Alonso: "Vettel wird ganz sicher Weltmeister"

Von Harry Miltner / Alexander Mey
Fernando Alonso und Sebastian Vettel trennen in der Fahrer-WM zehn Punkte
© xpb

Fernando Alonso ist nach seinem zweiten Sieg in Folge ein heißer Tipp auf den WM-Titel. In seinem ersten Jahr bei Ferrari winkt dem Spanier gleich der Legenden-Status bei der Scuderia. SPOX hat ihn in Singapur getroffen und nach der besonderen Aura von Ferrari gefragt. Außerdem ging es um Alonsos WM-Tipp, seinen Konkurrenten Sebastian Vettel, das Comeback von Michael Schumacher und Radfahren mit Alberto Contador.

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SPOX: Zwei Siege in Folge, Sie sind der Mann der Stunde im Titelkampf. Werden Sie nun auch Weltmeister?

Fernando Alonso: Der Fahrer, der in allen verbleibenden Rennen auf dem Podium steht, hat die größten Chancen. Bisher war kein Titelkandidat konstant genug, um sich abzusetzen. Man muss nicht gewinnen, es reichen jetzt auch vier dritte Plätze. Aber ganz ehrlich, setzen Sie Ihr Geld auf mich! (lacht)

SPOX: Dafür brauchen wir aber noch ein paar zusätzliche Informationen. Sie kämpfen zum vierten Mal um den WM-Titel. Zweimal haben Sie gewonnen, einmal verloren. Macht Sie Ihre Erfahrung zum Favoriten?

Alonso: Es gibt keinen Favoriten. Ich liege immer noch einige Punkte hinter Mark Webber, aber unser Auto funktioniert immer besser. Was Du tun musst, ist, das Auto ständig weiterentwickeln, Dich fokussieren und keine Fehler machen. Ankommen ist das Wichtigste. Und dann brauchst Du einfach noch das nötige Glück.

SPOX: Was kann ein Fahrer in diesen Phasen beitragen? Oder liegt letztlich doch alles am Auto?

Alonso: 70 Prozent liegen beim Auto und 30 beim Fahrer. Wären alle Autos gleich, dann wäre es wohl umgekehrt. Aber der Fahrer muss seine Fehlerquote reduzieren und gleichzeitig mit seinen Technikern den Wagen perfekt abstimmen. Im Endeffekt kommt es auf das Teamwork an. Auf der Strecke gibt ohnehin jeder 100 Prozent, 98 Prozent wären nicht genug.

SPOX: Sie haben viele Rekorde gebrochen, wie jüngster Rennsieger, jüngster Weltmeister, usw. Nun sind Sie der Erfahrene und kämpfen gegen Youngster Sebastian Vettel. Was halten Sie von ihm?

Alonso: In jedem Rennen beweist er, dass er einfach ein super Fahrer ist. Nicht umsonst ist er letztes Jahr Vize-Weltmeister geworden. Das wird man nicht, weil man nur Glück hat. Er hat eine große Zukunft vor sich und wird ganz sicher auch Weltmeister.

SPOX: In Singapur haben Sie ihn aber geschlagen. Ist es ein anderes Gefühl, für Ferrari Rennen zu gewinnen und um die Meisterschaft zu kämpfen?

Alonso: Nach meinen beiden Titeln habe ich zu meinem Vater gesagt: "So, nun bin ich am Ziel meiner Träume". Er sah mich an, schüttelte den Kopf und meinte: "Wenn Du für Ferrari gefahren bist und dort gewonnen hast, dann ist Dein Leben perfekt. Dann kannst Du aufhören." Und ich muss sagen, er hatte Recht. Ferrari vermittelt Dir ein ganz anderes Gefühl, Du bist Teil einer großen Familie.

SPOX: Jeder Pilot träumt davon, einmal bei den Roten zu fahren. Ist es so, wie Sie es sich vorgestellt haben?

Alonso: Nein, es ist noch besser. (lacht) Als ich 2001 bei Minardi fuhr, mussten meine Eltern die Rennen im deutschen Fernsehen anschauen, weil es in Spanien keine Live-Übertragungen gab. Seit ich bei Ferrari bin, hält mir nicht nur ganz Spanien die Daumen, sondern auch tausende Fans auf der ganzen Welt, von Brasilien bis Japan. Es ist einfach unglaublich bei Ferrari.

SPOX: Kann der "Traum Ferrari" manchmal nicht auch zum Albtraum werden, wie zum Beispiel in Hockenheim?

Alonso: Ferrari lebt von der Tradition und den Emotionen, aber natürlich ist auch der Druck enorm. Aber so ist das Geschäft und jeder hier in Maranello weiß das.

SPOX: Der Vorfall in Hockenheim, als Felipe Massa Sie kampflos hat passieren lassen, hat wieder die Stallorder-Diskussion losgetreten. Wie stehen Sie dazu?

