"Mit Kaman sind wir bombastisch"

Von Interview: Haruka Gruber
Olympia, Peking, Basketball, Dirk Bauermann, Dirk Nowitzki
© Getty

München - Am Freitag kehrt die deutsche Basketball-Nationalmannschaft von ihrem einwöchigen Trainingslager auf Mallorca zurück. Am Samstag steht gegen Polen das erste Vorbereitungsspiel auf das Olympia-Qualifikationsturnier in Athen (14. bis 20. Juli) an.

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Zuvor spricht Bundestrainer Dirk Bauermann bei SPOX.com über seinen "Drogenentzug", den Kampf um Dirk Nowitzki und den Stand bei der Einbürgerung von NBA-Star Chris Kaman.

SPOX: Wie geht's Ihnen derzeit so ganz ohne Drogen?

Dirk Bauermann: Ohne Drogen?

SPOX: Es heißt, Sie seien lange süchtig nach Cola light gewesen.

Bauermann: Das stimmt. Ich hatte es auch geschafft, davon wegzukommen - bis ich mit Bamberg in die Playoffs eingezogen bin. Dann wurde ich wieder rückfällig.

SPOX: Was bedeutet rückfällig?

Bauermann: Na ja, so zwei Liter pro Tag sind es schon.

SPOX: Die "Welt" schrieb, Sie seien auch "getrieben von der Sucht nach Erfolg". Wie wollen Sie diese Sucht befriedigen, wenn Dirk Nowitzki nach diesem Sommer eine Nationalmannschafts-Pause einlegt?

Bauermann: Sucht nach Erfolg. Das ist völliger Quatsch. Sucht hat etwas Krankhaftes. Krankhafter Ehrgeiz, krankhaftes Hinterherlaufen nach Erfolg. Wie jeder im Geschäft bin ich  zum hohen Maße erfolgsorientiert, mehr aber nicht.

SPOX: Sie könnten es demnach verkraften, wenn der deutsche Basketball ohne Nowitzki womöglich in die Zweitklassigkeit abdriftet?

Bauermann: Wer sagt überhaupt, dass Dirk aufhört?

SPOX: Er selbst.

Bauermann: Sicher muss man damit rechnen, dass er sich zumindest eine Auszeit nimmt. Aber warten wir mal ab. Ich gebe Dirk nicht auf. Vielleicht hat er nächsten Sommer schon wieder Lust.

SPOX: Es gibt Hoffnung, dass er weitermacht?

Bauermann: Ich werde mit ihm intensiv darüber sprechen. Es hat für ihn sicher einen Reiz, beim bevorstehenden Neuaufbau eine prominente Rolle zu spielen. Eine ganz andere Rolle als jetzt, wo noch viele erfahrene Spieler im Kader stehen, die ihm vieles abnehmen.

SPOX: Vor der Zäsur steht zunächst ab Mitte Juli die Olympia-Qualifikation in Athen an. Würden Sie den deutschen Basketball-Fans dazu raten, jetzt schon Tickets für Peking zu kaufen?

Bauermann: Definitiv. Das Turnier wird bestimmt hochklassig, und es lohnt sich immer, die deutsche Nationalmannschat zu unterstützten. Daher: Kaufen! Aber ich komme nicht dafür auf, wenn es doch nicht mit der Quali klappen sollte (lacht).

SPOX: Immerhin ist es die letzte Gelegenheit, die "Generation Silber" live zu erleben.

Bauermann: Um es klarzustellen: Die erfahrene Garde bekommt für ihre früheren Meriten keinen Freifahrtsschein und schafft nicht automatisch den Cut, wenn der Kader auf zwölf Mann reduziert wird. Entscheidend werden die Leistungen im Training und in den Testspielen sein, egal ob jemand 19 oder 34 ist.

SPOX: Im 12er-Kader soll auch NBA-Star Chris Kaman stehen. Wann entscheidet es sich, ob er eingebürgert wird oder nicht?

Bauermann: Der Entscheidungsprozess ist mittlerweile auf der höchsten politischen Ebene bei Innenminister Wolfgang Schäuble angelangt, daher erwarten wir in Kürze Klarheit.

SPOX: Die Personalie zieht sich seit Wochen in die Länge. Gibt es zumindest Signale, die Sie hoffnungsvoll stimmen?

Bauermann: Ich bin verhalten optimistisch. Der Verband hat alles dafür getan, um die Einbürgerung möglich zu machen und die Sportpolitik steht dem Ganzen positiv gegenüber. Zum Beispiel hat sich bereits Thomas Bach, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, für unsere Belange eingesetzt.

