Angriff auf die Big 5

Von Jonas Schützeneder
Immer engagiert an der Linie: MT-Coach Michael Roth lebt die Leidenschaft vor
© getty

Mit Rang 6 ist die MT Melsungen eine der Überraschungen in der aktuellen Saison. Großen Anteil hat neben Trainer Michael Roth auch Geschäftsführer Axel Geerken. Der ehemalige Nationaltorhüter hat das Team umstrukturiert. Obwohl es finanziell noch Unterschiede gibt, will er die Top 5 der Liga angreifen. Nächste Gelegenheit: Das Heimspiel gegen Serienmeister THW Kiel am Samstag.

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Es ist noch nicht allzu lange her, dass Heiner Brand zur Attacke ausholte. "Mit der Situation in Melsungen kann ich nicht zufrieden sein", sagte der Weltmeister-Trainer mit Blick auf den Verein aus Hessen. Zeitweise ohne einen einzigen deutschen Spieler hatte sich der Klub in der HBL etabliert. Das war 2008.

Heute ist aus dem ehemaligen Negativbeispiel ein Vorbild geworden. MT Melsungen liegt nach einer bisher starken Saison auf Rang 6, unmittelbar in Schlagdistanz zu den großen fünf Teams der Liga, die aus Kiel, Hamburg, Berlin, Flensburg und Mannheim kommen. Nach dem 30:27 über Göppingen ist zudem sogar das Final Four im Pokal gebucht.

Maßgeblichen Anteil an der neuen Ausrichtung hat Axel Geerken. Der frühere Nationaltorwart (u.a. THW Kiel) leitet als Geschäftsführer seit 2012 die Geschicke in Melsungen und Kassel. "Der Verein ist quasi auf zwei Städte aufgeteilt", erklärt er im Gespräch mit SPOX.

Duell mit den Traditionsklubs

Da die eigene Halle mit knapp 1100 Zuschauern mittlerweile viel zu klein ist, trägt die MT ihre Heimspiele in der Rothenbach-Halle der Messe Kassel aus. Trotz höherer Kapazität ein großes Risiko. Mit Hessen Kassel und den Kassel Huskies gibt es dort schließlich gleich doppelte, namhafte Konkurrenz.

"Anfangs hat es etwas gedauert, aber mittlerweile haben wir in Kassel einen festen Zuschauerstamm. Den Schnitt haben wir zuletzt jeweils gesteigert", sagt Geerken. Gut 3000 sind es in der laufenden Saison, auch weil der Klub eine starke Saison spielt. Platz 6 und drei Siege aus vier Spielen: MT zählt zu den heißesten Teams der Liga. Wegen dieser Erfolge gibt es allerdings auch kritische Stimmen.

Etat liegt bei 3,5 Millionen Euro

Weil mit dem Melsunger Unternehmen "B.Braun" ein starker Sponsor im Hintergrund steht, wird der Verein vor allem von gegnerischen Fans kritisiert. Geerken will das jedoch nicht einfach so stehen lassen. "B.Braun ist ein Melsunger Unternehmen, das zum Weltkonzern geworden ist. Es ist unser Hauptsponsor, aber wir werden darüber hinaus von rund 150 kleinen und mittleren Firmen und Förderern unterstützt."

Auf 3,5 Millionen Euro datiert Geerken den Etat, die Top-Teams der Liga liegen bei 10 Millionen. Etwa 75 Prozent davon kommt aus den Sponsoring-Einnahmen, so auch in Melsungen. "Wir haben überwiegend regionale Förderer, arbeiten derzeit aber auch verstärkt an unserem Auftreten, um auch internationale Sponsoren anzuziehen", verrät Geerken, der bereits als Spieler eine Ausbildung zum Steuerfachangestellten absolvierte und nach seiner Karriere ins Management wechselte.

Kontinuität bei Trainer und Team

In Melsungen hat der 41-Jährige gemeinsam mit Cheftrainer Michael Roth aus dem ehemals internationalen Gemisch dank neuer Ausrichtung nun ein völlig neues Team gebaut. Gleich neun Spieler kommen aus Deutschland. "Das ist unsere Philosophie. Wir haben auf den entscheidenden Positionen Konstanz und können uns so entwickeln."

Einen solchen Posten hat Roth inne. Der Trainer blickt selbst auf eine 12-jährige Erfahrung als Bundesligaspieler zurück, bestritt 44 Länderspiele und holte 1984 bei Olympia Silber. Seit 2010 steht er nun bei den Hessen an der Linie. Bei den Fans kommt eine solch kontinuierliche Entwicklung gut an. Es wächst etwas zusammen zwischen Kassel und Melsungen.

Die aktuelle Position soll dabei noch nicht das Ende sein. Angesichts von derzeit nur sechs Punkten Rückstand auf die Berliner Füchs will der Klub mittelfristig die "Top 5" angreifen. "Das Ziel ist es, mittelfristig international zu spielen", fordert Geerken.

Bereits am Samstag kann die Überraschungs-Mannschaft das nächste Ausrufzeichen setzen und gleichzeitig eine Schritt in die vom Manager vorgegebene Richtung tun. Serienmeister THW Kiel ist zu Gast in Kassel. Seit Wochen fiebert der Klub auf das Duell mit dem Meister und Pokalsieger hin. Seit Wochen ist die Rothenbach-Halle ausverkauft. Wer in die Top 5 will, muss zuhause die Top 5 auch schlagen können. Nur dann ist die Teilnahme am internationalen Geschäft möglich.

Gehälter werden pünktlich gezahlt

Ob dann auch die richtig großen Stars nach Melsungen kommen? "Wir haben ein gutes Umfeld und arbeiten seriös, das wird uns hoch angerechnet. Außerdem bekommen unsere Spieler zuverlässig und pünktlich ihr Geld. Das sind schon gute Argumente in Verhandlungen", findet Geerken, dem trotzdem zwei Dinge Sorge bereiten.

"Die Nationalmannschaft", so der Manager, "ist ganz eng mit der Liga verbunden. Wenn da die Erfolge ausbleiben, merken das alle HBL-Klubs." Beim Duell mit Polen im Juni geht es um die Teilnahme zur WM. Ein Verpassen wäre die nächste Katastrophe.

Alle Voraussetzungen geschaffen

In der Zeit nach der WM und dem Titelgewinn im eigenen Land habe der allgemeine Handball-Boom zudem vor allem den großen Teams genützt. "Die Schere ist auseinandergegangen, jetzt schließt sie sich langsam wieder etwas", so Geerken.

Einen wesentlichen Beitrag dazu kann Melsungen leisten. Die Voraussetzungen sind geschaffen für den Angriff auf die Top 5. Infrastruktur und Kader passen, der Zuschauerschnitt steigt. Mittlerweile ist sogar Heiner Brand zufrieden: "Es hat etwas gedauert, aber die Entwicklung ist positiv. Bei Michael Roth habe ich allerdings auch nichts anderes erwartet", sagt der 61-Jährige - und seine Kritik von 2008 ist längst vergessen.

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