Alonso: Hockenheim war ein wichtiger Sieg, aber er ist Vergangenheit. Die FIA hat eine Entscheidung getroffen, die wir akzeptieren. Sie hat aber auch angekündigt, die noch unklaren Regeln in dieser Sache präziser zu formulieren. Das freut mich, denn damit sollte die Sachlage dann völlig eindeutig sein.

SPOX: Jeder Ferrari-Star wird unweigerlich mit Michael Schumacher verglichen. Ein Problem für Sie?

Alonso: Nein. Die Regeln sind heute viel enger geworden, weswegen keines der Teams so überlegen sein kann, wie es damals Ferrari war. Daher wird sich niemand mehr so absetzen können und Schumachers Rekord auch unangetastet bleiben. Ich kenne ihn zu wenig, um Gemeinsamkeiten zu bestimmen, aber natürlich wollen wir beide das, was jeder hier will, gewinnen.

SPOX: Schumacher sagte man immer nach, die Macht an sich zu reißen und auch skrupellos zu sein. Manche sagen das auch über Sie.

Alonso: In den Medien liest man immer wieder viele Dinge über sich selbst, die nicht stimmen. Diese Leute urteilen oft von außen, aber so ist das Business. Jeder Spitzensportler muss auch auf sich schauen, denn im Endeffekt ist es ein Wettkampf Mann gegen Mann.

SPOX: Würden Sie also Ihren Teamkollegen Felipe Massa wieder knallhart in der Boxenzufahrt überholen, wie dieses Jahr beim China-GP?

Alonso: Ja, definitiv.

SPOX: Sie sagen, die Leute urteilen von außen falsch über Sie. Wie sind Sie wirklich?

Alonso: Ich bin sehr ruhig und gelassen, auch romantisch. Eigentlich bin ich ein ganz normaler Typ. Ein wenig schüchtern, aber wenn ich mich wohlfühle, dann kommt auch der Spanier in mir durch (lacht).

SPOX: Außerhalb von Deutschland und Italien wurde Schumacher respektiert, aber nie geliebt. Momentan haben Sie viele F-1-Fans in Deutschland gegen sich. Ist das das Schicksal der Champions?

Alonso: Der Underdog wird meistens geliebt, so lange bis er der neue Champion ist. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz im Sport. Aber jeder von uns hat seine Fans auf der ganzen Welt, zuhause natürlich am meisten. Das ist ganz normal.

SPOX: Sie haben einmal gesagt, Sie wollen Ihre Karriere bei Ferrari beenden. Schumacher sagte das auch, und nun ist er mit 41 wieder da. Wie beurteilen Sie sein Comeback?

Alonso: Ich war sehr überrascht, als ich von Michaels Rückkehr hörte. Er hätte sich daheim ausruhen können. Aber unser Rennfahrerleben ist so intensiv, dass es einem schwer fällt, ein normales Leben zu führen. Wenn Du die Möglichkeit bekommst, es noch einmal zu probieren, dann sagst Du nicht nein.

SPOX: Und wo werden Sie in zehn Jahren sein?

Alonso: Ich werde in zehn Jahren gemütlich auf dem Sofa sitzen.

SPOX: Schumacher sagt, wenn er einen Vorfall aus seiner Karriere streichen könnte, wäre es der Crash mit Villeneuve in Jerez 1997. Was würden Sie streichen?

Alonso: Nichts, zu einer Karriere gehören Höhen und Tiefen.

SPOX: Was war das beste Rennen Ihrer Karriere?

Alonso: Als ich drei Jahre alt war, fuhr ich mein erstes Rennen im Kart. Ich wurde überrundet und war Letzter, aber ich bekam trotzdem einen Pokal (lacht).

SPOX: Haben Sie schon Pläne für die Zeit nach der Formel 1? Was ist aus der Idee eines Radteams um Tour-de-France-Sieger Alberto Contador geworden?

Alonso: Ich liebe Radfahren. Ein Topteam zu gründen und damit die Tour de France gewinnen zu können, wäre eine tolle Sache, eine große Herausforderung. Aber natürlich ist das keine Aufgabe, die man in zehn Minuten erledigen kann. Man braucht gute Fahrer, gute Coaches, die nötige Ausrüstung und natürlich viele Sponsoren.

SPOX: Sie sind selbst ein guter Radfahrer. Sind Sie mal mit Contador gefahren?

Alonso: Alberto hat mich mehrmals eingeladen, mit ihm zu trainieren, aber ich habe immer geschaut, dass ich beschäftigt war (lacht). Ich habe mit Olympiasieger Samuel Sanchez, der auch aus meiner Heimatstadt Oviedo stammt, trainiert. Echt anstrengend.

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