SPOX: Wann könnte Kaman frühestens für Deutschland spielen?

Bauermann: Sollten wir von der Politik grünes Licht bekommen, müssen wir mit den Clippers über die Freigabe reden und die Versicherungsmodalitäten klären. Es gibt noch genügend Hürden.

SPOX: Trotz der Unklarheit: Haben Sie bereits Spielzüge speziell für Kaman konzipiert?

Bauermann: Wir haben zwei Schubladen. In der einen stecken die Gameplans mit, in der anderen ohne ihn. Chris wäre eine große Hilfe, aber auch ohne ihn bin ich von unserer Stärke überzeugt.

SPOX: Bei aller Zurückhaltung: Wäre Kaman nicht eine unglaubliche Verstärkung?

Bauermann: Mit Dirk und Patrick Femerling sind wir am Korb schon sehr stark aufgestellt.  Man darf nicht vergessen, dass Patrick ein europäischer Spitzencenter ist. Aber klar: Mit Chris sind wir bombastisch. So ein Frontcourt wäre international eine Referenz.

SPOX: Deutschland hat schon einmal einen NBA-Center mit deutschen Wurzeln eingebürgert. Damals ging es grandios schief.

Bauermann: Chris ist 26 und will nicht nur einen Sommer, sondern auch danach für Deutschland auflaufen. Chris mit Shawn Bradley zu vergleichen ist unfair.

SPOX: Nowitzki macht womöglich weiter, zudem noch die Option Kaman, dennoch schreibt die "Süddeutsche Zeitung" in einer Analyse der olympischen Teamsportarten vom "Problemfall Basketball".

Bauermann: Eine vollkommen falsche Wahrnehmung. Eines wird ständig übersehen: Basketball wird in jeder großen Sportnation mit großer Qualität betrieben. Insofern ist es bei uns viel schwieriger als in anderen Sportarten, sich im internationalen Wettbewerb durchzusetzen.

SPOX: Wie meinen Sie das?

Bauermann: Welche Nationen spielen Handball? Welche Eishockey? Welche Feldhockey?

SPOX: Nicht ganz so viele wie Basketball?

Bauermann: Beispiel Handball: In Nord- und Südamerika oder Australien wird die Sportart gar nicht oder wenn überhaupt nur zweitklassig betrieben. Da muss man konstatieren - ohne die Erfolge in den Sportarten schmälern zu wollen -, dass es im Basketball am allerschwierigsten ist, erfolgreich zu sein. Sogar noch mehr als im Fußball, wenn man bedenkt, dass im größten Sportland USA nur bedingt Fußball gespielt wird.

SPOX: Werden Sie bei all der globalen Konkurrenz von Zukunftsängsten geplagt? Immerhin steht der Generationswechsel bevor.

Bauermann: Angst ist ein Gefühl, dass ich nicht kenne. Im Sport darf man sich Angst nicht erlauben. Es geht darum, sich Herausforderungen zu stellen.

SPOX: Klingt abstrakt.

Bauermann: Sagen wir es so: Ein nahtloser Übergang wird nicht funktionieren, aber bei uns wächst etwas heran. In der Generation der 18- bis 22-Jährigen gibt es fast eine Handvoll Spieler, die für den europäischen Spitzenbasketball in Frage kommen, vielleicht sogar darüber hinaus.

SPOX: Sprich NBA.

Bauermann: Tim Ohlbrecht, Nicolai Simon, Sajmen Hauer, Elias Harris, Philipp Schwethelm, Tibor Pleiß, Robin Benzing: Das sind alles Spieler mit einer hervorragenden Perspektive. Ohne jemanden herausheben zu wollen: einige auch mit Blick auf die NBA.

SPOX: Ohlbrecht scheint von den Genannten der Weiteste zu sein. Zuletzt wurde er zum "Nike Hoop Summit", dem Duell der besten europäischen Jugendspieler gegen eine US-Highschool-Auswahl, nominiert.

Bauermann: Dennoch garantiere ich ihm keinen Platz im Qualifikations-Kader. Tim hat noch viel Zeit.

SPOX: Nach dem "Hoop Summit" wurde Ohlbrecht von Nowitzki zum Essen eingeladen. Sieht Nowitzki in ihm seinen Nachfolger?

Bauermann: Wenn ein Nowitzki ein Talent, das auch noch die ähnliche Position spielt, unter die Fittiche nimmt, ist das einfach nur toll. Aber wir müssen vorsichtig sein. Man sollte einen jungen Spieler nicht unnötig unter Druck setzen. In den nächsten 100 Jahren wird es in Deutschland keinen zweiten Dirk Nowitzki geben.

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