Mission: NBA-Power für Deutschland

Von Interview: Haruka Gruber
Joel Przybilla (l.) und Donte Greene: In der NBA Gegner, im DBB-Trikot bald Teamkollegen?
© Getty

EXKLUSIVMehr als nur ein Gerücht: Nachdem Chris Kaman, Star der Los Angeles Clippers, im vergangenen Sommer die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten und mitgeholfen hatte, dass sich die Nationalmannschaft für die Olympischen Spiele qualifiziert, arbeitet der Deutsche Basketball Bund an der Einbürgerung der beiden NBA-Profis Donte Greene und Joel Przybilla. "Wir lassen nichts unversucht", sagt Bundestrainer Dirk Bauermann im SPOX-Interview.

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SPOX: Nachdem Portlands Center Joel Przybilla verraten hatte, dass der Familienzweig seiner Mutter deutsch ist, wollten Sie dem Hinweis persönlich nachgehen. Wie ist der Stand?

Dirk Bauermann: Ich habe gute Verbindungen nach Portland, weil Kevin Pritchard, General Manager der Blazers, als Spieler unter mir in Leverkusen gespielt hat. Kevin hat mir versprochen, dass er auf Joel zugeht, mit ihm redet und ihm meine Nummer gibt oder mir seine besorgt. Bisher habe ich aber leider noch nichts von Kevin gehört, weil er viel unterwegs ist. Ich habe ihm aber gemailt, dass es eilt.

SPOX: Wie realistisch ist Przybillas Einbürgerung?

Bauermann: Man sollte gelassen bleiben. Wir wissen ja noch nicht einmal, wie direkt seine deutschen Vorfahren sind. Der Vater oder die Mutter sollten es schon sein, sonst wird es schwierig. Ganz zu schweigen von weiteren Hürden wie einem Sprachtest. Zumal es nicht ganz klar ist, ob Przybilla wirklich interessiert ist, für Deutschland aufzulaufen.

SPOX: Warum? Przybilla sagte bereits: "Es wäre eine Ehre, für Deutschland zu spielen."

Bauermann: Das ist ein gutes Zeichen, aber bei der Bewertung bin ich vorsichtig. Wer sagt schon von sich aus: "Ich habe keinen Bock. Das interessiert mich nicht." Aber was er wohl davon hält, sechs Wochen im Sommer weg von der Familie in Europa zu verbringen?

SPOX: Klingt pessimistisch.

Bauermann: Eher realistisch. Es gibt viele Fragen, die unbeantwortet sind. Etwa der, was die Trail Blazers von der Sache halten. Ich erinnere nur an die Probleme, die wir in der Vergangenheit mit Dallas wegen Dirk Nowitzki und vor allem im Sommer mit den Clippers wegen Chris Kaman hatten. Chris war im Grunde gegen den Willen der Clippers bei uns dabei und die Clippers haben nur still gehalten, weil es um die Olympischen Spiele ging.

SPOX: Nichtsdestotrotz gibt es neben Przybilla weitere Kandidaten aus der NBA. Was ist mit Indianas Spielmacher Travis Diener, der angeblich deutsche Vorfahren hat?

Bauermann: Dirk hat Travis angesprochen, aber er hat kein Interesse. Daher hat sich das erledigt.

SPOX: Und was ist mit Anthony Randolph?

Bauermann: Eine komplette Ente.

SPOX: Gibt es zumindest Hoffnung bei Sacramentos Youngster Donte Greene? Er wurde in München geboren und hat neben dem amerikanischen auch den deutschen Pass.

Bauermann: Wir lassen nichts unversucht und stehen im direkten Austausch mit Donte und seinem Agenten. Ich habe bereits häufiger mit Donte telefoniert, Dirk hat sich auch schon mit ihm unterhalten, bei Chris hat sich Donte sogar erkundigt, welche bürokratischen Schritte notwendig sind. Es besteht also Hoffnung. Aber nicht mehr. Denn es gibt zwei Probleme.

SPOX: Nämlich?

Bauermann: Das größte Problem: Weil Donte für die U 19 der USA aktiv war, müsste er die Basketball-Nationalität wechseln - was normalerweise mit einer dreijährigen Sperre einhergeht. So wäre er erst 2012 spielberechtigt. Abgesehen davon: Sollte Sacramento von Donte erwarten, in der Offseason an der Summer League teilzunehmen, hätten wir sowieso keine Chance.

