"Ich habe NBA-Luft geatmet"

Von Interview: Haruka Gruber
Tim Ohlbrecht, Basketball
© Imago

München - Tim Ohlbrecht ist das größte deutsche Basketball-Talent seit Dirk Nowitzki. 

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Die Nominierung für das Olympia-Qualifikationsturnier in Athen (14. bis 20. Juli) hat er trotz der Einbürgerung von NBA-Star Chris Kaman vermutlich sicher

Im Interview mit SPOX.com spricht der 19-jährige Power Forward/Center über Mobbing am Arbeitsplatz, seine Beziehung zu Dirk Nowitzki und die mögliche Zukunft in der NBA..

SPOX.com: Herr Ohlbrecht, wie schlimm ist das Mobbing?

Tim Ohlbrecht: Na ja, als Mobbing würde ich das nicht bezeichnen.

SPOX: Aber als Neuling in der Nationalmannschaft werden Sie von den Routiniers doch sicher hart ran genommen.

Ohlbrecht: Okay, das stimmt. Ich bin der Jüngste und erstmals dabei. Da werden schon Witze gemacht und ich bekomme andauernd zu hören "Rookie, hol mal den Ball dahinten!" oder "Rookie, trag mal die Tasche!"

SPOX: Und das befolgen Sie auch?

Ohlbrecht (lacht): Natürlich. Was soll ich denn machen?

SPOX: Und wer kommandiert Sie am häufigsten herum?

Ohlbrecht: Im Grunde alle Erfahrenen. Am meisten aber Dirk.

SPOX: Wie bitte? Wir dachten, Dirk Nowitzki wäre so etwas wie Ihr Mentor.

Ohlbrecht: Ach, das ist doch alles nur eine normale Blödelei. Ich nehme es locker.

SPOX: Nehmen Sie es mittlerweile auch locker, wenn Sie mit Nowitzki verglichen werden?

Ohlbrecht. Früher hat es mich wirklich aufgeregt. Ich verstand nicht, warum die Medien mich immer auf Dirk ansprechen mussten, obwohl ich doch der Tim bin, nicht irgendein Abklatsch. Es war genauso nervig wie in der NBA, wenn ein neues Talent gleich ein Label aufgedrückt wird wie "The next Jordan" oder "The next LeBron".

SPOX: Sie sprechen in der Vergangenheitsform. Hat sich etwas geändert?

Ohlbrecht: Ich versuche mittlerweile, das Positive zu sehen. Im Prinzip ist es ja auch toll, wenn Parallelen mit so einem tollen Spieler wie Dirk gezogen werden. Er ist ein Vorbild - obwohl ich nicht soweit gehen würde zu sagen, dass er mein Mentor ist.

SPOX: Nein?

Ohlbrecht: Ein Mentor ist für mich jemand, der alles für einen macht, einen durchgängig pusht. Aber so ist Dirk nicht. Er macht das subtiler. Mit seiner Präsenz. Wenn ich im Training sehe, wie gut er ist, gibt es mir automatisch unglaublich viel Energie, um mich auch mit der gleichen Intensität reinzuhängen.

SPOX: Auch wenn Sie es nicht gerne hören: Offenbar sieht Nowitzki in Ihnen eine Art Nachfolger. Immerhin wurden Sie von Ihm in den USA zum Essen eingeladen.

Ohlbrecht: Das wurde falsch dargestellt. Ich war im April in Portland, weil ich zum "Nike Hoop Summit" ...

SPOX: ... dem Duell der besten Highschool-Basketballer gegen eine Jugend-Weltauswahl...

Ohlbrecht: ... nominiert wurde. An einem Abend waren wir mit dem Team in einem Restaurant, und als Überraschungsgast für uns alle kam Dirk vorbei, der zufällig mit Dallas in Portland ein Spiel hatte. Es war also nicht so, dass er mich extra ausgeführt hätte.

