"Im Geiste eher Achter als Sechser"

Von Stefan Rommel
Milan Badelj absolvierte bislang 60 Bundesliga-Spiele (2 Tore) für den Hamburger SV
© imago

Nach der Seuchensaison soll's beim Hamburger SV aufwärts gehen. Milan Badelj sieht den HSV dabei auf einem guten Weg, weiß aber auch um die zahlreichen Schwächen. Im Interview mit SPOX spricht der Kroate über die Ursachen der HSV-Probleme, seine diffizile Rolle, die Kollegen Behrami und van der Vaart und die Gemeinsamkeiten von Zagreb und Hamburg.

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SPOX: Herr Badelj, haben Sie in der abgelaufenen Saison auf der richtigen Position gespielt?

Milan Badelj: Was ist die richtige Position?

SPOX: Die, die Ihnen auf Grund Ihrer Anlagen am ehesten liegt und auf der Sie der Mannschaft am meisten helfen können.

Badelj: Früher habe ich mit einem echten Sechser im Rücken etwas offensiver gespielt, beim HSV etwas defensiver. Das war nicht neu für mich, ich kann diese Position vor der Abwehr spielen.

SPOX: Trotzdem galt das defensive Mittelfeld als eine Problemzone beim HSV.

Badelj: Wir haben die meisten Spiele mit Tolgay (Arslan, Anm. d. Red.) und mir gespielt und wir sind beide im Geiste eher Achter als Sechser. Im Abstiegskampf wären vielleicht mehr kämpferische Elemente gefragt gewesen und weniger das schöne Spiel. Das haben wir wohl etwas vermissen lassen.

SPOX: Wären Sie auf der Halbposition vor einer klaren Sechs besser aufgehoben, etwa in einem Dreier-Mittelfeld?

Badelj: Es ist nicht meine Aufgabe, mich in taktische Überlegungen einzumischen. Ich habe am liebsten einen defensiven Mitspieler an der Seite, Tolgay auch. Aber was geschieht dann zum Beispiel mit Rafael van der Vaart? Der Trainer muss die richtige Chemie und Zusammensetzung der Mannschaft finden.

SPOX: Glauben Sie, dass Sie an der Seite von Valon Behrami Ihre Rolle anders interpretieren können?

Badelj: Valon ist der richtige Spieler für diese Position. Er hat Erfahrung und bringt jede Menge Selbstvertrauen mit, er denkt eher defensiv und hat Biss und die nötige Härte im Zweikampf. Das wird uns gut tun. Wir können nicht so spielen wie die Bayern, die alles spielerisch lösen. Wir brauchen Spielertypen, die grätschen und manchmal auch ein Foul machen, wenn es nicht anders geht. Nur mit Schönspielen gewinnt man gar nichts.

SPOX: Die Vorbereitung war anders als in den letzten Jahren. Wie hat sich das bemerkbar gemacht?

Badelj: Sie war vor allen Dingen intensiver. Wir haben besonders im körperlichen Bereich sehr gut gearbeitet, wir sind topfit. Und meiner Meinung nach brauchen wir das. Wir müssen bereit sein, wir müssen laufen können bis zum Schluss, wenn der Gegner vielleicht ein paar Prozent an Energie verliert.

SPOX: Die Erkenntnis an sich ist ja nicht neu. Wieso war das in der letzten Saison offenbar nicht so der Fall?

Badelj: Thorsten Fink hatte eine etwas andere Philosophie. Wir wollten mehr über die Taktik und das Positionsspiel kommen. In der ersten Saison hat das ganz gut funktioniert, wir wurden Siebter und waren gar nicht so weit weg von Platz vier. Dann sind wir schlecht in die nächste Saison gestartet und er war weg.

SPOX: Ist der HSV eine Mannschaft, die es braucht, auch mal härter angepackt zu werden?

Badelj: Das glaube ich schon. Wir brauchen das.

SPOX: Wieso kommt diese Erkenntnis nicht aus der Mannschaft selbst?

Badelj: Sie kam aus der Mannschaft. Aber die Umsetzung auf dem Platz war schlecht. Wir haben auf allen Ebenen zu viele Fehler begangen. Wir sind kopflos geworden, wenn wir zu Hause vor 50.000 Zuschauern mit 0:1 in Rückstand geraten sind. Wir waren mental nicht stark genug, konnten nicht cool bleiben und unser Spiel weiterspielen. Stattdessen wurden wir hektisch und übereifrig. Das war ein großes Problem.

SPOX: Vielleicht schweißt so ein Erlebnis wie der Abstiegskampf plus überstandener Relegation auch zusammen. Wie kommt die Mannschaft jetzt als Gruppe miteinander klar?

Badelj: Wir sind bis auf wenige Abgänge dieselbe Mannschaft geblieben. Der Kern ist nun schon seit drei, vier Jahren zusammen. Das ist wichtig. Wir kennen uns gut und die neuen Spieler wurden von der Gruppe auch schnell akzeptiert. Wir haben den Teamgeist mit vielen kleinen Dingen immer weiter verbessert und sind mittlerweile auf einem sehr guten Niveau angekommen. Ich glaube, da sind wir deutlich weiter als im letzten Jahr.

SPOX: Rafael van der Vaart hat eine sehr schwierige Saison hinter sich. Was kann er und was kann die Mannschaft tun, um ihn da wieder rauszuholen?

Badelj: Es kann nur mit einer Art Symbiose funktionieren. In der vergangenen Saison hatten wir alle - auch er - nicht unser bestes Niveau. Aber es kann Schritt für Schritt nach vorne gehen, wenn wir uns gegenseitig helfen. Dann ist Rafael van der Vaart auch wieder der beste Spieler auf dem Platz.

SPOX: Hat die Mannschaft das verstanden: Dass es nur gemeinsam geht?

Badelj: Es darf nicht schlechter sein in der kommenden Saison, es muss alles besser werden. Wir waren Sechzehnter - noch schlechter hieße: wir steigen ab. Ich denke, wir haben das begriffen.

SPOX: Es blieben in einigen Vorbereitungsspielen aber auch die altbekannten Probleme. Unter anderem auch die bei Defensiv-Standards. Woran liegt das?

Badelj: Wir können vorher alles trainieren: Wer wie und wo steht, wer wen blockt, ob wir im Raum verteidigen oder am Mann, wie die Pfosten besetzt sind... Letztlich liegt es aber an der Einstellung jedes Einzelnen. Jeder muss sich vor einer Ecke oder einem Freistoß sagen: 'Mein Gegenspieler schießt jetzt kein Tor! Er kommt noch nicht mal an den Ball'.

SPOX: Also sind es individuelle Probleme, die zu den vielen Gegenstoren geführt haben?

Badelj: Wir reden hier nicht vom Spielaufbau, also einer Bewegung aus dem Spiel heraus. Wenn der Gegner durch eine bestimmte Stafette an dir vorbei ist und du erstmal raus bist aus dem Spielzug. Wir haben den Gegenspieler vor uns und müssen ihn daran hindern, an den Ball zu kommen. Wir benötigen eine mentale Kraft, den Willen, die Entschlossenheit und ein wenig Cleverness, um uns dagegen zu stemmen. Wir werden auch in Zukunft immer mal ein Tor nach einem Standard kassieren. Aber es darf nicht sein, dass der Gegner in jedem Spiel zwei oder drei große Chancen nach einem Standard bekommt.

Seite 1: Badelj über sich, die Probleme des HSV, Behrami und van der Vaart

Seite 2: Badelj über seine Herkunft und kroatische Eigenheiten

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