Gefährliche Win-win-Situation

Von Thomas Gaber
Der FC Bayern München gewann in dieser Saison bislang 30 von 36 Pflichtspielen
© imago

Der März ist ein Monat der Entspannung für den FC Bayern. Punktevorsprung und Spielplan in der Liga sind ideal für Heynckes' Rotation. Doch die scheinbar komfortable Situation ist nicht gefahrlos. Die Spieler bemerken erste mentale Barrieren.

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Matthias Sammer war gerade zwei Wochen Sportdirektor des FC Bayern, da bekam er von höchster Stelle bereits Anerkennung für sein Handeln.

"Er hebt im Moment jeden Stein beim FC Bayern auf und schaut drunter, ob da alles okay ist, oder ob etwas verbesserungswürdig ist. Ich finde es sehr fruchtbar für den FC Bayern, wie er seinen Job interpretiert", sagte Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge Mitte Juli.

Sammer kommt aus der Deckung

Rummenigge hat dies in ähnlicher Form in den Monaten danach immer wieder geäußert. Sammer genießt höchste Wertschätzung im Verein; bei seinen Vorstandskollegen und bei Präsident Uli Hoeneß.

Sammer ist nicht der große Redner, seine Auftritte in der Öffentlichkeit sind verhältnismäßig rar. Nur wenn er Gefahr im Verzug sieht, kommt er aus seiner Deckung. So wie letzten Sonntag während eines TV-Auftritts im Bayerischen Fernsehen.

"Mir gefällt nicht, dass wir momentan viel davon reden, was in Zukunft ist. Wir reden ein bisschen zu viel und müssen uns als Verein disziplinieren. Das Einzige, was uns zu interessieren hat, ist, dass wir in der Erfolgsspur bleiben. Und nicht, was einer schräg nördlich von uns sagt oder wer nächste Saison hier Trainer ist. Das ist nun wirklich egal."

Plagiatsvorwürfe aus dem von München aus schräg nördlich gelegenen Dortmund - unwichtig. Detailveröffentlichungen über ein (Geheim)-Treffen mit Pep Guardiola in Zürich - irrelevant.

März: Monat der Entspannung

Wird ihm zu viel gequatscht, macht Sammer auch nicht vor versteckter Kritik am Klubchef halt. In einem Interview mit der "BamS" hatte Rummenigge verraten, dass Guardiola mittlerweile schon e-Mails und SMS auf deutsch schreibt.

Sammer handelt nur zum Wohle des Vereins. "Es geht um Bayern, um unseren Klub, den habe ich mit Haut und Haaren zu verteidigen. Die Haare sind weg, die Haut ist noch da."

Es kann dem FC Bayern auch nicht schaden, wenn einer, dem im Verein vollstes Vertrauen entgegengebracht wird und dessen Wort Gewicht hat, den mahnenden Zeigefinger hebt. Erst recht nicht in einer Phase, in der sportlich alles funktioniert.

17 Punkte Vorsprung in der Bundesliga, Einzug ins DFB-Pokal-Halbfinale mit einem Heimspiel gegen Wolfsburg und eine ideale Ausgangslage für das Rückspiel im Champions-League-Achtelfinale gegen den FC Arsenal - der FC Bayern hat Anfang März alle Trümpfe in der Hand.

Heynckes rotiert schon

Der Spielplan im März verschafft den Bayern zusätzlich Entspannung. Düsseldorf, Leverkusen und Hamburg heißen die Gegner in der Liga und das Erreichen des Viertelfinals in der Königsklasse mit einem 3:1 im Rücken gegen allenfalls durchschnittlich starke Gunners ist nur noch Formsache.

Für Trainer Jupp Heynckes eigentlich eine Win-win-Situation. Er kann die Ligaspiele nutzen, um der Unzufriedenheit seiner Reservisten mit Startelfeinsätzen entgegenzuwirken. Beim 6:1 gegen Bremen ließ er bereits die halbe Stammelf draußen, in Hoffenheim durfte sogar Ersatztorhüter Tom Starke ran.

Zusätzlich verschafft er seinen Stammspielern Ruhepausen und gewinnt Erkenntnisse, auf welche Spieler er setzen kann, wenn in der Endphase der Saison die Preise vergeben werden.

Müller erkennt mentale Barriere

Andererseits birgt der Status quo die Gefahr, zumindest kurzfristig nicht mehr die nötige Spannung und Konzentration aufzubringen.

"Wo wir jetzt stehen, das ist kein Zufall. Aber wir müssen weiter so zielorientiert arbeiten - sonst sehe ich die Gefahr, dass wir uns von dem eingeschlagenen Weg abbringen lassen", mahnt Sammer.

Thomas Müller gab nach dem Hoffenheim-Spiel eine erste mentale Barriere zu. "Wir wollen die Serie halten, keine schlechte Phase aufkommen lassen. Wir wissen um unseren großen Vorsprung, da ist es für den Kopf nicht so einfach", sagte Müller.

Die Spieler scheinen die Bedrohung rechtzeitig erkannt zu haben. Arjen Robben, der in Hoffenheim wegen einer Muskelverhärtung fehlte, fordert: "Unser Kopf muss erst an Düsseldorf, dann an Arsenal und dann an Wolfsburg denken. Nichts anderes. Wir müssen weitermachen und nicht anfangen zu träumen. Titel gibt es erst im Mai - und nicht jetzt."

Ein heftiger April wartet

Robben selbst hat sich mit zuletzt guten Leistungen wieder rangespielt an die erste Elf. Er gehört zu den Spielern, die die nächsten vier Wochen nutzen können, um sich nachhaltig für den entscheidenden Monat April zu empfehlen.

Zwischen 2. April und 1. Mai werden alle Viertel- und Halbfinalspiele der Champions League ausgetragen, dazu spielen die Bayern am 16. oder 17. April um den Einzug ins DFB-Pokalfinale. Macht bei optimalem Verlauf neun Spiele innerhalb von 30 Tagen, inklusive fünf K.o.-Spielen.

Für den heftigen Saisonendspurt braucht Heynckes alle Spieler, das hat der Trainer immer wieder betont. Er unterteilt seine Mannschaft nicht in eine A- oder B-Elf.

Die Schlüsselpositionen sind aber unverkennbar vergeben. Ribery, Kroos und Müller stehen vor Robben, Gomez muss sich hinter Mandzukic einreihen und Boateng hinter van Buyten.

Robben und Gomez gefangen in den B-Spielen

Gomez und Robben sind "gefangen in den B-Spielen", schrieb die "Süddeutsche Zeitung". Heynckes betonte nach dem Hoffenheim-Spiel, dass er seinem Bank-Personal nicht Spielpraxis einräume, um sie für ihre Contenance zu belohnen, sondern für ihre guten Trainingsleistungen.

Robben erzielte das Siegtor gegen Dortmund, Gomez in Hoffenheim. Anders als in der letzten Saison haben die Bayern deutlich mehr Qualität in der Hinterhand. Ein zusätzlicher Trumpf im Titelrennen.

Die Bayern sind auf dem besten Weg, eine große Mannschaft zu werden. Dafür, so Rummenigge, bedarf es aber auch "großen Titeln. Erst dann kann man von einer großen Mannschaft sprechen."

Da kann selbst Matthias Sammer nicht widersprechen.

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