"Die Deutschen trainieren am besten"

Von Interview: Marcus Giebel
2006 in Turin gewann Uschi Disl Olympia-Bronze im Massenstart
© Getty

Im Februar beginnen die Olympischen Spiele - ohne Uschi Disl, Deutschlands ehemalige Vorzeige-Biathletin. Ihr Leben hat sich nach der Karriere stark verändert, aber das Interesse am Sport hat das einstige Laufwunder nicht verloren. SPOX sprach mit ihr über das Rezept für die deutsche Dominanz, die Favoriten für Olympia und den Traum von Neuseeland.

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SPOX: Im Februar stehen die ersten Olympischen Spiele nach Ihrem Rücktritt vom aktiven Sport an. Wie ist Ihr Gefühl, wenn Sie an Vancouver denken?

Uschi Disl: Ich freue mich auf die Spiele, habe aber viele Termine, so dass ich gar nicht weiß, welche Wettbewerbe ich mir anschauen kann.

SPOX: Denken Sie, dass die neuen Strecken im Olympia-Ort das Kräfteverhältnis stark beeinflussen werden?

Disl: Die Strecken sind nicht besonders schwer. Ich bin sie selbst mehrfach gelaufen. Es gibt keinerlei Schwierigkeiten, aber man hat auf der Runde nie eine Chance, sich richtig zu erholen. Es sind keine gemütlichen Abfahrten drin, die sind alle sehr kurvig. Da muss man sehr konzentriert bleiben.

SPOX: Wem sollte dieser Streckenverlauf besonders entgegenkommen?

Disl: Für die Deutschen müssten die Strecken eigentlich noch schwerer sein. Trotz allem sind die deutschen Biathleten läuferisch fit. Zu Beginn dieser Saison haben sie so ihre Probleme mit dem Schießen gehabt. Vielleicht haben sie im Hinterkopf gehabt, dass Olympia vor der Tür steht und sie sich unbedingt qualifizieren müssen.

SPOX: Warum sind die deutschen Athleten erst in den letzten Wochen so richtig in Schwung gekommen?

Disl: Die Nationen haben verschiedene Saisonvorbereitungen. Einige Teams fokussieren sich schon auf die ersten Saisonrennen. Das DSV-Team setzt da auf einen anderen Formaufbau, in diesem Jahr ist vieles auf Olympia ausgerichtet - darauf wird in erster Linie geschaut. Ich bin nach wie vor der Meinung, und das habe ich schon immer vertreten, dass die Deutschen das beste Trainingssystem haben.

SPOX: Können Sie das System kurz erläutern?

Disl: Das kommt eigentlich aus der DDR. Es ist alles sehr durchdacht und von Wissenschaftlern entwickelt. Für mich war das System immer top. Gerade für Damen ist es optimal. Da die Deutschen immer sehr, sehr hart trainieren, kommen sie immer sehr gut durch die Saison. Andere Mannschaften gehen da anders heran, machen viel mehr längere und ruhigere Einheiten.

SPOX: Was ist also der entscheidende Unterschied zwischen den Systemen?

Disl: Andere Athleten kommen nicht auf die Laktatwerte, die im DSV-Team erreicht werden. Ich der Meinung, dass das für Biathlon nicht sonderlich gut ist, weil man nicht die Wettkampfhärte bekommt. Das ist im deutschen Training komplett anders. Das tut dann zwar auch mal weh, ist aber schön. Die Schweden setzen durch den deutschen Trainer Wolfgang Pichler jetzt mehr auf das deutsche Training und haben Erfolg. Bei den norwegischen Männern funktioniert es seit Jahren auch wunderbar. Die trainieren wieder anders, aber bei denen klappt es ebenfalls. Also: Viele Wege führen nach Rom.

SPOX: Wer ist für Sie Favorit in dieser Weltcup-Saison und speziell für Olympia?

Disl: Bei den Männern werden sich Ole Einar Björndalen und Emil Hegle Svendsen schon einige Medaillen holen. Aber auch Michi Greis ist zu Olympia immer fitter. Bei den Deutschen sind viele dabei, die eine Chance auf eine Medaille haben. Da müssen wir gar nicht drüber reden. Bei den Damen sind sowohl Andrea Henkel als auch Kati Wilhelm bei Olympia immer gut gewesen. Genauso hat Martina Beck ihre Medaillen schon geholt. Die sind alle gut, ob es Simone Hauswald ist oder Magdalena Neuner - die können's alle.

SPOX: Gegen wen werden die deutschen Damen am härtsten kämpfen müssen?

Disl: Helena Jonsson und Anna-Carin Olofsson-Zidek sind heuer wieder sehr, sehr stark. Tora Berger wird ein Wörtchen mitreden. Bei den Franzosen ist Sandrine Bailly jetzt läuferisch wieder auf einem guten Niveau. Dazu kommen die Russinnen. Es gibt viele, die gewinnen können.

SPOX: Bei den Männern sind die Österreicher extrem stark. Warum haben die so einen Sprung gemacht?

