Louis van Gaal: "Ich bin der Beste"

Von Haruka Gruber
Van Gaal: die neben Jose Mourinho polarisierendste Trainerpersönlichkeit im internationalen Fußball
© Getty

Er ist arrogant, widerborstig und umstritten. Außer Jose Mourinho polarisiert kein Trainer so sehr wie Louis van Gaal - dennoch soll er der Nummer-1-Kandidat des FC Bayern sein. Wie tickt der Meistermacher aus Alkmaar?

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Die Gattin sprach, und Louis van Gaal gehorchte. Weil sie so gerne ausgiebig shoppen geht, solle er doch nach Spanien oder Italien wechseln, riet Truus damals ihrem Ehemann. "Dort wird viel besser bezahlt."

Und so verließ Louis van Gaal im Sommer 1997 das beschauliche Amsterdam und wechselte mit Truus, je einem Champions-League- sowie UEFA-Cup-Sieg und drei Meisterschaften im Gepäck zum FC Barcelona.  

Truus ging auf die Ramblas einkaufen und vergrößerte ihre Mantel-Sammlung, Louis wiederum mit zwei Meistertiteln und dem spanischen Pokal seine Kollektion an sportlichen Meriten. Van Gaal schien auf dem Weg vom Toptrainer zur Trainerlegende - in seiner dritten und schlussendlich letzten Saison bei Barca jedoch begann ein langer Abstieg, vom dem er sich erst in diesem Sommer endgültig erholt hat.

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"Ich habe viele Angebote"

Trotz einiger Rückschläge in den vergangenen neun Jahren und einem angeknacksten Image hat der FC Bayern aber offenbar ausreichend Vertrauen in van Gaal, um ihn zum Wunschkandidaten für die Nachfolge des entlassenen Trainers Jürgen Klinsmann zu erklären. Eine Unterschrift stehe kurz bevor, berichtet die "Süddeutsche Zeitung", was die Bayern aber umgehend dementierten.

"Bayern hat sich früher ein paar Mal gemeldet, da habe ich Nein gesagt. Jetzt würde ich Ja sagen", sagte van Gaal am Sonntag. Am Montag hingegen beließ er es in der "Bild" bei einem: "Ich habe viele Angebote und werde mich demnächst entscheiden."

Van Gaal spricht offen darüber, dass es ihn wieder zu einem großen Klub zieht. Nachdem er in Barcelona gegangen wurde, mit den Niederlanden als Nationaltrainer 2002 sogar die WM-Qualifikation verpatzte und seine Comebacks in Barcelona und bei Ajax als Sportdirektor Reinfälle waren, gelang ihm in der Provinz bei AZ Alkmaar mit dem überzeugenden wie überraschenden Meistertitel in dieser Saison als Höhepunkt die Trendwende.

"Ich bin der Beste", sagte van Gaal daraufhin - was ziemlich gut beschreiben dürfte, wie die neben Jose Mourinho vielleicht polarisierendste Trainerpersönlichkeit im internationalen Fußball tickt.

Streit mit van Basten

Van Gaals Qualitäten als Fußballlehrer sind unbestritten. Mehr noch: Er gilt als Genie. Einer der besten, wenn es um Taktik, Spielphilosophie und Talentförderung geht. Der 57-Jährige passt demnach ins Anforderungsprofil der Bayern. Er ist erfahren, hat Erfolge vorzuweisen und spricht zudem fließend Deutsch.

Van Gaal ist sich seiner Klasse bewusst - und lässt es Journalisten, Fans, Spieler und sogar Trainerkollegen spüren. Für viele ist van Gaal die unbeliebteste Person im niederländischen Fußball.

Im Winter 2006 etwa war der damalige Nationaltrainer Marco van Basten derart von van Gaals Besserwisserei genervt, dass er ihn als "den schlechtesten Bondscoach der letzten zwanzig Jahre" bezeichnete. Immerhin wäre es allen anderen gelungen, sich für die WM oder EM zu qualifizieren. Der nationale Trainerverband und Kollegen wie Frank Rijkaard und Ronald Koeman unterstützten van Basten, woraufhin van Gaal verärgert aus dem Trainerverband austrat.

Legendär auch sein trotzig-kindischer Satz bei der Abschiedsrede in Barcelona, wo er im dritten Jahr trotz Platz zwei und des  Erreichens des Champions-League-Halbfinals gehen musste: "Ich habe in sechs Jahren bei Ajax mehr geschafft als der FC Barcelona in hundert."

"Bin ich so schlau, oder sind Sie so dumm?"

