"Dann holt man sich halt den weißen Mann"

Von Interview: Alex Truica
Trainer Stephen Keshi gewann mit Nigeria in diesem Jahr den Afrika Cup
© Getty

Der Afrika Cup hat am Sonntag mit dem Erfolg Nigerias seine Pforten geschlossen. Wer war die große Überraschung? Welches Land enttäuschte? Afrika-Experte Lutz Pfannenstiel blickt gegenüber SPOX auf das Turnier zurück und erklärt das Chaos rund um Trainer Stephen Keshi.

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SPOX: Herr Pfannenstiel, Sie waren als Scout für 1899 Hoffenheim und als TV-Experte für die englische "BBC" in Südafrika. Wie haben Sie Ihren vierten Afrika Cup miterlebt?

Lutz Pfannenstiel: Letztes Jahr in Gabun und Äquatorialguinea war es ein typischer Afrika Cup. Da war auch Komik dabei. In Südafrika war die Infrastruktur von der WM noch gegeben. Daher hat es eher an ein europäisches Turnier erinnert.

SPOX: Organisatorisch war also alles zufriedenstellend?

Pfannenstiel: Einige Sachen waren nicht ganz so ideal. Die Platzverhältnisse in Nelspruit waren nicht gut. Der Platz war sehr sandig. Achtet man auf die Zuschauerzahlen, war auch die Wahl der Austragungsorte nicht unbedingt glücklich. Rustenburg und Nelspruit sind keine Fußball-Hochburgen, genauso wenig wie Port Elizabeth.

SPOX: Wie hat Ihnen das fußballerische Niveau gefallen?

Pfannenstiel: Vom Niveau her war das Turnier gesplittet. In der Vorrunde war es eher durchschnittlich. In der K.o.-Runde spielten die Teams technisch besser und taktisch befreiter. Das Finale war dann wieder sehr von Taktik geprägt - die Rollen aber klar verteilt.

SPOX: Wie schätzen Sie Nigerias Turniersieg ein?

Pfannenstiel: Ich würde den Sieg von Nigeria nicht als Überraschung bezeichnen, da sie immer das Potential haben, das Turnier zu gewinnen. Anfangs haben sie sich schwer getan. Die Gruppe C war nicht ohne: Sambia war der Titelverteidiger, Burkina Faso der spätere Finalist, plus das unbeschriebene Blatt Äthiopien.

SPOX: War Burkina Faso das Sambia des diesjährigen Afrika Cups - also die große Überraschung?

Pfannenstiel: Sambia war letztes Jahr wirklich eine Sensation. Als sie Afrika-Meister wurden, haben alle Zufälle an einem Tag zusammengefunden. Damals kamen schon viele Umstände zusammen. Ich habe aber dieses Jahr vor dem Turnier gesagt: Eine Titelverteidigung gibt es garantiert nicht, weil nicht noch mal so viele Sachen auf einmal wieder zusammenkommen. Dass man in dieser Gruppe ausscheiden kann, ist keine Sensation. Dass es als Titelverteidiger enttäuschend ist, so früh rauszufliegen, ist aber klar.

SPOX: Wer war Ihre Überraschung des Turniers?

Pfannenstiel: So viele Überraschungen gab es dieses Jahr nicht. Burkina Faso hatte aber keiner auf dem Zettel. Sie sind körperlich sehr robust und spielen sehr diszipliniert. Sie haben außerdem viele erfahrene Spieler, die schon viele Jahre in Europa auf dem Buckel haben. Dass Burkina Faso ins Finale kommt, hätten aber nicht viele gedacht.

SPOX: Eine weitere Überraschung war Cap Verde - der kleine Inselstaat war das erste Mal dabei und kam gleich ins Viertelfinale.

Pfannenstiel: Cap Verde hat sehr guten Fußball gespielt. Man muss aber natürlich relativieren: In Gruppe A waren sie die höchstplatzierte Mannschaft (gemessen an der Fifa-Weltrangliste, Anm. d Red.). Fast alle Spieler sind in Europa unter Vertrag, wenn auch zum Teil in den zweiten Ligen. Daher war es gar keine so große Überraschung.

SPOX: Wo es Überraschungen gibt, gibt es auch Enttäuschungen. Von wem hätten Sie mehr erwartet?

