Von der Hand in den Mund

Von Stefan Rommel
Neues Stuttgarter Triumvirat: Fredi Bobic, Bruno Labbadia und Erwin Staudt (v.l.)
© Getty

Der VfB Stuttgart hat mal wieder den Weg des geringsten Widerstands gewählt und seinen Trainer entlassen. Damit sollen einmal mehr wirklich dringliche Probleme auf einfache Art gelöst werden. Der Weg für notwendige Konzepte scheint schon wieder verbaut.

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Der VfB Stuttgart hatte wieder seinen Sündenbock, also machte es Erwin Staudt kurz. "Wir stecken in der schwierigsten Phase seit Jahren und müssen etwas ändern. Das können wir jetzt nicht halb machen", befand der Präsident.

Dabei übersah er allerdings, dass es der VfB bereits 59 Tage zuvor längst "halb" gemacht hatte - mit der Inthronisierung des Trainer-Novizen Jens Keller. Jetzt ist Keller schon wieder weg und Bruno Labbadia da. Es wird also wieder einmal schnell umgeschwenkt. Die Reaktionen der mySPOX-User

Nur wird spätestens mit diesem erneuten Eingestehen einer Fehlbesetzung das größte von vielen Problemen beim VfB einmal mehr deutlich sichtbar: Die Verantwortlichen flickschustern auf der Trainerposition seit Jahren, sie reagieren in panischen Zügen.

So werden Probleme notdürftig zugeschüttet, statt mit einem weitsichtigen Konzept und den entsprechenden Personen auf und außerhalb des Platzes eine einheitliche Linie zu verfolgen. Der Klub lebt von der Hand in den Mund, von mehr oder weniger notwendigen Ad-hoc-Handlungen. Als würde man ein Pflaster über eine tiefe Fleischwunde kleben.

Aber er lebt schon lange nicht mehr von einer lebendigen Vision.

Vor drei Jahren war der VfB noch Meister, mit einer hoffnungsvollen Mannschaft gespickt mit jungen Talenten und einer famosen Geschlossenheit. Finanziell und sportlich schienen die Weichen gestellt. Heute ist kaum Geld da, die Mannschaft gleicht einem zufällig zusammengewürfelten Haufen und ist nicht umsonst Vorletzter.

Seit dem Weggang von Felix Magath vor sechs Jahren verdingt sich Stuttgart in der zweifelhaften Kunst des Trainerverschleißens, sieben kamen und gingen seitdem. Die Verantwortlichen dafür sitzen aber noch heute in den Gremien.

Die aktuelle Mannschaft besteht aus Wunschspielern der Trainer Veh, Babbel und Gross, im Winter kommen Labbadias Zugänge dazu. Sie besteht deshalb aus diesen Spielern, weil die jeweiligen Trainer immer wieder entlassen wurden.

Tabellenführer Dortmund mischt die Liga derzeit mit einer Stammelf auf, die bis auf zwei Ausnahmen komplett von Jürgen Klopp zusammengestellt wurde. Das ist gelebte Kontinuität.

Die Wahl Labbadias bringt überdies die Gefahr mit sich, den zweiten vor dem ersten Schritt machen zu wollen. Labbadia ist nicht nur als Feuerwehrmann geholt worden, sondern um im Erfolgsfall, also bei Klassenerhalt, dann den Neuanfang zu konzipieren.

Der 1. FC Nürnberg hatte vor knapp drei Jahren eine ähnlich kühne Idee. Eine personell überdurchschnittliche Mannschaft sollte Thomas von Heesen erst im Handstreich retten und dann über Jahre wieder auf Kurs bringen. Am Ende stieg der Club ab.

Labbadia ist kein ausgewiesener Retter und hat bei keinem seiner bisherigen Vereine nachhaltigen Erfolg oder Strukturen geschaffen. Ein Vertrag über zweieinhalb Jahre erscheint sehr lang - zumal sich seit Magath bis auf Veh kein Trainer mehr auch nur annähernd zwei Jahre in Stuttgart gehalten hat.

Im doppelten Sinn gehen die Verantwortlichen jetzt damit ein Risiko ein. Kontinuität ist überall ein gern gesehener Gast. In Stuttgart fliegen dafür aber zum richtigen Zeitpunkt immer wieder alle Türen zu.

Es bleibt eine Frage: Wann hinterfragt sich der Vorstand selbstkritisch? Eine Antwort steht bislang aus.

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