NBA

Jugend forscht in Salt Lake City

Von Cliff Schmit
Burks, Favors, Kanter, Hayward. Neben Burke sollen diese vier es im nächsten Jahr in SLC richten
© getty

Die Offseason der Jazz als turbulent zu beschreiben, wäre wohl noch etwas untertrieben. In Salt Lake City wird das Projekt "Rebuild" mehr denn je auf Hochtouren vorangetrieben. Acht Spieler sind weg oder sollen noch gehen, sieben Akteure sind neu in der Hauptstadt der Mormonen. Was bleibt ist wohl eine der jüngsten Starting Fives aller Zeiten.

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Mit gerade einmal 23 Lenzen wird Gordon Hayward in der kommenden Spielzeit der Senior in der ersten Fünf der Jazz sein. Neben dem Small Forward werden aller Voraussicht nach Trey Burke, Alec Burks, Derrick Favors und Enes Kanter auflaufen. Ty Corbin würde somit einer Anfangsfünf vertrauen, die im Durchschnitt 21,6 Jahre alt wäre.

Dass die Jazz einen derart radikalen Schnitt machen, kommt nicht wirklich überraschend. Bereits seit einigen Jahren ist die Franchise vom Großen Salzsee stark daran interessiert, den Reset-Knopf zu drücken.

Boozer-Abgang leitet Umbruch ein

Eingeleitet wurde dieser Prozess 2010 mit dem Abgang von Carlos Boozer. Spätestens mit dem Trade von Deron Williams zu den Nets war klar, dass die Jazz es mit ihrem Unterfangen ernst meinen würden.

Die Abschiede der beiden Big Men Paul Millsap und Al Jefferson markieren in diesem Sommer so etwas wie den vorläufigen Abschluss dieses Erneuerungsprozesses.

"Ich habe früh gemerkt, dass Utah einen kompletten Neuanfang plant und ich bin überzeugt, dass dieser Weg für die Jazz eine Menge Sinn macht. Deswegen war ich auch nicht wütend, dass man mir keinen neuen Vertrag angeboten hat. Ich bin mir sicher, dass Enes und Derrick in absehbarer Zeit wahre Superstars in der Liga sein werden," erklärte Al Jefferson, den es für die nächsten drei Jahre zu den Charlotte Bobcats zieht.

Bühne frei für Favors und Kanter

In der Tat wird in Zukunft viel von den Leistungen von Favors und Kanter abhängen. Die beiden Youngster scharen bereits seit einiger Zeit mit den Hufen, mussten sich während der vergangenen zwei Saisons jedoch noch geduldig hinter Millsap und Jefferson anstellen. Nun ist der Weg für die beiden Bullen also frei und man darf gespannt sein, wie sie mit ihren neuen Starter-Rollen umgehen werden.

Dass sie über jede Menge Potenzial verfügen, haben sie bereits mehrfach unter Beweis gestellt. Vor allem in der Defensive werden die beiden ein massives Upgrade zu ihrem Vorgängerduo darstellen. Im Angriff müssen aber sowohl Favors als auch Kanter noch deutlich zulegen.

Während der Türke in erster Linie an seiner Turnoveranfälligkeit und seinem Auge für den freien Mitspieler arbeiten muss, hakt es bei Favors am Midrange-Jumper sowie an seinem ausbaufähigen Post-Game.

Sloan und Malone als Mentoren

Um ihre Entwicklung bestmöglich zu fördern, haben die Jazz keinen geringeren als den vierzehnmaligen All Star Karl Malone geholt. Der Mailman soll dem Frontcourt-Duo als Mentor zur Seite stehen, dämpft aber im Vorfeld jedoch die Erwartungen: "Wer denkt, dass ich mit ihnen Wunderdinge vollbringen werde, der sieht sich getäuscht. Diese Jungs werden so gut werden, wie sie das möchten. Es hängt einzig und allein an den beiden."

