Der Anti-Anti-Abramowitsch

Von Haruka Gruber
Dietmar Hopp hat mittlerweile über 200 Millionen Euro in 1899 Hoffenheim investiert
© Getty

1899-Gönner Dietmar Hopp hasst den Vergleich mit Chelsea-Besitzer Roman Abramowitsch, doch mit dem Rangnick-Schmierentheater erfüllt er - ungewollt oder nicht - jedes Klischee über die gefährliche Macht von Investoren. Jetzt ist die DFL gefordert. Die SPOX-Meinung von Haruka Gruber.

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Wer verstehen will, warum einer der reichsten Männer des Landes so oft über Wertsteigerung und wirtschaftliche Rentabilität spricht, wenn er nach seinem Lieblingshobby befragt wird, muss in seine Vergangenheit zurückblicken.

Weit zurück, in Zeiten des Nachkriegs-Deutschlands, als der kleine Dietmar Hopp Kohle austrug sowie Alteisen und Weinbergschnecken sammelte, um mit dem Erlös zum Familienunterhalt beizutragen. Als er Abend für Abend beobachtete, wie seine Mutter in der Küche saß und jeden Einkauf penibel notierte. "Wenn das nicht pfenniggenau stimmte, war ihre Laune getrübt", erinnert sich Hopp, der es mit der Gründung des Software-Riesen "SAP" zu einem Milliarden-Vermögen brachte.

Entsprechend klang auch etwas von der pflichtbewussten Mutter durch, als Hopp in einer Pressemitteilung die Beweggründe bekannt gab, warum der von ihm unterstützte Bundesligist Hoffenheim und Trainer Ralf Rangnick in Zukunft getrennte Wege gehen.

Neben den üblichen warmen Worten betonte Hopp, dass man sich an "wirtschaftlichen Rahmenbedingungen" orientieren müsse und Rangnick in Dimensionen denken würde, die "in Hoffenheim an Grenzen" stoßen.

Hopp sorgt für Novum

Ein im Grunde wenig aufregender Sachverhalt: Ein Klub und dessen Geldgeber haben eine andere Vorstellung über die Zukunftsgestaltung als der Trainer, weswegen man sich nach viereinhalb intensiven Jahren auf eine Vertragsauflösung einigt.

Doch die Art und Weise, wie Hopp sich in den letzten Tagen medial als Alleinherrscher positionierte, Rangnick in den Rücken fiel und ihn quasi zur Aufgabe zwang, ist einzigartig. Denn wohl noch nie hat ein Investor eines derart wichtigen Fußball-Klubs wie Hoffenheim so offensichtlich Einfluss auf das operative Geschäft genommen und damit bestehende DFL-Regelungen verletzt.

Dass Hopp seine Worte an Rangnick aus seinem fernen Urlaubsdomizil in Florida diktierte und bei der Abschlusskonferenz zu dessen Verabschiedung nicht anwesend war, weil er am 6. Januar eine wichtige Rede in Übersee zu halten habe, sorgte für zusätzliche Verwunderung.

Jedes Klischee erfüllt

Rangnick hingegen stellte sich der Öffentlichkeit und sprach ruhig über die Vorkommnisse der letzten Zeit. Der Mann, der je nach Laune so barsch zu Mitarbeitern und Journalisten sein kann, sammelte Sympathien, weil er trotz all der Demütigung Präsenz zeigte und auf Schuldzuweisungen verzichtete.

Hopp, der als einer der größten Wohltäter Deutschlands gilt, erfüllte hingegen mit seiner Nichtanwesenheit und dem unpersönlichen Mail-Statement jedes Klischee, das ihm sonst nur die fundamentalsten Traditions-Verfechter unter den Bundesliga-Fans vorwerfen: Hopp ist der Roman Abramowitsch der Bundesliga. Hopp verkörpert all das Schlechte am Fußball-Kapitalismus. Hopp hat sich einen Klub nach Gutdünken gekauft, ihn künstlich aufgepäppelt und betrachtet ihn jetzt als sein Spielzeug.

Lieber Gönner als Mäzen

Es gibt wohl nichts, was Hopp mehr missfällt als die Gleichsetzung mit Abramowitsch, jenem russischen Oligarchen, der den FC Chelsea übernahm. Deswegen mag er es auch nicht, wenn von ihm als Investor oder Mäzen gesprochen wird. Vielmehr sei er ein Gönner des Vereins. Mäzentum klingt nach Dekadenz und Luxus, Gönnertum hat etwas Sympathisches, Selbstloses.