Pfannenstiel: Algerien - wenn man sieht, bei welchen Mannschaften die Spieler spielen. Generell war es enttäuschend, dass von den Nordafrikanern (Algerien, Marokko und Tunesien, Anm. d. Red.) keiner die K.o-Runde erreicht hat. Auch für Ghana war es ein enttäuschendes Turnier. Sie hatten eine Mannschaft, die das Turnier hätte gewinnen können. Immer wenn Druck entsteht, versagen ihnen aber scheinbar die Nerven. Aber die größte Enttäuschung waren die Schiedsrichterleistungen.

SPOX: Südafrika ist als Gastgeber im Viertelfinale gescheitert. Auch hier hätte man sich vielleicht mehr erwartet.

Pfannenstiel: Das 0:0 im Eröffnungsspiel gegen Cap Verde war das schlechteste Spiel des Turniers. Gegen Angola haben sie aber taktisch gut und schlau gespielt. Das Unentschieden gegen Marokko war etwas glücklich. Im Endeffekt zogen sie aber verdient ins Viertelfinale ein. Gegen Mali haben sie dann sehr gut gespielt. So gut habe ich Südafrika in den letzten sechs, sieben Jahren nicht gesehen. Allerdings sind sie unglücklich im Elfmeterschießen ausgeschieden. Spätestens das Halbfinale wäre dann aber sowieso Endstation gewesen.

SPOX: Warum ist die so hochgelobte goldene Generation der Elfenbeinküste erneut vorzeitig gescheitert?

Pfannenstiel: Das ist eine Mannschaft von internationaler Klasse, aber keine Turniermannschaft. Sie haben es noch nie geschafft, bei einem Turnier fünf, sechs Spiele hintereinander Leistung zu bringen. Sie haben vielleicht sogar zu viele Stars - zusammengenommen ergeben diese aber keine richtige Mannschaft. Das Team ist außerdem überaltert und im Defensivverhalten zu langsam. Gegen die schnellen Nigerianer hatten sie enorme Probleme.

SPOX: Fünf Nigerianer haben es in die Mannschaft des Turniers geschafft. Haben Sie einen Spieler des Turniers oder einen Shooting-Star ausmachen können?

Pfannenstiel: John Obi Mikel hat ein Wahnsinnsturnier gespielt. Mannschaftsdienlich hoch drei. Er hat im Mittelfeld super Arbeit geleistet und die Mannschaft geführt. Malis Seydou Keita und Yaya Toure von der Elfenbeinküste hat er jeweils komplett aus dem Spiel genommen. Er hat seine Arbeit hochprofessionell erledigt, blieb dabei aber trotz seines vermeintlichen Star-Status immer im Hintergrund. Auch Victor Moses spielte ein starkes Turnier. Genauso wie Sunday Mba, der Final-Torschütze. Er war am ehesten so etwas wie der Shooting-Star.

SPOX: Aus der Bundesliga hat besonders Aristide Bance für Schlagzeilen gesorgt. Bei Augsburg konnte er noch kein Tor erzielen. Beim Afrika Cup schoss er Burkina Faso dagegen ins Finale.

Pfannenstiel: Bance hatte ein Turnier mit Höhen und Tiefen. Zwischenzeitlich saß er ja sogar auf der Bank. Im Halbfinale war er dann aber absolut überragend. Da war er der beste Mann. Auch die Körpersprache stimmte. Ich glaube, der Afrika Cup gibt ihm einen Boost, auch vom Kopf her. Man hat gesehen, dass er doch noch gefährlich ist.

SPOX: Kontroversen gab es um Nigerias Trainer Stephen Keshi. Er trat unmittelbar nach dem Turniersieg zurück, verkündete jetzt aber seinen Rücktritt vom Rücktritt.

Pfannenstiel: Die Geschichte mit Nigerias Trainer Keshi war spannend. Endlich hatte mal ein afrikanischer Trainer auch die Kraft zu sagen: Ich hole mir die Spieler, die ich will. Er hat beim Verband unpopuläre Entscheidungen getroffen - unter anderem sechs Spieler aus der heimischen Liga nominiert. Beim Rücktritt war natürlich auch ein bisschen Show dabei. Es war gut, dass er das so gemacht hat. So hat er der Außenwelt gezeigt: "Hey, es kann auch anders gehen". Man hat gesehen, dass auch ein aus Afrika stammender Trainer den Cup gewinnen kann. In Afrika ist es immer so: Wenn es Richtung Turnier geht, dann holt man sich halt den weißen Mann und versucht mit dem weißen Trainer, Erfolge zu haben. Ich denke, in Afrika gibt es inzwischen auch sehr gute junge, einheimische Trainer. Es muss nicht immer der Ausländer sein.

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