SPOX: Läuft Ihnen aber nicht dennoch schon das Wasser im Mund zusammen, wenn Sie an ein Lineup mit Nowitzki, Kaman, Przybilla und Greene denken?

Bauermann: Es wäre sensationell, wenn es klappen würde. Aber ich bin 51, keine 31 mehr. Da ist man nicht mehr so übertrieben hoffnungsvoll, sondern hält den Ball flach.

SPOX: Bei aller Zurückhaltung: Wie viel stärker wäre die Nationalmannschaft mit Przybilla und Greene?

Bauermann: So pauschal kann man das nicht beantworten. Aber Fakt ist: Przybilla gehört zu den besten Reboundern der Liga und Greene ist ein junger, mit 2,11 Metern sehr großer Flügelspieler. Ein großes Talent mit noch größeren athletischen Fähigkeiten und einem tollen Drive zum Korb. Wir werden nichts unversucht lassen, um die beiden für uns zu gewinnen.

SPOX: Einige Basketball-Fans jedoch kritisieren den Weg des DBB. Die Praxis, NBA-Spieler einzubürgern, sei ein Offenbarungseid für die eigene, schlechte Nachwuchsarbeit.

Bauermann: Der Vorwurf ist albern, fast schon böswillig. Der amerikanische Basketball bereitet uns in Deutschland so viele Probleme, weil Basketballer aus Übersee die BBL überfluten und den Markt kaputtmachen. Wenn wir dem Dilemma aber etwas Positives abgewinnen können, indem wir uns zum Beispiel mit Hilfe von Chris Kaman für die Olympischen Spiele qualifizieren, ist das sehr erfreulich - und bestimmt kein Offenbarungseid.

SPOX: Es bleibt aber die Kritik an der Nachwuchsarbeit.

Bauermann: Sicherlich können wir uns in der Jugendförderung verbessern. Und es ist sicher unbefriedigend, wenn beispielsweise in Frankfurt mit Konrad Wysocki und Dominik Bahiense de Mello zwei Nationalspieler nur wenig Spielzeit bekommen. Andererseits gibt es aber auch positive Signale wie in Gießen, wo Heiko Schaffartzik zum Leistungsträger herangereift ist und Johannes Lischka vor dem Sprung in die Nationalmannschaft steht.

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Bauermann: ...was aber auch mit seiner Fuß-Verletzung zusammenhängt. Wenn er wieder fit ist, wird er sich in Bamberg durchsetzen und in der Nationalmannschaft bei der EM eine wichtigere Rolle als noch bei Olympia spielen.

SPOX: Ist auch Lucca Staiger für die EM ein Thema? Für Iowa State spielt er eine überraschend gute erste Saison.

Bauermann: Er hat hervorragende Chancen, bei der EM dabei zu sein. Neben seinem sowieso guten Dreier hat sich in den letzten Monaten auch seine Athletik und Verteidigung deutlich verbessert.

SPOX: Staiger selbst spricht schon von der NBA.

Bauermann: Er hat das Potenzial, ein richtig guter Basketballer in Europa zu werden und in Spanien oder Italien zu spielen. Ob es für die NBA reicht, müssen wir abwarten.

SPOX: Sie wollten Ende Februar in die Staaten reisen, um sich mit Staiger und Nowitzki zu treffen. Warum hat es nicht geklappt?

Bauermann: Ich hatte vor einem Monat einen Bandscheibenvorfall. Ich sitze viel im Auto, dazu kommen mein vorgeschädigter Rücken und die Stützpunkttrainingseinheiten mit Talenten wie Elias Harris oder Robin Benzing: Auf einmal hat es Krach gemacht und die Bandscheibe war im Eimer. Die Reise hole ich aber nach.

SPOX: Um Nowitzki von der EM-Teilnahme zu überzeugen?

Bauermann: Ich muss Dirk von gar nichts überzeugen. Er weiß am besten, worum es bei der EM geht. Wie wichtig er in der Phase des Umbruchs nach dem Rücktritt von Pascal Roller oder Patrick Femerling ist. Es hängt alles nur davon ab, wie frisch er sich nach der NBA-Saison fühlt.

SPOX: Ist davon auszugehen, dass Nowitzki nur dabei ist, wenn Dallas spätestens in der ersten Playoff-Runde ausscheidet?

Bauermann: Nein. Selbst wenn Dallas in die Finals einzieht, könnte es klappen. Die EM ist ja erst im September, hoffentlich hat Dirk dann wieder Lust auf Basketball.

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