„Es ist nur eine Frage der Gewöhnung“

Der 43-jährige Kanadier spricht im Exklusiv-Interview mit tennisnet.com über sein Leben als Doppelspieler und Regeländerungen im Tennissport.

von Christian Albrecht Barschel
zuletzt bearbeitet: 14.07.2016, 10:35 Uhr

NOTTINGHAM, ENGLAND - JUNE 25: Daniel Nestor of Canada attacks at the net during his men's doubles final match with Dominic Inglot of Great Britain playing against Marcelo Melo of Brazil and Ivan Dodig of Croatia during day six of the ATP Aegon Open...

Daniel Nestor ist eine wahre Doppel-Koryphäe. Im Alter von 43 Jahren spielt der Kanadier immer noch um die großen Titel mit. Derzeit belegt Nestor Platz 11 im ATP-Ranking. Zu Beginn des Jahres in Sydney feierte der Linkshänder einen Sieg für die Ewigkeit. Als erster Doppelspieler durchbrach er die Schallmauer von 1000 Siegen. Nestor hat eine goldene Karriere hingelegt und im Doppel alles abgeräumt. Derzeit stehen 89 Doppeltitel in seiner Erfolgsvita. Nestor gewann acht Grand-Slam-Turniere (viermal die French Open, zweimal Wimbledon, einmal die Australian Open und US Open) und führte die Weltrangliste für insgesamt 108 Wochen an.

Neben dem Karriere-Grand-Slam konnte er auch bei jedem ATP-Masters-1000-Turnier triumphieren - und schaffte damit ein sogenanntes Career Golden Masters. Zudem gewann er im Jahr 2000 bei den Olympischen Spielen in Sydney die Goldmedaille an der Seite von Sebastien Lareau. Im Mixed holte der Kanadier vier Grand-Slam-Titel (dreimal Australian Open, einmal Wimbledon). Im Exklusiv-Interview mit tennisnet.com spricht Nestor über sein Leben als Doppelspieler, Regeländerungen und seinen Wunsch-Doppelpartner.

Sie haben 1989 in Montreal Ihr erstes ATP-Turnier bestritten. 27 Jahre später sind Sie immer noch als Profi unterwegs. Ist Tennis wie eine Droge für Sie?

Ja, es scheint so. Die Leute fragen mich das die ganze Zeit, warum ich noch spiele und wie lange ICH noch spiele. Ich genieß es noch immer sehr. Meine Platzierung ist derzeit auch sehr gut, sodass ich die großen Turniere spielen kann, was immer mein Ziel ist.

Sie haben als erster Doppelspieler über 1000 ATP-Siege errungen und haben seit 1993 in jedem Jahr ein Doppelturnier gewonnen. Wenn Sie eine Rangliste der besten Doppelspieler aller Zeiten aufstellen müssten, auf welche Position würden Sie sich setzen?

Ich würde mich auf jeden Fall in die Top Ten setzen. Durch meine Langlebigkeit sind meine Statistiken natürlich etwas aufgepumpt, aber ich denke, ich gehöre dazu.

Wer ist aus Ihrer Sicht der beste Doppelspieler aller Zeiten?

Ich denke, dass da vor allem John McEnroe zu nennen ist. Er ist generell einer der besten Spieler aller Zeiten und hatte ein unfassbares Talent. Dann ist auch Todd Woodbridge zu nennen, der 16 Grand-Slam-Titel gewonnen hat. Und dann natürlich auch die Bryans, die das Doppel lange Zeit beherrscht haben.

Wer war der beste Doppelpartner, den Sie hatten?

Das ist schwierig zu sagen. Ich habe mit Mark Knowles begonnen, der so talentiert und ein natürlicher Tennisspieler war. Wir hatten tolle Jahre zusammen. Ich glaube aber, dass wir zu wenig Erfolg hatten. Obwohl wir über zehn Jahre ein Topteam waren, haben wir nur drei Grand Slams gewonnen. Mit Nenad Zimonjic habe ich in drei Jahren drei Grand Slams gewonnen. Mit Max Mirnyi waren es zwei Grand Slams in zwei Jahren. Für mich war Max der angenehmste Doppelpartner, er war immer positiv, wir hatten viel Spaß zusammen.

Mit welchem Spieler würden Sie unbedingt noch ein Doppel bestreiten wollen?

Roger Federer. Ich habe ihn mehrmals gefragt, er hat immer respektvoll abgelehnt. Glücklicherweise konnte ich letztes Jahr bei der International Premier Tennis League ein Doppel mit ihm spielen, aber auf der Tour leider nicht. Ich werde nun aufhören, ihn zu fragen.

Die Doppeltour besteht größtenteils aus Spezialisten. Wünschen Sie sich, dass so wie früher mehr Einzelspieler im Doppel antreten würden?

Wenn man sich die Ranglistenspitze anschaut, stimmt das zwar schon, aber es gibt viele Einzelspieler, die im Doppel antreten, gerade bei den Masters-1000-Turnieren. Ich denke, dass das Niveau im Doppel derzeit sehr gut ist. Die neue Zählweise erlaubt es auch den Einzelspielern, hin und wieder im Doppel anzutreten, weil es die Spielzeit verkürzt wurde.

Glauben Sie, dass Spieler wie Roger Federer und Rafael Nadal um die Weltranglistenspitze mitspielen würden, wenn sie ernsthaft Doppel spielen würden?