SPOX: Nowitzki, Tony Parker, Kevin Garnett: Sie alle haben zu Beginn Ihrer Karriere beim Hoop Summit gespielt.

Ohlbrecht: Ich weiß, dass es eine Riesenehre ist. Die Woche dort war auch der Wahnsinn. Wir durften zum Beispiel in der supermodernen Halle der Trail Blazers trainieren, haben zwei NBA-Spiele gesehen, wurden von NBA-Trainern und -Scouts beobachtet. Wenn man die NBA-Luft eingeatmet hat, will man gar nicht mehr weg.

SPOX: Und? Wann geht es in die NBA?

Ohlbrecht: Klar, Gespräche im Hintergrund laufen immer. Zunächst habe ich aber meinen Vertrag in Bamberg bis 2009 verlängert. Die nächste Saison ist die bislang wichtigste für mich. Ich muss mit beiden Beinen in der Bundesliga stehen und mich etablieren.

SPOX: Mit Chris Kaman hätten Sie bei der Olympia-Qualifikation in Athen den zweiten NBA-Star, vom dem Sie etwas abschauen könnten.

Ohlbrecht: Auf jeden Fall. Auch wenn ich von der Spielweise vielleicht mehr Kevin Garnett ähnele, werde ich von einem der weltbesten Center einiges lernen. Zumal ich mich dank Chris in Athen hoffentlich noch besser in Szene setzen kann, weil sich die Gegner auf Dirk und Chris konzentrieren und ich so mehr Freiheiten habe.

SPOX: Klingt alles viel versprechend. Aber könnten die NBA-Teams von Ihren zwei schweren Knieverletzungen abgeschreckt werden?

Ohlbrecht: Als mir erstmals die Kniescheibe raus gesprungen ist, war es nicht so schlimm. Das zweite Mal mit der darauf folgenden sechsmonatigen Pause war natürlich ein heftiger Tiefschlag, vor allem in meinem jungen Alter. Aber ich habe bewiesen, dass ich gelernt habe, mich durchzubeißen. Ich bin körperlich längst wieder voll da, habe keine Einschränkungen. Was soll gegen die NBA sprechen?

SPOX: Vielleicht Ihre Mentalität? Sie sagen, dass Sie sogar nach dem Umzug aus Leverkusen nach Bamberg Probleme hatten, sich einzuleben.

Ohlbrecht: Das muss man relativieren. Es war mein erster großer Wechsel, auf einmal stand ich alleine da, ohne die Familie und den Freundeskreis. Man musste erwarten, dass nicht alles glatt läuft. Mittlerweile habe ich aber gelernt, dass man auch in der Fremde Freunde finden und eine gute Zeit haben kann. Der nächste Wechsel fällt definitiv leichter.

SPOX: Ein anderes Zitat von Ihnen: "Ich bin zu sozial und nicht egoistisch genug."

Ohlbrecht: Früher war ich in der Tat nicht böse genug. Vielleicht fehlte mir da die nötige Eigensinnigkeit. In dem Bereich habe ich mich aber deutlich gebessert. Ich bin zwar nach wie vor ein sozialer Mensch, durch die zunehmende Erfahrung weiß man jedoch besser einzuschätzen, wie wichtig man ist.

SPOX: Wie wichtig sind Sie?

Ohlbrecht: Ich bin 19, habe meine dritte Bundesliga-Saison gespielt und stehe in der Nationalmannschaft. Ich kenne meinen Stellenwert. Es ist mein gutes Recht, auch etwas zu fordern und nicht nur einzustecken.

SPOX: Im DBB-Team aber noch nicht, oder?

Ohlbrecht (lacht): Das Thema hatten wir ja schon. Sagen wir es so: Ich hoffe, dass nächstes Jahr mit dem Umbruch neue Rookies in die Mannschaft kommen - und ich dadurch etwas aus der Schusslinie komme.

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