalität in der Stadt?

Schenk: Man kann das eigentlich ganz gut mit der Rivalität in Hamburg vergleichen. Dundee United ist der vornehme Stadtklub mit dem hübscheren Stadion und den feineren Supportern. Die Anhängerschaft des FC Dundee ist eher verrückt und ein bisschen alternativ. Daher habe ich mich dort auch sofort wohlgefühlt.

SPOX: Wie war der Kontakt mit den Fans?

Schenk: In Dundee ist man nicht der Fußballer, den man beneidet, wie es in Deutschland oft der Fall ist, sondern man war ein Junge der Stadt, auf den die Menschen stolz sind, weil er das Trikot ihres Teams trägt. Ich war dort nur "The Big German Boy". So nannten mich alle Fans, aber auch die Mitspieler. Das ist schon ganz lässig, wenn man solch einen Spitznamen hat (lacht).

SPOX: Würden Sie die drei Monate auf der Insel also nicht als verschenkte Zeit beschreiben?

Schenk: Nein, es war immer mein Traum, dort einmal zu spielen. Den habe ich mir erfüllt. Rein sportlich war es für mich natürlich eine Umstellung. In Schottland wird sehr hart gespielt, taktisch nicht so ausgeprägt, aber mit sehr viel Leidenschaft. Vor allem die Stadt Dundee gefiel mir sehr. Es war total herzlich und ein tolle Erfahrung.

SPOX: Wie kamen Sie eigentlich dazu, zum FC Dundee zu wechseln? Immerhin spielten Sie vornehmlich in den U-23-Teams von Rostock, St. Pauli und Wolfsburg...

Schenk: Ich hatte relativ viel Verletzungspech in meiner Karriere, im letzten Jahr bei den Wölfen unter Valerien Ismael war ich fast ständig verletzt, litt am Patellaspitzensyndrom. Mein Verhältnis zu Ismael war aber so gut, dass er mich, nachdem mein Vertrag in Wolfsburg ausgelaufen war, nach Schottland vermittelte.

SPOX: Die schottische Liga hat man nicht so im Blick. Beschreiben Sie uns doch mal das Niveau der Premier League.

Schenk: Die Liga ist eigentlich dreigeteilt. Man hat ganz oben den FC Celtic, der eine Top-Mannschaft ist. Danach kommen mit Dundee United, dem FC Aberdeen und Iverness drei Teams, die gehobenes Zweitliga- oder unteres Erstliganiveau haben und danach fällt es doch ein wenig ab

SPOX: Auch wenn es am Ende sportlich nicht überragend lief, sie hatten schon viel schlimmere Momente in Ihrer Karriere...

Schenk: Ich hatte 2009 einen sehr heftigen Autounfall. Auf dem Weg ins Training fuhr ein mir entgegenkommendes Auto in mich rein, ich wurde aus dem Auto geschleudert. Wie durch ein Wunder ist nichts wirklich Schlimmes passiert, ich hatte eine Quetschung der linken Körperhälfte. Dieser Tag ist wie ein zweiter Geburtstag für mich.

SPOX: Wie geht man mit so etwas um?

Schenk: Familie, Freunde und auch meine Berater (Dr. Oliver Wendt und Tomas Zorn, Anm. d. Red.) halfen mir damals, so wie jetzt auch. Mein Leben besteht aus vier Säulen: Familie, Freunde, meine Verlobte und der Fußball. Wenn eine davon bröckelt, weiß ich, dass die anderen drei stark genug sind, so etwas aufzufangen. Aber es war schon ein einschneidendes Erlebnis. Am Ende des Tages muss man aber aus allem das Positive ziehen, Fußball ist Tagesgeschäft und schließlich muss man für sich selbst sehen, dass man glücklich wird. Ich bin beispielsweise nun seit zweieinhalb Jahren Veganer...

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SPOX: Wie bitte? Wie ist das als Leistungssportler möglich?

Schenk: In Schottland war das wirklich schwer. Der Schotte hat das Wort "vegan" noch nicht gehört, hatte ich das Gefühl (lacht). Bei meiner Vorstellung sagte ich, dass ich vegan lebe. Alle Mitspieler haben nur gelacht, weil vegan eher verpönt ist. Daher habe ich dann hauptsächlich vegetarisch gelebt, aber in Deutschland ziehe ich das durch. Das geht schon, auch wenn es etwas aufwändig ist. Es gibt einige Sportler, wie Christopher Fischer (Eishockey-Profi bei den Adler Mannheim, Anm. d. Red.) oder Timo Hildebrand, die vegan leben.

SPOX: Um noch einmal auf Ihre Familie zu sprechen zu kommen. Ihr Großvater Jürgen Heinsch war in den 80ern und 90ern Trainer bei Hansa Rostock, Ihr Vater holte für die damalige DDR 1988 in Seoul die Goldmedaille im Zehnkampf. Wer kann einem da mehr Tipps geben?

Schenk: Mein Vater mischt sich in die tiefergehenden Fußballgespräche mit meinem Großvater jetzt auch aus fehlendem Interesse eher nicht ein (lacht). Aber dafür kann er mir gute Tipps in der Trainingssteuerung und solchen Dingen geben. Aber der familiäre Background war jetzt keine Bürde, ganz im Gegenteil. Wenn ich etwas gemacht hätte, was nichts mit Sport zu tun gehabt hätte, wären sie auch zufrieden gewesen.

SPOX: Wie geht's denn nun sportlich für Sie weiter?

Schenk: Der Transfermarkt in Deutschland ist zunächst einmal zu, aber da ich vertragslos bin, stehen mir eigentlich alle Türen offen. Ich würde gerne auf der Insel bleiben, auch Skandinavien würde mich reizen. Aber richtig konkret ist derzeit nichts, ich halte mich fit und lasse alles auf mich zukommen.

Arvid Schenk im Steckbrief