Malone ist jedoch nicht der einzige Rückkehrer nach Salt Lake City. Auch Trainerlegende Jerry Sloan ist seit Juni als Senior-Berater wieder Teil der Jazz.

Der 71-Jährige betonte aber gleich, dass er kein Aufpasser für Coach Ty Corbin sei: "Ich habe sicherlich nicht alle Antworten parat, aber ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man als junger Coach ein gewisses Maß an Führung benötigt. Ty ist auf mich zugekommen und hat mich gefragt, ob ich ihn bei verschiedenen Dingen unterstützen kann. Ich weiß nicht, ob mir das gelingen wird, aber ich werde auf jeden Fall mein Bestes geben."

Burke wird seine Zeit brauchen

Unterstützung wird sicherlich auch der neue Backcourt der Jazz gebrauchen können. Dass Utah große Stücke auf Burke hält, hat man am Draft-Abend gesehen, als man im Eifer des Gefechts hochtradete, um den Wolverine an neunter Stelle zu ergattern.

Der 20-Jährige war sicherlich das größte Point-Guard-Talent der diesjährigen Klasse, hat bei der Summer League in Orlando aber bewiesen, dass er noch einige Zeit benötigen wird, um sein Niveau an das Profi-Level anzupassen. Gleiches gilt auch für Shooting Guard Burks, der erstmals in seiner jungen Karriere starten wird.

Warriors-Trade wirft Fragen auf

Angesichts aller Verjüngungsmaßnahmen, scheint der größte Jazz-Trade des Sommers auf den ersten Blick nicht unbedingt ins Konzept der Franchise zu passen. Mit Andris Biedrins, Richard Jefferson und Brandon Rush verpflichtete man nicht nur drei relativ alte Spieler, sondern nahm zusätzlich knapp 25 Millionen Dollar an Gehältern auf.

Man braucht kein Prophet zu sein, um vorauszusehen, dass vor allem Biedrins und Jefferson nicht viele Minuten sehen werden. Für Jazz-GM Dennis Lindsey macht der Deal dennoch Sinn: "Dieser Trade hat uns nicht nur Größe, Shooting und Erfahrung gebracht, sondern erlaubt uns vor allem auch in Zukunft weiterhin flexibel zu sein."

Erstrundenpicks und Flexibilität

In der Tat macht der Deal in Punkto Flexibilität durchaus Sinn für die Jazz. Die Verträge sämtlicher Ex-Warriors laufen im nächsten Sommer aus. Nimmt man noch hinzu, dass auch Marvin Williams nach dieser Saison Free Agent wird, hat Utah für die Spielzeit 2013/14 lediglich sieben Spieler unter Vertrag und fast 30 Millionen an Salary Cap zur Verfügung.

Natürlich werden die Jazz als Small-Market-Team keinen ganz großen Fisch an Land ziehen können, das Geld sollte aber dennoch ausreichen, um den blutjungen und talentierten Kern mit ausreichend gestandenen Profis zu umringen.

Hinzu kommt, dass Utah in den nächsten Jahren eine Unmenge an Erstrundenpicks zur Verfügung haben wird. Alleine beim nächsten Draft, dem wohl besten seit Jahren, wird man zwei Mal in der ersten Runde wählen dürfen.

Die Gegenwart heißt Verlieren

Für die Franchise am Oquirrh-Gebirge kann die Zukunft also durchaus rosig aussehen. In der unmittelbaren Gegenwart wird es für die Jazz vorerst aber eine Vielzahl an Niederlagen hageln. 25 bis 30 Siege könnten in dieser Saison bereits das höchste der Gefühle sein.

Für das Team von Ty Corbin wird es in der bevorstehenden Saison also vor allem auf zwei Sachen ankommen: sich kontinuierlich weiterentwickeln und genügend Partien verlieren, damit man im nächsten Jahr beim Draft ganz vorne dabei sein kann. Klappt dies, so könnten Hayward und Co. bald an die erfolgreichen Neunzigerjahre der Jazz anknüpfen.

Der Kader der Jazz im Überblick