"Im Geiste eher Achter als Sechser"

Von Stefan Rommel
Milan Badelj absolvierte bislang 60 Bundesliga-Spiele (2 Tore) für den Hamburger SV
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SPOX: Sie sind vor zwei Jahren von Dinamo Zagreb nach Hamburg gekommen. Dinamo ist der größte Klub Kroatiens, das Umfeld mitunter hektisch und aufgeregt. Hätten Sie sich vorstellen können, dass es in Hamburg ähnlich unruhig zugehen könnte?

Badelj: So ganz kann man das nicht vergleichen. Dinamo muss man verstehen und ein Außenstehender kann das kaum verstehen. Als Dauer-Champion verlagern sich die wichtigsten Spiele des Jahres auf die Monate Juli und August - wenn es um die Teilnahme an der Champions oder Europa League geht. Geht da ein Spiel total daneben, ist man raus aus Europa und die Arbeit von einem ganzen Jahr war quasi umsonst. Ohne internationalen Wettbewerb fließt kein Geld, alle Projekte liegen auf Eis. Der Druck im Sommer ist jedes Mal unglaublich.

SPOX: Größer als in Hamburg im Abstiegskampf?

Badelj: Auf gewisse Weise schon. Viele werden das nicht verstehen, aber man muss die Gegebenheiten sehen: Die Infrastruktur ist schlecht, die Fans kommen nicht mehr so zahlreich ins Stadion. Die großen Einnahmen aus Ticketverkäufen sind nicht möglich, die Sponsoren interessieren Spiele in der Liga nicht. Bleiben nur noch Einnahmen aus Spielerverkäufen. Aber wer kauft einen Spieler für viel Geld, der sich nicht in Europa präsentieren kann? Es ist eben alles ein bisschen anders dort.

SPOX: Der erste Bundesligaabstieg des Hamburger SV hätte aber auch sehr hohe Wellen geschlagen.

Badelj: Das war uns auch bewusst. Sagen wir es so: Im Grunde ähneln sich Hamburg und Zagreb, die Emotionalität ist aber eine andere.

SPOX: Wie kommt es eigentlich, dass so ein vergleichsweise kleines Land wie Kroatien in fast jeder Ballsportart zur Weltklasse gehört?

Badelj: Und wir haben auch noch fantastische Skiläufer... So richtig kann man das wohl gar nicht erklären. Wenn man noch ein Kind ist, vier, fünf oder sechs Jahre alt, dann gibt es nichts anders als rauszugehen und Sport zu machen. Es spielt dann keine Rolle, welche Sportart. Wenn man in der Schule in die erste Klasse kommt, wird jeder sofort gefragt, welchen Sport er macht. Und wenn einer gar keinen Sport treibt, sagen die anderen sofort: ‚Was ist denn mit dem los?' Es ist eine Selbstverständlichkeit in Kroatien, wie ein ungeschriebenes Gesetz: Jedes Kind treibt Sport.

SPOX: Ist es so einfach?

Badelj: Es kommt dazu, dass Kroatien als Land weder politisch, noch wirtschaftlich herausragend ist. Selbst Hochschulabsolventen haben große Probleme einen Job zu finden, der entsprechend bezahlt ist. Der Sport bietet dazu eine Alternative für jeden Einzelnen. Und für Kroatien als Land natürlich eine Chance, auf sich aufmerksam zu machen.

SPOX: Kann es auch sein, dass Sportler aus wirtschaftlich nicht so gut situierten Ländern mehr Biss haben, sich den Weg nach oben zu bahnen?

Badelj: Das glaube ich schon. Allerdings muss man auch aufpassen, dass vor allen Dingen die Eltern nicht überdrehen. Ich hatte das Glück, dass meine Eltern nicht so verrückt waren wie viele andere. Besonders die Väter sind teilweise sehr extrem. Sie sehen dann nur die Verdienstmöglichkeiten, die ihre Kinder womöglich haben werden und verlieren jegliches Maß.

SPOX: Wie weit ist Kroatiens Nationalmannschaft derzeit weg von der absoluten Weltspitze?

Badelj: Wir sehen gegen Deutschland und Spanien, die beiden besten Mannschaften der Welt in den letzten Jahren, meistens gut aus. Wir sind punktuell immer für große Spiele gut. Aber Nationen wie Deutschland oder Spanien können ihre Leistung über ein gesamtes Turnier abrufen. Für die ist ein Halbfinale oder ein Finale eine normale Sache. Wir Kroaten wissen, dass wir gut sind. Aber manchmal denken wir, dass wir wie Deutschland oder Spanien wären. Aber so gut sind wir nicht. Bei zehn großen Turnieren sind wir vielleicht dreimal über die Gruppenphase hinausgekommen. Wir haben eine gewisse Qualität. Die bewegt sich aber nicht auf dem absoluten Top-Niveau.

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