Und Felix Magath puzzelt

Von Liane Killmann
Nach dem Fehlstart: Lange Gesichter beim VfL Wolfsburg
© Getty

Fünf Punkte, erst zwei Tore und schon sieben Gegentreffer: Der VfL Wolfsburg steckt nach dem 6. Spieltag tief in der Krise. Statt des avisierten Platzes im oberen Tabellendrittel rangiert der 8. der Vorsaison nur auf dem Relegationsplatz. Trainer Felix Magath wähnt sich trotz der Talfahrt fest im Sattel. Dabei scheinen einige der Probleme hausgemacht.

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Die Startelf des VfL Wolfsburg sorgt Woche für Woche für ein großes Rätselraten bei Fans wie Experten. Und bei der Mannschaft selbst. Unvorhersehbar puzzelt Trainer Felix Magath seinen 34-Mann-Kader zu immer neuen Formationen zusammen. In der Vorsaison hatte der 59-Jährige mit 36 eingesetzten Spielern einen neuen Bundesliga-Rekord aufgestellt - in nur 20 Spieltagen.

Mit 21 Spielern, die Magath seit Saisonstart in sechs Partien aufs Feld schickte, thront er schon wieder unangefochten an der Spitze der Liga. Der magere Ertrag für den VfL bislang: 5 Punkte und 2:10 Tore, auch dank eines mehr als glücklichen Auftaktsiegs über den VfB Stuttgart.

Nicht auszudenken, wenn die Gegner danach nicht Fürth, Augsburg oder Mainz geheißen hätten. Gegen Hannover und den FC Bayern waren die Wölfe jedenfalls ohne Chance.

Magath wähnt sich trotz des Fehlstarts aber fest im Sattel. Fragen nach seinem Trainerstuhl bügelte er nach dem 0:2 gegen Mainz ab.

Die Viererkette steht (noch?)

Magaths Suche nach der Stammelf wirkt zunehmend ratlos. Noch immer hat die Gleichung, die der Trainer zu lösen versucht, zu viele Unbekannte. Lediglich in der Viererkette verzichtete Magath bisher auf Experimente. Dabei spielten Fagner, Naldo, Emmanuel Pogatetz und Ricardo Rodriguez mitnichten fehlerfrei.

Beim 0:2 gegen Mainz überzeugte Rechtsverteidiger Fagner zwar mit dem Liga-Bestwert von 104 Ballkontakten, ihm unterliefen aber auch 18 Fehlpässe. Naldo kam vor dem 0:1 im Kopfballduell mit dem Torschützen Junior Diaz zu spät, Ricardo Rodriguez ließ Adam Szalai entwischen, ehe dieser zum Endstand einschob.

Rodriguez hatte in der Rückrunde Marcel Schäfer von der Linksverteidiger-Position verdrängt. Der langjährige Kapitän sitzt dem Schweizer nun aber wieder im Nacken.

Magaths Wechselspiel: Trial and Error?

Im defensiven Mittelfeld trieb Magaths Wechselspiel bemerkenswerte Blüten. Schien Marcel Schäfer zu Saisonstart an der Seite von Robin Knoche bzw. Josue gesetzt, griff der Trainer nach dem peinlichen 0:4 zu Hause gegen Hannover durch. Gegen Augsburg und Fürth begannen daraufhin die zuvor in die 2. Mannschaft abgeschobenen Simon Kjaer und Thomas Kahlenberg.

In München spielte mit Knoche und Josue dann erstmals ein Pärchen auf der Doppelsechs durch. Gegen Mainz begannen Josue und Kahlenberg, ehe Magath den Dänen zugunsten der Raute rausnahm.

Ex-Kapitän Christian Träsch - nominell ein defensiver Mittelfeldspieler oder Rechtsverteidiger - spielte bei all dem Trial and Error auf der Sechserposition erst gar keine Rolle. Gegen Mainz kam er immerhin zu seinem Startelfdebüt: Im rechten, offensiven Mittelfeld.

Rückendeckung sieht anders aus

Fest steht: Wolfsburg fehlt die Stabilität. Dennoch setzt der Trainer auf der Schlüsselstelle defensives Mittelfeld nicht auf Konstanz, ein Fehler kann für jeden sofort die Bank bedeuten. Das sorgt natürlich nicht für wachsende Selbstsicherheit bei Magaths Schützlingen. Rückendeckung sieht anders aus.

Gewohnt introvertiert fällt Magath seine Entscheidungen, mit Sicherheit spielen Vor- und Trainingsleistungen dabei die größte Rolle. Weil der Trainer aber der Öffentlichkeit derartige Erläuterungen normalerweise verweigert - böse Zungen behaupten, er erkläre sich auch den Spielern nicht - wirken seine Entscheidungen zuweilen ungeduldig oder gar willkürlich.

Ungewöhnliche Trainingsmethoden

Kritik, so scheint es, perlt an Magath ab. Stattdessen pflegt er seinen Ruf als Trainer mit ungewöhnlichen Methoden. Einem Bericht der "Sport-Bild" zufolge entleerte er nach der 0:3-Pleite in München während eines 14-km-Waldlaufs die Wasserflaschen seiner Spieler bis auf einen Rest.

Bei dieser "pädagogischen Maßnahme für den Mannschaftssinn" sollten die Profis "lernen zu teilen". Auslöser war die Szene in der Allianz Arena, als sich keiner der Mitspieler um den angeschlagenen Torwart Diego Benaglio gekümmert habe.

Fehlender Teamgeist. Dieses Problem hatte Magath bereits nach der blamablen 0:4-Pleite angeprangert. Insbesondere die Brasilianer Diego und Naldo (bereits während ihrer Zeit in Bremen Nachbarn) würden gemeinsam mit den Landsmännern Josue und Fagner eine Fraktion bilden. "Ein Brasilianer spielt wohl lieber einen Brasilianer an", konstatierte Magath. "Das mag menschlich verständlich sein. Aber es führt zu Spielverlusten."

