Ullrich und Zabel bei der Tour 1998 gedopt

SID
Jan Ullrich musste sich bei der Tour 1998 nur Marco Pantani geschlagen geben
© getty

Die einstigen deutschen Radsport-Helden Jan Ullrich und Erik Zabel versinken endgültig im Dopingsumpf: Beide gehören zu den rund vier Dutzend Profis, denen die Anti-Doping-Kommission des französischen Senats in Nachtests Manipulation mit Epo bei der Tour de France 1998 nachgewiesen hat.

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Nur drei Tage nach der rauschenden Jubiläums-Tour mit sechs Etappensiegen durch Marcel Kittel, Tony Martin und André Greipel wird der deutsche Radsport damit wieder von den Schatten der Vergangenheit eingeholt.

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Ullrich äußerte sich am Mittwoch nicht zu den Ergebnissen. "Wir geben dazu vorläufig keinen Kommentar ab", sagte sein Berater Falk Nier dem "SID".

Dennoch hat sich Ullrich mit der jüngsten Enthüllung endgültig als unglaubwürdig erwiesen. Der 39-Jährige hatte sich vor einem Monat zwar erstmals dazu bekannt, gedopt zu haben, dies aber nur mit Eigenblut. Epo-Doping stritt er aber stets ab.

Auch Zabel schweigt

Zabel war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen, BDR-Präsident Rudolf Scharping wollte sich auf "SID"-Anfrage am Mittwochmittag ebenfalls noch nicht äußern.

Im Juni hatte Ullrich im Gespräch mit dem Magazin "Focus" erstmals überhaupt Doping gestanden - allerdings "nur" Blutdoping. Ja, er habe diese Blutdoping-Behandlungen beim spanischen Dopingarzt Eufemiano Fuentes bekommen, sagte Ullrich. Zu umfassenden Vorwürfen des Epo-Dopings, wie sie der ehemalige Betreuer Jef d'Hont vor Jahren geäußert hatte, sagte Ullrich nichts.

Pantani, Cipollini und Jalabert erwischt

Der am Mittwoch in Paris veröffentliche Bericht enttarnt weitere frühere Top-Profis als Betrüger: Demnach hatten auch der 2004 gestorbene Marco Pantani, 1998 Gesamtsieger der Tour vor Ullrich, der frühere Super-Sprinter Mario Cipollini und der französische Volksheld Laurent Jalabert bei jener Frankreich-Rundfahrt Epo im Blut. Auch Jens Heppner steht auf der Liste. Die damalige Tour galt angesichts des Festina-Skandals ohnehin schon als Skandalrennen sondergleichen.

Auch der Name von Ausreiß-Spezialist Stuart O'Grady steht im Bericht. Zwei Tage nach seinem Rücktritt zeigte sich der Australier geständig: "Ich musste einfach über die Grenze fahren und es in irgendeiner Apotheke kaufen. Es war allerdings kein systematisches Doping, ich habe das Team nicht mit in den Sumpf hineingezogen", sagte der 39-Jährige der "Herald Sun".

O'Grady hatte 1995 sein Profidebüt gefeiert und 2013 den Rekord des Amerikaners George Hincapie eingestellt, der ebenfalls 17-mal an der Tour de France teilnahm. Drei Etappen-Siege feierte er bei der Frankreich-Rundfahrt, zudem gewann er 2007 den Klassiker Paris-Roubaix.

"Kampf gegen Doping voranzutreiben"

Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) begrüßte die Veröffentlichung der Namen unterdessen. "Der Bericht wird nicht nur in Frankreich, sondern weltweit helfen, den Kampf gegen Doping voranzutreiben", sagte WADA-Präsident John Fahey.

Der Anti-Doping-Ausschuss hatte anonymisierte Epo-Nachtests aus dem Jahr 2004 den getesteten Profis zugeordnet, nachdem 1998 noch nicht auf diesen Wirkstoff getestet worden war. In den sechs Jahre nach der Tour durchgeführten Untersuchungen fielen fast alle Tests positiv aus.

Zabel hatte am 24. Mai 2007 gemeinsam mit Rolf Aldag in Bonn unter Tränen ein Doping-Geständnis abgelegt. Er erklärte damals aber, während der Tour 1996, zwei Jahre vor dem nun fraglichen Zeitraum, "einmalig" Epo genommen zu haben. Er habe das Mittel nicht vertragen und deshalb wieder abgesetzt.

Jacky Durand gibt Epo-Doping zu

Der frühere französische Radstar Jacky Durand hatte bereits vor der Veröffentlichung der Liste bestätigt, dass sein Name auf der Liste der Fahrer auftauchen wird, die in Nachtests der Tour de France 1998 als Epo-Doper enttarnt worden sind. 'Ich gebe meine Taten zu", schrieb der einstige Publikumsliebling auf der Homepage seines Arbeitgebers "Eurosport".

