Jede Sünde wert

Floyd Mayweather (l.) und Manny Pacquiao (M.) treffen Anfang Mai endlich aufeinander
© getty

Lange musste die Box-Welt warten. Doch am 2. Mai findet das Duell zwischen Floyd Mayweather jr. und Manny Pacquiao endlich statt. Es ist finanziell gesehen der größte Kampf aller Zeiten. Aber hält er auch den sportlichen Erwartungen stand?

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Das MGM Grand am legendären Strip in Las Vegas verfügt über insgesamt 6852 Zimmer. Von einer relativ normalen Ausstattung - zumindest für Sin-City-Verhältnisse - bis zu luxuriösen Suiten für mehrere tausend Dollar ist für jeden Geschmack etwas dabei. Das Resort darf sich damit als zweitgrößtes Hotel der Welt bezeichnen.

Und trotzdem dauerte es am frühen Freitagabend nur knapp 15 Minuten, bis alle Zimmer für das Wochenende rund um den 2. Mai ausgebucht waren. Verantwortlich dafür war das Bild eines eigentlich schnöden Blatt Papiers mit recht unleserlichen Unterschriften, das Floyd Mayweather jr. auf der Social-Media-Plattform "Shots" postete.

"Worauf die Welt gewartet hat, ist endlich gekommen. Mayweather vs. Pacquiao am 2. Mai 2015 ist beschlossene Sache. Ich habe den Fans versprochen, dass wir das hinkriegen, und das haben wir", schrieb der 37-Jährige daneben - und elektrisierte in Windeseile die komplette Sport-Welt.

Floyd gegen Manny. Mayweather vs. Pacquiao. Das Duell der beiden besten Boxer auf diesem Planeten ist endlich unter Dach und Fach. "Ich bin sehr froh, dass Floyd Mayweather und ich den Fans den Kampf geben können, auf den sie so viele Jahre gewartet haben. Sie verdienen diesen Kampf", erklärte auch Pacman kurze Zeit später.

Rekorde en masse

Der 20. Februar 2015 geht damit in die Geschichte ein. Als der Tag, an dem der größte Kampf aller Zeiten perfekt gemacht wurde. Denn nichts anderes ist das Aufeinandertreffen der beiden Ausnahmekönner für den kompletten Boxsport.

Ein Blick auf die Zahlen reicht dafür aus. Mindestens 200 Millionen Dollar soll die Börse für das Duell im Weltergewicht, bei dem die Titel der WBC, WBO und WBA auf dem Spiel stehen werden, betragen. Natürlich Rekord. 89,95 Dollar wird der Fight im amerikanischen Pay-Per-View-Fernsehen voraussichtlich kosten. Natürlich Rekord.

Dass zudem die Bestmarke bei den PPV-Käufen, die bislang Mayweathers Kampf gegen Oscar de la Hoya mit 2,4 Millionen hält, gebrochen werden dürfte, scheint bereits jetzt gesichert. Dasselbe gilt wohl für die PPV-Einnahmen (aktueller Rekord: 150 Millionen Dollar) sowie die Gelder, die durch Tickets eingenommen werden (aktueller Rekord: 20 Millionen Dollar). Angesichts von Kartenpreisen, die weit jenseits der 1000-Dollar-Marke liegen, ist das jedoch auch keine sonderliche Überraschung.

"Das wird der größte Fight aller Zeiten. Beide Boxer werden in Top-Form sein und wir werden alle zusammen ein denkwürdiges Event abliefern", konnte "HBO"-Sports-Präsident Ken Hershman seine Vorfreude am Freitag nur schwer verbergen.

Eine irrsinnige Soap Opera

Diese astronomischen Summen, so beeindruckend und für den Otto Normalbürger unwirklich sie erscheinen mögen, sind aber auch ein Symbol für die letzten sechs Jahre. Denn so richtig hat wohl niemand mehr damit gerechnet, dass sich Mayweather und Pacquiao tatsächlich noch im Ring gegenüber stehen werden.

Was sich in den vergangenen Jahren zwischen beiden Lagern abspielte, könnte locker ein Buch füllen. Genauso wie die Antwort auf die Frage, was davon tatsächlich der Wahrheit entsprach und was schlichte Erfindung mehr oder weniger kluger Köpfe war, um den Mythos am Leben zu halten.

Eines ist aber sicher: Die Soap Opera mit den beiden namhaften Hauptdarstellern sucht ihresgleichen. Begonnen hat alles im Jahr 2009. Kurz nach Mayweathers erfolgreicher Rückkehr aus dem Box-Ruhestand tauchten erstmals ernsthafte Gerüchte über einen Kampf zwischen ihm und Pacman auf.

Woran sich kaum jemand noch erinnert: Der Fight war damals quasi bereits perfekt. Am 13. März 2010 sollte das Event über die Bühne gehen, selbst Leonard Ellerbe, der CEO von Mayweather Promotions, preschte voran: "Pacquiao muss eigentlich der nächste Gegner sein, gerade wenn man es von einem finanziellen Standpunkt betrachtet."

Dopingtests, Egos, Geld

Doch statt schlagender Argumente gab es nur verbale Scharmützel. Es sollte der Startschuss für eine irrsinnige Achterbahnfahrt sein. Mal lehnte Pacquiao die speziellen Urin- und Bluttests ab, die das gegnerische Camp forderte. "Er kennt meine Klausel. Wenn er mit unangekündigten Dopingkontrollen bis zum Kampftag einverstanden ist, haben wir einen Fight", sagte Mayweather im Februar 2010.