Ein besonders angespanntes Verhältnis unterhält van Gaal von jeher zu den Journalisten, was für eine Medienstadt wie München von Relevanz sein dürfte. Journalisten tritt er mit einer Grundskepsis gegenüber. Die meisten seien seiner Aufmerksamkeit nicht würdig, da sie schlicht einfältig und unqualifiziert sind. "Bin ich so schlau, oder sind Sie so dumm?", fragte van Gaal einst einen niederländischen Reporter.

Bei seiner Abschlusspressekonferenz als Bondscoach befahl er einem Fotografen: "Nimm verdammt noch mal keine Fotos von mir, wenn ich meine Nase berühre. Du machst das immer, nur um in der Zeitung ein Foto zu drucken, wie ich meine Nase berühre." Erst vor einigen Wochen, nach einer Niederlage gegen Arnheim, schlug der sichtlich angespannte van Gaal auf die TV-Kamera eines Reporters, weil dieser ihn gefilmt hatte (im Video).

Minderwertigkeitskomplex wegen Cruyff?

So herablassend und hochnäsig, wie er sich gegenüber der Öffentlichkeit gibt, so sehr braucht er aber gleichzeitig die Bestätigung von außen. Nach seinem Rücktritt aus der Nationalmannschaft 2002 hielt er im Fernsehen eine 60-minütige Rede, in der er der Bevölkerung näher bringen wollte, warum die Niederlande die WM-Qualifikation verpasste.

Seit dem Titelgewinn mit AZ hingegen genießt van Gaal sein wieder gewonnenes Renommee und plaudert offenherzig darüber, wie viele Vereine doch an ihm interessiert seien. Neben den Bayern die belgische Nationalmannschaft, Sunderland, Galatasaray oder Fenerbahce.

Dieses ambivalente Verhalten in der Öffentlichkeit war in der Vergangenheit Thema für etliche (pseudo)psychologische Abhandlungen. Die populärste These: Van Gaal hat schlicht und ergreifend einen Minderwertigkeitskomplex. Einerseits sei er schon immer sehr ambitioniert gewesen und hätte nach Würdigung gelechzt. Andererseits habe er es jedoch nie überwunden, dass er 1991 gleich in seiner ersten richtigen Saison bei Ajax als Cheftrainer von den Medien kritisiert wurde, die eine Ablösung durch Johan Cruyff forderten.

Ausgerechnet Cruyff. Als Spieler versauerte van Gaal bei Ajax auf der Bank und verließ den Verein frustriert, da er auf der gleichen Position spielte wie Cruyff. Als Trainer steht van Gaal trotz aller Triumphe nach wie vor im Schatten seines Intimfeindes, der während van Gaals Zeit in Barcelona immer wieder Stimmung gegen ihn machte.

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Bayern brauchen keinen Clooney

"Es ist manchmal schwierig mit mir, aber ich nehme für mich in Anspruch, stets ehrlich zu sein", sagt van Gaal. Immerhin: Seine widerborstige, teilweise befremdliche Art scheint für die Bayern kein Ausschlusskriterium zu sein. Der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge bekräftigte: "Wir suchen keinen Sympathieträger, der bei der Presse gut ankommt. Wir müssen jetzt nicht Everybody's Darling einkaufen, dann hätten wir George Clooney verpflichten müssen."

Vielmehr sei die fußballerische Qualifikation entscheidend - und die erfüllt van Gaal im Gegensatz zum dauergrinsenden Sunny Boy Klinsmann zweifellos. Bei Ajax gelang ihm 1995 sein Meisterstück, indem er mit einer Ansammlung von 18- bis 22-Jährigen die Champions League gewann und eine komplette Generation an niederländischen Spitzenfußballern formte, ob sie nun Patrick Kluivert, Clarence Seedorf oder Marc Overmars hießen.

Van Gaals neue Religion

Nach Misserfolgen am Ende in Barcelona und mit der Nationalelf unkte die "Times" 2002 zwar, dass "van Gaal den Anschluss zum modernen Fußball verpasst hat".

Doch in Alkmaar bewies er das Gegenteil und erfand sich als Trainer neu, zum Beispiel, indem er vom 4-3-3-Dogma abkehrte und auf ein flexibles 4-4-2 umstellte.

Der "Guardian" jubelt: "Van Gaal hat seine alte Religion aufgegeben und eine neue gegründet. Er hat den Total Football revolutioniert und in die Moderne übertragen. Nennen wir es Total Football 2.0." Ein Upgrade, das auch die Bayern nötig hätten.

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