In den 90er Jahren spendete Hopp die Hälfte seines Vermögens, er unterstützt Kliniken und Schulen, er leitet sein Vermögen nicht ins Ausland um, weil er aus Gemeinschaftssinn die Steuern in Deutschland zahlen möchte. Und: Er unterstützt den Sport rund um Heidelberg und Mannheim, weil er seiner Heimatregion etwas zurückgeben möchte. Die Adler Mannheim, die Rhein-Neckar-Löwen, und natürlich sein liebstes Projekt, 1899 Hoffenheim.

"Er ist ein guter Mensch und der perfekte Mäzen", schrieb der "Tagesspiegel" vor drei  Jahren. Der Titel der Story: "Der Anti-Abramowitsch aus dem Kraichgau."

Hopp anfangs so ungeduldig wie Rangnick

Doch bei all den Lobesarien darf eines nicht vergessen werden: Auch wenn Hopp den Vergleich mit Abramowitsch ablehnt, gewisse Parallelen sind vorhanden. Die Erfolgsfixiertheit etwa. Bevor Rangnick in Hoffenheim anfing, trennte er sich in kurzer Zeit gleich von zwei Trainern (Hansi Flick und Lorenz-Günther Köstner) und einem Manager (Karlheinz Förster), weil sie nicht schnell genug Erfolge vorweisen konnten.

Er wollte den Fußball so aufmischen, wie es ihm mit "SAP" in der Wirtschaft gelungen war.

Nur dank des von Rangnick ermöglichten Durchmarschs in die Bundesliga war Hopps Erfolgshunger gestillt und er konnte eine neue Rolle finden: Als jovialer Fußball-Unterstützer, der zu Unrecht von einigen Fans alteingesessener Konkurrenten über Gebühr beleidigt wird.

Alles nur Verschwörungstheorien?

Die Umstände des Transfers von Luiz Gustavo werfen jedoch ein anderes Licht auf ihn. Dass er ohne das Wissen des Trainers mit den Bayern verhandelte, war alleine schon ein Affront.

Dass das Treffen aber ausgerechnet von der größten deutschen Tageszeitung beobachtet wurde, und Hopp in den Tagen zuvor und danach jenem Blatt auffällig viele Interviews gab, lässt zumindest den Verdacht zu, dass all die Vorkommnisse vielleicht doch kein böser Zufall waren, sondern Informationen womöglich gezielt lanciert wurden, um Rangnick bloßzustellen und den manchmal unbequemen Trainer zur Trennung zu bewegen.

Es wirkt beinahe skurril, wie Rangnick am Neujahrestag von David Alabas Berater angerufen wurde, der ihn als Erster davon unterrichtete, dass Gustavo nach München wechselt und sein Klient von Hoffenheim im Gegenzug ausgeliehen wird. "Ich habe geschluckt, ich war nicht eingeweiht", sagte Rangnick.

Ein Alleinherrscher mit 49 Prozent

Im Gegensatz zu Abramowitsch gibt Hopp nicht unsinnig Millionen aus, nur um sich mit einem prominenten Spieler zu schmücken. Im Gegenteil: Anders als noch vor wenigen Jahren möchte Hopp nicht mehr Erfolg um fast jeden Preis, vielmehr will er aus Hoffenheim einen selbsttragenden, autarken Fußball-Verein formen, was mit dem zu ausgabefreudigen Rangnick vermutlich nicht möglich gewesen wäre.

Am Ziel an sich ist nichts auszusetzen. Aber die Art und Weise, wie er dies zu erreichen gedenkt, erinnert an Abramowitsch.

Obwohl Hopp gemäß der 50+1-Regelung formal nur 49 Prozent der Hoffenheimer Spielbetriebs GmbH hält und keine offizielle Funktion in der sportlichen Führung innehat, bestimmt er maßgeblich die Transferpolitik.

Sein in der Öffentlichkeit wenig beachtetes Machtwort vor der Saison, dass sein persönlicher Favorit Christian Eichner unter keinen Umständen abgegeben werden dürfte, obwohl dieser sportlich entbehrlich war und kürzlich auf eigenen Wunsch hin an Köln abgegeben wurde, passt zum Bild des Alleinherrschers.

Wird Hopp ein Präzedenzfall

Genau vor diesem Szenario warnen seit einiger Zeit Hopp-Kritiker wie etwa Hans-Joachim Watzke.

Dortmunds Geschäftsführer sagte bereits vor sechs Monaten: "Wir müssen uns davor schützen, dass bald jeder Investor Einfluss auf das operative Geschäft nehmen will. Die DFL muss sich das genau ansehen und prüfen. Da werden Türen aufgemacht, die wir nicht mehr schließen können."

Oder anders formuliert: Wenn die DFL nichts gegen Hoffenheim unternimmt, schafft sie einen Präzedenzfall - und Hopp öffnet für Geschäftsmänner wie Abramowitsch die Tür in die Bundesliga.

Hoffenheim nach Rangnick und Gustavo: 5 Fragen zum großen Knall

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