Dann stellten die unterschiedlichen TV-Stationen - Mayweather kämpft für "Showtime", Pacman ist an "HBO" gebunden" - eine scheinbar unüberwindbare Hürde dar. Ganz zu schweigen von den Egos, die aufeinanderprallten. Gerade die Hassbeziehung zwischen Mayweather und Pacquiao-Promoter Bob Arum machte einen runden Tisch eigentlich unmöglich. "Arum ist der Grund, warum nichts vorangeht. Er hat Floyd und uns alle angelogen", kritisierte Alex Ariza, einer von Mayweathers Trainern, noch Mitte Januar den Top-Rank-Boss.

Doch vor allem - und wie sollte es auch anders sein - ging es wohl um das liebe Geld. Das mag sich angesichts der Kontostände beider Kämpfer verrückt anhören - alleine Mayweathers Vermögen soll sich auf geschätzte 300 Millionen Dollar belaufen.

Aber der US-Boy ist genauso wie sein Gegenüber nun mal ein Geschäftsmann. Deswegen gab sich Pacquiao 2012 auch nicht mit den angebotenen 40 Millionen Dollar zufrieden. Und deswegen lehnte auch Mayweather immer einen 50-50-Split ab, mit der Begründung, er sei gerade in den USA der weitaus größere Draw.

Das grundsätzliche Übel

Zu einem gewissen Punkt mag man solche Verhandlungstaktiken nachvollziehen, doch das Hin und Her der letzten Jahre war das Musterbeispiel, was im Boxen des 21. Jahrhunderts falsch läuft und von den Fans immer häufiger kritisiert wird.

Der Sport ist in den Hintergrund gerückt. Es zählt das Geld, jeder will etwas vom Kuchen abhaben, ganz egal ob Boxer, Promoter oder TV-Sender, und möglichst viel davon. Dass dadurch die interessantesten Kämpfe - Canelo Alvarez gegen Miguel Cotto ist das aktuellste Beispiel - nicht stattfinden, ist eher zweitrangig.

Das renommierte Box-Magazin "The Ring" machte sich 2010 angesichts des Handelns der Verantwortlichen sogar einen Spaß daraus und kürte den damals ersten gescheiterten Deal zwischen Mayweather und Pacquiao zum "Event of the Year".

Die Frage nach dem GOAT

So hätte die Geschichte zu Ende gehen können. Als der größte Kampf aller Zeiten, der nie stattfand. Doch insbesondere bei Mayweather, an dem schon immer der Makel haftete, dass er es war, der Pacquiao aus dem Weg ging, scheint angesichts des nahenden Karriereendes - zwei Kämpfe umfasst der millionenschwere Deal mit "Showtime" noch - ein Umdenken stattgefunden zu haben.

Das mag mit dem gestiegenen öffentlichen Druck zu tun haben. Oder mit den für seine Verhältnisse schwächeren PPV-Zahlen seiner letzten beiden Auftritte gegen Marcos Maidana. Vielleicht sogar mit den Sticheleien, die Pacquiao in den vergangenen Monaten intensivierte. Es kann aber auch sein, dass Mayweather bewusst wurde, dass er nur dann in der Diskussion um den größten Boxer aller Zeiten auftaucht, wenn er seinem Nemesis gegenüber tritt, auch wenn er das selber nie zugeben würde.

"Ich bin der Beste aller Zeiten, und dieser Kampf wird eine weitere Gelegenheit sein, meine Fähigkeiten zu zeigen und das zu tun, was ich am besten kann: gewinnen. Manny wird versuchen, was 47 vor ihm nicht geschafft haben, aber es wird ihm nicht gelingen. Er wird Nummer 48 sein."

Kampf gegen Gevatter Zeit

Dabei bleibt sportlich gesehen eine Frage offen: Kommt der Kampf nicht fünf Jahre zu spät? Es liegt wohl in der Natur des Menschen, nie mit dem zufrieden zu sein, was er bekommt. Ganz vom Tisch kann man diesen Aspekt allerdings nicht wischen.

Die letzten Kämpfe haben bei beiden Sportlern Spuren hinterlassen. Auf der einen Seite der 36-jährige Pacquiao, der 2012 eine epische K.o.-Niederlage gegen Juan Manuel Marquez hinnehmen musste. Und der wie kaum ein anderer von seiner Schnelligkeit und der Power in seinen Schlägen lebt.

Auf der anderen Seite der 37-jährige Mayweather, der in beiden Duellen mit Maidana ungewöhnlich viele Treffer hinnehmen musste, weiterhin aber als der Defensiv-Magier schlechthin gilt. Wer das Rennen mit Gevatter Zeit gewinnt, der hat wohl auch im direkten Duell die besseren Chancen.

Wie Ali vs. Frazier

Doch diese kritischen Stimmen dürften bis zum Kampf im allgemeinen Hype untergehen. Vielmehr sind die Liebhaber des Boxens - und auch die Beteiligten - fast schon dankbar, dass ein solches Duell überhaupt über die Bühne geht, nach all den Entbehrungen, all den Sünden aus der Vergangenheit.

"Es war nicht einfach. Aber vielleicht können wir es durch alles, was passiert ist, noch mehr schätzen und genießen. Ich bin lange im Geschäft dabei, aber so eine Aura habe ich persönlich noch nicht erlebt. Das kommt an den ersten Kampf zwischen Ali und Frazier heran", fasste Arum das Spektakel gegenüber "ESPN" zusammen.

Übrigens: Schon im weiteren Verlauf des Freitags dementierte das MGM Grand, dass das Hotel voll sei. Laut Yvette Monet, der Sprecherin des Resorts, sorgte ein Computerfehler für diese Meldung. Und das passt ja auch irgendwie zur unendlichen Geschichte des größten Kampfes aller Zeiten, die am 2. Mai endlich ihren Höhepunkt bekommen wird.

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