Konfrontation mit dem Albtraum

SID
Karol Bielecki spielte zuletzt mit der polnischen Nationalmannschaft gegen Deutschland
© Getty

Karol Bielecki von den Rhein-Neckar Löwen verlor im Juni sein linkes Augenlicht. Am Sonntag trifft der Pole erstmals wieder auf den Gummersbacher Josip Valcic, der damals an dem folgenschweren Unfall beteiligt war.

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Aus dem scheinbar Unmöglichen ist längst Normalität geworden. Karol Bielecki nimmt den Ball an, macht zwei Schritte zur Seite und einen Moment später schlägt sein Wurf im Torwinkel ein. Überschwänglicher Jubel bleibt aus. Ein kurzer Griff noch an die Brille. Dann geht es für den 2,02-m-Hünen vom Handball-Bundesligisten Rhein-Neckar Löwen weiter.

"Es ist schon wieder fast alles wie früher. Ich habe mich mit der Situation abgefunden und denke nicht mehr an den Unfall", erklärt Bielecki und fügt leise an: "Ich habe es geschafft."

Erstes Wiedersehen mit Valcic

Die Gedanken an den Unfall, wie der auf einem Auge erblindete Pole den Schicksalsschlag vom 11. Juni bezeichnet, werden am Sonntag aber sicher hochkommen. Dann trifft Bielecki im Spiel gegen den VfL Gummersbach zum ersten Mal den Mann wieder, der an dem Unglück unmittelbar beteiligt war.

Der Kroate Josip Valcic hatte Bielecki ("Das Wiedersehen macht mir keine Angst") bei einem Länderspiel in Kielce mit dem Finger unglücklich im linken Auge getroffen. Dabei platzten Hornhaut, Linse und Augapfel des 28-Jährigen. Zudem wurde die Netz- und Lederhaut schwer beschädigt.

Bielecki dachte ans Aufhören

Auch die folgenden Operationen konnten das Augenlicht Bieleckis, der mit Valcic neulich telefonierte, nicht mehr retten. "Ich mache ihm aber keine Vorwürfe. Es war ein unglücklicher Zusammenprall. Sport ist eben Risiko", betonte der Rückraumspieler und überraschte durch seine Einschätzung: "Sein Finger hat mein Auge getroffen. Aber richtig ist auch, dass mein Auge seinen Finger traf."

Bielecki macht keinen Hehl daraus, dass er unmittelbar nach dem Unfall an sein Karriereende dachte. "Ich war mir sicher, mit einem Auge kannst du nie mehr auf dem alten Niveau spielen. Aber alle in meinem Umfeld waren so positiv. Da musste ich doch mitziehen."

Zehn Brillen und eine Prothese

Viereinhalb Monate nach dem Drama ist Bielecki wieder fast der Alte. Trotz des eingeschränkten peripheren Sehens, das er durch eine stärkere Kopfdrehung zu kompensieren versucht. In zwölf Bundesligapartien hat der Ex-Magdeburger insgesamt 51 Tore geworfen - was einen ordentlichen Schnitt von 4,25 Treffern bedeutet. Und glaubt man Löwen-Manager Thorsten Storm, dann hat das Erlebte den Rotschopf robuster gemacht: "Ihn wirft jetzt so schnell nichts mehr um", meinte Storm.

Allein die Plexiglasbrille mit dem schwarzen Gummiband, die einzig dem Schutz des gesunden Auges dient, erinnert noch an den Unfall. Zehn Exemplare hat er insgesamt - zwei bis drei führt er immer in seiner Sporttasche mit.

"Vergessen habe ich sie aber noch nie", berichtet Bielecki, auf den nach der Saison in punkto Vergangenheitsbewältigung ein weiterer großer Schritt wartet: In einer Operation soll ihm eine Prothese ins erblindete Auge gesetzt werden. "Dann sehe ich auch wieder genauso aus wie früher."

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