Ja, sie würden es in die Nähe der Spitze schaffen, wenn nicht sogar bis an die Spitze. Federer und Nadal sind besondere Spieler. Ich würde das aber nicht über alle Spieler sagen, die im Einzel weit vorne stehen. Ich glaube, dass Federer und Nadal in Sachen Doppel besser sind als andere erfolgreiche Einzelspieler.

Was hat sich in den letzten 25 Jahren im Tennis am meisten verändert?

Mit Sicherheit die Plätze und die Bälle. Das Tennisspiel wurde zu Beginn des Jahrtausends dramatisch langsamer gemacht. Nun haben wir das finale Produkt mit Spielern wie Djokovic und Murray. Die Athletik ist nun unglaublich. Damals gab es vielleicht mehr Kreativität, heute ist eine starke Physis und Kraft gefragt.

Was ist der beste Rat, den Sie einem ambitionierten Doppelspieler geben würden?

Es ist sehr wichtig, den richtigen Doppelpartner zu finden. Genauso wie im Einzel ist auch im Doppel Geduld gefragt. Wenn man ein Topspieler werden möchte, muss man sehr geduldig sein. Man muss akzeptieren, dass man oft jede Woche verliert. Natürlich ist das frustrierend, wenn man immer wieder mit Ärger abreist, aber von den zahlreichen Teams gewinnt eben nur eines den Titel. Das muss man durchstehen können. Wenn man gut spielt und einen Lauf hat, sollte man dann das Maximale herausholen.

Noch vor fünf Jahren waren Sie das einzige Aushängeschild im kanadischen Tennis. Nun gibt es Milos Raonic, Eugenie Bouchard, Vasek Pospisil und zahlreiche hoffnungsvolle Nachwuchstalente. Was hat der kanadische Tennisverband anders gemacht als in den Jahren zuvor?

Als Milos vor fünf Jahren den Durchbruch schaffte, war das ein Riesending in Kanada. Wir hatten zwar zunächst Greg Rusedski, der aber später für Großbritannien spielte. So wurde Milos der erste Kanadier, der die Top Ten erreichte. Milos hat viel im kanadischen Tennis bewirkt. Tennis wird immer populärer, immer mehr Kinder greifen zum Schläger. Wir haben nun auch ein viel besseres System als in den Jahren zuvor. Wir haben ein internationales Trainingscenter, was ideal für die besten Spieler des Landes ist. Es ist derzeit mit Sicherheit die goldene Zeit im kanadischen Tennis.

Wie ist Ihr Stellenwert in Kanada? Gelten Sie dort als Superstar?

Nein, nicht wirklich. Ich würde mich gerne als Superstar betrachten (lacht). Die Leute kennen mich natürlich, auch weil ich schon so lange dabei bin.

Sie haben 2000 die Goldmedaille bei Olympia gewonnen. In diesem Jahr müssen Sie auf Olympia verzichten, da sich Milos Raonic für Vasek Pospisil als Doppelpartner entschieden hat. Wie schmerzvoll ist das für Sie?

Daran muss man sich gewöhnen, wenn man älter wird, dass Spieler nicht immer mit dir zusammenspielen wollen. Umso älter du wirst, umso schwerer wird es, den richtigen Partner zu finden. Ich kann absolut nachvollziehen, dass Milos und Vasek zusammenspielen wollen. Sie hatten gemeinsam Erfolg, als sie jünger waren. Ich war natürlich kurzzeitig enttäuscht, aber ich muss das respektieren. Immerhin habe ich auch fünfmal an den Olympischen Spielen teilgenommen.

Es gab in den letzten Jahren einige Regeländerungen im Doppel auf der ATP-Tour mit der No-Ad-Regel und dem Match-Tiebreak im dritten Satz. Haben sich diese Änderungen bewährt und Doppel attraktiver gemacht?

Ich mag die Regelung sehr gerne. Ich würde mir wünschen, dassauch im Einzel die No-Ad-Regel umgesetzt wird. Für mich ist das ein Kinderspiel. Es ist besser für das Fernsehen und für die Fans. Die Spieler müssten sich natürlich anpassen. Auch die Doppelspieler mochten zunächst die Idee nicht mit der No-Ad-Regel und dem Match-Tiebreak. Aber wenn man sich die Statistiken anschaut, stellt man fest, dass der Prozentsatz der Siege der höher platzierten Teams gleich geblieben ist. Es ist nur eine Frage der Gewöhnung. Es wird sich immer beschwert, dass bei jedem Turnier die gleichen Spieler im Halbfinale stehen. Wenn man im Einzel die Zählweise verkürzt, würde das zu ein paar mehr Überraschungen führen, und das würde es für mich interessanter machen.

Im September werden Sie 44 Jahre alt. Wie lange wollen Sie noch auf der Tour spielen?

Ich würde gerne meine Karriere beim Rogers Cup in Toronto beenden, nicht in diesem Jahr, sondern bei der Ausgabe im Jahr 2018 ( Anmerkung: Der Rogers Cup wechselt jährlich zwischen Toronto und Montreal) . Ich bin in Toronto aufgewachsen. Das wäre ein passendes Ende. Ich hoffe, dass ich bis zu diesem Zeitpunkt zumindest ein paar Turniere spielen kann. Das ist jedenfalls das Ziel.

Zum Schluss: Wer gewinnt Olympia-Gold im Einzel und im Doppel?

Im Doppel holen sich Vasek Pospisil und Milos Raonic die Goldmedaille. Im Einzel gewinnt Novak Djokovic.

Das Gespräch führte Christian Albrecht Barschel.

von Christian Albrecht Barschel

Donnerstag
14.07.2016, 10:35 Uhr