Lewy, der Profi

Robert Lewandowski wechselt am 1. Juli 2014 von Borussia Dortmund zum FC Bayern München
© getty

Am Samstag spielt Borussia Dortmunds Robert Lewandowski zum ersten Mal, seit sein Wechsel offiziell feststeht, gegen seinen kommenden Verein FC Bayern München (18.30 Uhr im LIVE-TICKER). Die Entscheidung des BVB, den Stürmer im vergangenen Sommer gegen eine Ablösesumme nicht vorzeitig zum deutschen Rekordmeister ziehen zu lassen, erwies sich als goldrichtig - weil Lewandowski seinen Ruf als Vorzeigeprofi eindrucksvoll untermauerte.

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Natürlich wird man sich die genaue Begründung selbst ausmalen können. Ein Top-Verein, ein toller Trainer, eine eingespielte und individuell extrem stark besetzte Mannschaft, eine großzügige Vergütung - darauf dürfte es letztlich hinauslaufen.

Oft ist jedoch weniger der Inhalt, sondern vielmehr die genaue Formulierung interessant. Im Fall von Robert Lewandowski muss man sich aber noch etwas gedulden. Wahrscheinlich bis zu einem Tag Anfang Juli. Erst dann scheint der heutige Spieler von Borussia Dortmund seinen Wechsel zum FC Bayern München offiziell zu begründen.

Im Sommer extrem beäugt

Dass das bislang noch nicht geschah, soll kein Vorwurf an den Polen sein. Zumal man seine Aussagen eben bereits im Vorfeld erahnen kann. Lewandowski spricht erst über seinen neuen Verein, wenn er auch wirklich Angestellter des Klubs ist - eine legitime und professionelle Haltung.

Diese zieht sich, das lässt sich längst festhalten, auch durch seine letzte Saison bei den Schwarzgelben. Im vergangenen Sommer wurde der Pole noch extrem beäugt, jede Veränderung seiner Mimik und Gestik interpretiert. Kann so einer überhaupt noch hundertprozentig bei der Sache sein?

"Es wurden einige Fehler gemacht"

Schließlich lag Lewandowski vor Saisonstart mit dem BVB heftig im Clinch. Hinter den Kulissen fetzten sich die Verantwortlichen der Borussia mit den Vertretern des Angreifers. Es ging um feste Zusagen und falsche Versprechungen. Dortmund wollte Lewandowski keinesfalls abgeben, Lewandowski aber unbedingt sofort wechseln. Der FC Bayern schaute sich das unschöne Treiben wochenlang aus der Ferne an.

Der polnische Nationalspieler musste letztlich seinen Vertrag erfüllen und war angefressen. "Es ist nun so, dass ich noch ein weiteres Jahr in Dortmund bleiben werde. Ich bin von einem anderen Standpunkt ausgegangen: Ich dachte, dass ich wechseln dürfte. Im Sommer war ich dann enttäuscht und sauer. Wir haben alle Unstimmigkeiten beseitigt und uns ausgesprochen. Es wurden einige Fehler gemacht - das Thema ist beendet", äußerte Lewandowski gegenüber der "Sport Bild".

BVB-Entscheidung goldrichtig

Seine Wut torpedierte aber nicht wie von mancher Seite befürchtet die Einstellung zu seinem Beruf. Darauf haben die Dortmunder von Beginn an gesetzt. Ihre Argumentation: Sobald sich Lewandowski beruhigt hat, wird er den BVB erneut in die Champions League schießen und damit am Ende höhere Einnahmen generieren, als ein vorzeitig Verkauf realisieren könnte - trotz einer Anhebung seines zuvor recht spärlichen Grundgehalts.

Dieses Vorgehen der BVB-Führungsriege erwies sich als goldrichtig. Die Borussia wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut für die Königsklasse qualifizieren, das diesjährige Vordringen bis ins Viertelfinale brachte Einnahmen in Höhe von rund 45 Millionen Euro und künftig einen Platz in Lostopf zwei.

"Ich halte fest, dass wir allen Unkenrufen zum Trotz die richtige Entscheidung getroffen haben, ihn zu behalten. Robert hat mit seiner Leistung dazu beigetragen, dass wir ökonomisch deutlich mehr profitiert haben als von einer Ablöse", lässt auch Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke wissen.