Disl: Sie treffen jetzt auch die Scheiben. Schnell geschossen und gelaufen sind sie vergangene Saison schon. Da gingen die Schüsse auch mal daneben, denn sie versuchen schon extrem schnell zu schießen. Das klappt halt nicht immer, aber in den vergangenen Wochen hat es oft geklappt.

SPOX: Kommen wir mal zu Ihrer Karriere nach der Karriere. Sie waren bis Ende der vergangenen Saison als "ARD"-Expertin aktiv. Warum haben Sie Ihren Vertrag nicht verlängert?

Disl: Das war die Entscheidung des Senders. Ich bin nicht die Einzige, die nicht mehr dabei ist, auch Martina Ertl hat aufgehört. Ich glaube, von 25 Experten sind nur zwölf weiter verpflichtet worden - aus Kostengründen.

SPOX: Sie würden aber gern wieder als Expertin arbeiten?

Disl: Jein, es kommt auf die Bedingungen an. Denn es ist schon ein ziemlicher Zirkus, aber meine Kollegen wie Michael Antwerpes waren sehr nett. Das hat schon sehr viel Spaß gemacht.

SPOX: Sie selbst waren am Jahresende beim Promi-Rennen AufSchalke dabei und haben wieder zum Gewehr gegriffen.

Disl: Ja, da schießen wir aber nur. Mir wäre lieber, wir könnten laufen, aber da blieb uns keine Wahl.

SPOX: Man sagt ja immer, "Schießen ist wie Fahrradfahren - das verlernt man nicht".

Disl: Oh doch, das verlernt man schon schnell. Ich habe jetzt in Hochfilzen erstmals wieder mit Gästen geschossen. Da braucht man dann schon wieder seine Eingewöhnungszeit. Die ganze Haltearbeit, die Muskulatur ist nicht mehr da.

SPOX: Als Hobbys geben Sie unter anderem Kajakfahren, Radfahren und Berggehen an. Für welches haben Sie aktuell am meisten Zeit?

Disl: Eigentlich für gar keins. Ich bin mit meinem Töchterlein ziemlich ausgelastet, habe noch viele Termine. Mit Hanna bin ich viel draußen, wir gehen viel Radfahren. Dafür haben wir dann schon noch Zeit, aber auch nur im Sommer. Im Winter gehen wir zusammen langlaufen.

SPOX: Zu Ihrer aktiven Zeit waren Neuseeland, Tibet und Kanada Ihre Urlaubsziele. Welche Wünsche konnten Sie sich bislang erfüllen?

Disl: Tibet habe ich mittlerweile leider abgeschrieben, das ist ja keine ganz ungefährliche Reise. Neuseeland war meine Traumreise. Da war ich kurz nach meinem Karriereende fünf Wochen mit meinem Mann. Wir haben uns alles angeschaut, sind mit einem Wohnmobil 6000 Kilometer durch das Land gefahren.

SPOX: In Kanada waren Sie bislang nur in Vancouver?

Disl: Ich war schon mehrfach in Kanada. Aber irgendwann werde ich mal im Sommer hinreisen, denn im Winter habe ich das Land jetzt schon oft genug erlebt. Als wir im März diesen Jahres mit der "ARD" da waren, sind wir schön alpin Ski gefahren - das hat richtig Spaß gemacht.

SPOX: Was fasziniert Sie an den Ländern?

Disl: Ich bin eher jemand, der eine schöne Natur sehen will. Eine Stadt kann mich dagegen wenig reizen.

SPOX: In Deutschland sind Sie nur noch selten anzutreffen. Ihr Haus steht in Österreich, im Sommer verbringen Sie viel Zeit in Schweden, wo Sie mit Ihrem Mann ein Sommerhaus bewohnen.

Disl: Das ist richtig. Zuhause bin ich in Österreich. Wenn ich Deutschland besuche, wohne ich bei meinen Eltern.

SPOX: Zu Ihrer aktiven Zeit haben Sie eine Trainertätigkeit kategorisch ausgeschlossen. Jetzt bringen Sie Gästen bei Weltcups und dem Nachwuchs beim Star-Treff das Schießen bei. Würden Sie Ihre Worte von damals noch mal überdenken?

Disl: Das Problem ist einfach, wenn  man eine Trainingsgruppe hat, muss man auch viel Zeit aufwenden. Die habe ich halt nicht, weil ich im Sommer nicht da bin. Im Herbst und Winter habe ich viele Termine. Da kann ich kein geregeltes Training anbieten. Wenn man so etwas macht, dann muss man es richtig machen. Von daher ist es absolut nichts für mich. Ich mache in meinem Heimatort ein bisschen Langlauf mit dem Nachwuchs, denn einen Schießstand gibt es nicht. Ich habe mit dem aktiven Sport aufgehört, weil mir das Reisen genug war. Jetzt bin ich noch mehr als genug unterwegs.

SPOX: Ihr Alltag könnte bald noch stressiger werden. Schließlich haben Sie immer gesagt, dass Hanna kein Einzelkind bleiben soll.

Disl: Das ist schon geplant. Aber dabei muss man immer schauen, was beruflich wird. Deshalb haben wir keinen genauen Zeitplan für unser zweites Kind aufgestellt.

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