Größtes Manko: Tore

Obwohl dem VfL das Abspulen von Automatismen bei den ständigen Umbesetzungen sichtlich schwer fällt, zeigte sich die Mannschaft gegen Mainz spielerisch verbessert. Aufwand und Engagement konnte man den Wölfen nicht absprechen.

Torgefahr suchte man aber erneut vergebens. "Was wir natürlich verbessern müssen, ist der Abschluss. Wir sind vor dem Tor nicht gefährlich genug", konstatierte Magath. Ob das auf mangelnde Qualität zurückzuführen oder eine Konsequenz aus den vielen Wechseln ist, ist schwer zu beurteilen.

Diego noch ohne Scorerpunkt

Spielmacher Diego wäre einer, der den Unterschied machen könnte. Der Brasilianer kam in dem schwächelnden Team ganz ordentlich in die Saison.

Zu Beginn schien es, als könnten Diegos Mitspieler mit den Ideen ihres durchaus engagierten Zehners nichts anfangen. Jedenfalls reagierten sie in der Mehrzahl dieser viel versprechenden Situationen hoch überrascht. Ein hausgemachtes Problem, hatte Diego es doch jedes Mal mit neuen Partnern zu tun.

Inzwischen wirkt auch der Topverdiener verunsichert. Kein Tor, keine Vorlage, so die verheerende Bilanz nach sechs Spielen. "Das ist nicht normal für mich", bilanziert Diego ratlos. Bei Atletico hatte er in Liga und Europa League trotz Verletzungspausen sechs Tore erzielt und zahlreiche aufgelegt. Allein in den letzten vier Spielen bis zum EL-Sieg lieferte der 27-Jährige sechs Assists.

Magath zweifelt offenbar nicht an der einzigen Offensivkraft, der er bislang stets vertraute. "Diego war auch unglücklich im Abschluss", so der Trainer, der optimistisch bleibt. "Das sind Dinge, die mit der Zeit kommen."

Hoffnung durch Vieirinha und einen Debütanten

Als Lichtblick erwies sich gegen Mainz Offensiv-Allrounder Vieirinha, der diesmal im linken Mittelfeld startete. Der Portugiese kurbelte unermüdlich das Angriffsspiel an und gab fünf Schüsse aufs Tor ab. Damit rangierte er am Spieltag gleichauf mit Schalkes Mittelstürmer Klaas-Jan Huntelaar an der Spitze der Liga.

Auf der rechten Außenbahn feierte nach der Pause Ferhan Hasani ein bemerkenswertes Debüt. Der Mazedonier benötigte nur 5 Bundesliga-Minuten, ehe er an der Mittellinie zu einem sehenswerten Solo ansetzte, drei Mainzer stehen ließ und bis in den Strafraum vordrang. Hasani band den Torschützen Junior Diaz und später Radoslav Zabavnik in der Defensive.

Möglich, dass mit Vieirinha und Hasani damit schon jetzt zwei Starter für die Herkulesaufgabe auf Schalke feststehen.

Stürmer enttäuschen durch die Bank

Was bleibt, ist die Ladehemmung. Gegen Mainz brachte es Wolfsburg auf stolze 19 Torschüsse, 13 davon wurden aus dem Strafraum abgegeben. 31 Flanken segelten vor den Kasten von Christian Wetklo, überwunden wurde der Keeper nicht. "Das habe ich so noch nicht erlebt. Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns vor dem Tor so schwertun", so Magath über das Nerveln seiner Offensiven vor dem Kasten.

Begonnen hatte Magath diesmal mit Ivica Olic als einziger Spitze. Der Kroate rackerte unermüdlich, blieb bei seinen drei klasse Chancen aber glücklos. Zur Pause stellte der Coach mit der Hereinnahme von Bas Dost auf zwei Spitzen mit der Raute dahinter um. Doch Dost blieb ein Fremdkörper.

Der Niederländer kam mit der Empfehlung von 32 Toren in 34 Spielen für knapp 9 Millionen Euro vom SC Heerenveen. Doch der 23-Jährige tut sich nach wie vor schwer mit dem Tempo der Liga und hat Probleme, sich gegen die Härte der Verteidiger zu behaupten.

Magath: "Ein Kopfproblem"

Srdjan Lakic, in München nicht mal im Kader, saß gegen Tuchels Elf immerhin wieder auf der Bank. Eine echte Alternative scheint Magath in dem einstigen Lauterer Knipser nicht zu sehen.

Die Ausfälle von Patrick Helmes und Vaclav Pilar - beide erlitten unmittelbar vor Saisonstart einen Kreuzbandriss - lässt Magath als Entschuldigung für mangelnde Torgefahr nicht gelten.

"Klar, es fehlen uns zwei Stürmer. Aber dass wir nicht treffen ist nichts anderes als ein Kopfproblem. Denn die Mannschaft ist in Ordnung, das zeigt sie bei der Trainingsarbeit."

Tortraining und das Prinzip Hoffnung

Vor dem schweren Auswärtsspiel bei seinem Ex-Klub Schalke 04, setzt Magath auf intensives Tortraining. Und bemüht das Prinzip Hoffnung: "Wir sind gegen Mainz anders aufgetreten als gegen Hannover oder gegen Fürth. In dieser Art und Weise kann man auch auf Schalke seine Tore machen."

Nicht unwahrscheinlich, dass diese Aufgabe am 7. Spieltag auf die 7. VfL-Startelf zukommt. Profis wie Fans hoffen, dass Magaths Gleichung dann aber schon mit weniger Unbekannten auskommt.

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