Klopp: "Mehr Profi geht nicht!"

Das Erreichen dieses Ziels ist in weiten Teilen Lewandowskis Arbeitsauffassung zu verdanken, der damit seinen Ruf als Vorzeigeprofi eindrucksvoll untermauerte. Es gibt genügend Beispiele, in denen bei einem gegen seinen Willen festgehaltenen Spieler ein eklatanter Leistungsabfall zu beobachten war. Doch in Dortmund hatte man trotz aller Scherereien nie Zweifel an Lewandowskis Charakter. "Mehr Profi geht nicht!", sagte BVB-Coach Jürgen Klopp frühzeitig.

Lewandowskis OPTA-Bundesliga-Statistik der Saison 2013/2014

Das tadellose Verhalten des Stürmers auf dem Platz war für den BVB erst recht nach dem Ausbruch der Verletztenmisere auch eminent wichtig. Mit Lewandowski erhält Dortmunds offensive Durchschlagskraft eine völlig neue Dimension, ohne ihn gab es maue Partien wie in Freiburg (1:0) oder im Hinspiel in Madrid (0:3).

"Kurz vor dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft"

Auch hat sich Lewandowski in seinem letzten Jahr in Westfalen noch einmal ein Stückchen weiterentwickelt. Er verkörpert vieles: Eine spielstarke Anspielstation in der Tiefe des Platzes, die für das Dortmunder Umschaltspiel von unschätzbarem Wert ist. Im Behaupten von Bällen nach kurzen oder langen Zuspielen gehört er zu den Besten im Weltfußball und ermöglicht es seinen Mitspielern mit dieser Gabe, das Mittelfeld schnell zu überbrücken, dann auf sie abzulegen und selbst für den Ball in die Tiefe durchzustarten.

Lewandowskis Spiel ist von seinem absoluten Willen gekennzeichnet, er reibt sich für die Mannschaft auf und flippt trotz heftiger Attacken seiner Gegenspieler, die ihn meist im Verbund angehen, nie aus. Der 25-Jährige gibt sich auch nach herausragenden Partien, die er im Alleingang entscheidet, als zurückhaltender Teamplayer und scheint sich von nichts aus der Ruhe bringen zu lassen. Lewandowski wechsle "kurz vor dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft", erklärte Klopp kürzlich.

"Ich wusste, dass es in Dortmund eine Mannschaft gibt, in der ich mich verbessern kann. Das waren vier unglaubliche Jahre und die sind noch nicht ganz vorbei. Es war einfach mein Ziel, jedes Jahr ein besserer Spieler zu werden. Ohne diese Mannschaft und diese Spieler hätte ich das nicht geschafft", zog er vergangenen Montag ein erstes kleines Fazit.

126 Bundesligaspiele, 71 Tore

Die Leistungen Lewandowskis erscheinen umso beeindruckender, wenn man bedenkt, wie gelassen und abgezockt er den ständigen Schlagzeilen um ihn auf dem Platz entgegen tritt. Die Wechsel-Posse, der angebliche und dann doch erlogene Schlag gegen einen pöbelnden 17-Jährigen, der Klau seiner Autoreifen - Lewandowski geriet nie aus der Spur.

Nach seinen zitierten Aussagen im August in der "Sport Bild" kam ihm kein böses Wort mehr über die Lippen. Lewandowski verhält sich in der Öffentlichkeit zurückhaltend und höflich. Brisanten Fragen weicht er gekonnt aus und wirkt nicht genervt.

Bedenkt man all diese Umstände, die für ihn dazu eine gänzlich neue Erfahrung darstellen, erstahlt seine Statistik in hellem Licht: In bislang 40 Pflichtspielen dieser Saison war er nun schon an 39 Treffern direkt beteiligt (24 Tore, 15 Vorlagen), allein in der Bundesliga hält er nach vier Jahren derzeit bei 101 Scorerpunkten in 126 Partien (71 Tore, 30 Vorlagen). Der Profi Lewandowski hat sich in Rekordzeit einen Platz in der Geschichte Borussia Dortmunds gesichert.

Robert Lewandowski: Daten und Fakten

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