Durand, 1998 und 1999 kämpferischster Fahrer der Tour, sagte: "Die heutige Generation sollte nicht für den Mist bestraft werden, den wir damals angestellt haben. Die 90er Jahre waren in Sachen Doping ein Massaker, wir Fahrer haben keinen Ausgang gefunden. Der Sport ist heute viel sauberer." Durands Wunsch wird ein frommer bleiben: Das Image des Radsports ist seit Mittwoch wieder ein Stück verheerender.

Ullrich vom CAS verurteilt - Toursieg 1997 blieb

Ullrich war im Februar 2012 vom CAS schuldig gesprochen worden, gegen die Anti-Doping-Regeln verstoßen zu haben. Wegen der Verwicklung in die Fuentes-Affäre wurde er zu einer zweijährigen Sperre rückwirkend vom 22. August 2011 verurteilt. Sämtliche Resultate seit dem 1. Mai 2005 wurden gestrichen - damit darf Ullrich seinen Toursieg von 1997 behalten.

Ob es Möglichkeiten gibt, ihm sein Olympiagold von Sydney 2000 abzuerkennen, will das IOC nach Auskunft seines Präsidentschaftsanwärters Thomas Bach eingehend prüfen. Bei der Aberkennung von Medaillen gilt laut IOC-Statuten eine Verjährungsfrist von acht Jahren.

Dass diese Vorschrift für das IOC aber kein Dogma ist, bewies der Fall Lance Armstrong. Der Amerikaner hatte zu Jahresbeginn gestanden, seit 1998 mit Dopingmitteln betrogen zu haben. Das IOC strich den Namen des Olympiadritten im Zeitfahren daraufhin aus der Ergebnisliste von Olympia 2000 in Sydney.

Keine 24 Stunden vor Bekanntwerden seiner Epo-Sünde am Mittwoch hatte Ullrich noch in der ihm eigenen Art auf seinem Eurosport-Blog verkündet: "Der Radsport lebt! Auch die Reaktion meiner Gäste bei der zweiten Jan-Ullrich-Radsportwoche im Hotel Central in Sölden war durchweg positiv. Wir haben in den zehn Tagen im Ötztal viel über die Tour diskutiert und philosophiert."

Liste der als Epo-Doper enttarnten Radprofis:

Jan Ullrich (39/Deutschland): Tour-Sieger 1997, Vuelta-Sieger 1997, Olympiasieger 2000. Team 1998: Telekom.

Erik Zabel (43/Deutschland): Sechsmal Gewinner des Grünen Trikots bei der Tour, 12 Tour-Etappensiege. Team 1998: Telekom.

Jens Heppner (48/Deutschland): Sieger Deutschland-Tour 1999, Tour-10. 1992. Team 1998: Telekom.

Mario Cipollini (46/Italien): Straßen-Weltmeister 2002, 12 Tour-Etappensiege, 42 Giro-Etappensiege. Team 1998: Saeco.

Marco Pantani (2004 mit 34 Jahren gestorben/Italien): Tour-Sieger 1998, Giro-Sieger 1998. Team 1998: Mercatone Uno.

Laurent Jalabert (44/Frankreich): Grünes Trikot der Tour de France 1992, 1995, Bergtrikot Tour de France 2001, 2002, Sieger Vuelta 1995, Zeitfahr-Weltmeister 1997, Sieger Mailand-Sanremo 1995. Team 1998: Once.

Abraham Olano (43/Spanien): Straßen-Weltmeister 1995, Zeitfahr-Weltmeister 1998. Team 1998: Banesto.

Jacky Durand (46/Frankreich): Drei Tour-Etappensiege, Kämpferischster Fahrer 1998, 1999. Team 1998: Casino.

Laurent Desbiens (43/Frankreich): Ein Tour-Etappensieg. Team 1998: Cofidis.

Andrea Tafi (47/Italien): Sieger Paris-Roubaix 1999, Flandern-Rundfahrt 2002. Team 1998: Mapei.

Kevin Livingston (40/USA): Edelhelfer von Lance Armstrong (1999 bis 2000) und Jan Ullrich (2001 bis 2002). Team 1998: Cofidis.

Bo Hamburger (43/Dänemark): Sieger Fleche Wallonne 1998. Team 1998: Casino.

Jeroen Blijlevens (41/Niederlande): Vier Tour-Etappensiege, vier Vuelta-Etappensiege. Team 1998: TVM.

Marcos Serrano (40/Spanien): Ein Tour-Etappensieg. Team 1998: Kelme.

Manuel Beltran (42/Spanien): Sieger Katalonien-Rundfahrt 1999. Team 1998: Banesto.

Nicola Minali (43/Italien): Drei Tour-Etappensiege, Sieger Paris-Tours 1995, 1996. Team 1998: Riso Scotti.

Fabio Sacchi (38/Italien): Sieger Mailand-Turin 2005. Team 1998: Polti.

Stuart O'Grady (39/ Australien): Drei Tour-Etappensiege, Olympisches Silber 1992. Team 1998: Credit Agricole

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