"Dieser Präsident ist eine Schande"

Von Thomas Gaber
Ein Verein in Schieflage: Der TSV 1860 München kommt nicht zur Ruhe
© Getty

Mit viel Tamtam hatte der TSV 1860 München vergangen Woche einen Deal mit dem Berliner Immobilienmakler Nicolai Schwarzer verkündet. Die Vereinsbosse, Präsident Rainer Beeck und seine Adjutanten Michael Hasenstab und Franz Maget, strahlten mit dem neuen Sportdirektor Miroslav Stevic, der den Deal eingefädelt hatte, um die Wette.

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Von nun an werde alles gut bei den Löwen, so der Tenor. Mit frischem Geld aus Berlin sollte die Rückkehr in die Bundesliga bewerkstelligt werden. Doch wie so oft in der Vergangenheit bei 1860 ging auch dieser Plan in die Hose.

Weil die DFL große Bedenken über die Legitimation des Deals geäußert hatte, kamen der Verein und Schwarzer überein, ihr gemeinsames Engagement "auf Eis zu legen".

Beeck und Konsorten führen eine unsägliche Tradition bei 1860 fort. Schon Beecks Vorgänger Karl-Heinz Wildmoser, Karl Auer, Alfred Lehner und Alfred von Linde trieben den Verein an den Abgrund.

Eine Chronologie der Peinlichkeiten beim TSV 1860 München:

9. März 2004: Löwen-Präsident Karl-Heinz Wildmoser senior und sein Sohn Karl-Heinz Wildmoser junior werden wegen des Verdachts auf Untreue, Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung festgenommen. Beide sollen vor Baubeginn der Allianz-Arena 2,8 Millionen Euro Schmiergelder von einer österreichischen Baufirma kassiert haben. Als Gegenleistung sollen sie der Firma den Auftrag zugeschanzt haben. In einer groß angelegten Polizeiaktion werden ihre Wohnungen und die Geschäftsräume von 1860 durchsucht.

10. März 2004: Wildmoser senior lässt sein Amt als Präsident von 1860 München ruhen. Wildmoser junior wird dem Haftrichter vorgeführt. Teile des Vermögens der beiden Beschuldigten werden gepfändet.

15. März 2004: Wildmoser senior erklärt seinen Rücktritt als Präsident von 1860. Karl Auer wird zu seinem Nachfolger bestimmt.

14. April 2004: 1860-Vizepräsident Zehetmair gibt nach der 1:2-Niederlage gegen den HSV in mehreren Interviews die "einvernehmliche Trennung" von Trainer Falko Götz bekannt. Götz' Reaktion auf der Pressekonferenz: "Davon weiß ich nichts. Ich hatte gerade ein Gespräch mit Präsident Auer, da klang das noch anders." Sportdirektor Dufner schämt sich hinterher anschließend für "eine  inakzeptable Vorgehensweise". Später legt er nach: "Das gibt es in keinem Karnickel-Verein, dass der Vize vor dem Präsidenten spricht. Ich habe mich selten so geschämt wie nach diesem Spiel."

26. März 2006: Alfred Lehner wird Nachfolger des aus gesundheitlichen Gründen zurückgetretenen Präsidenten Auer. Bankier Lehner lässt sich als "Retter" des Traditionsvereins feiern. Als Geschäftsführer wird Stefan Ziffzer installiert. Kaum im Amt, legt Ziffzer die katastrophale finanzielle Lage bei den Löwen offen.

27. April 2006: Der FC Bayern übernimmt für elf Millionen Euro die Anteile von 1860 an der gemeinsamen Stadion GmbH und rettet die Löwen somit vor der Insolvenz. Ziffzer: "1860 war schon lange insolvent. Hätten wir diesen Schritt nicht getan, wäre ich nächsten Dienstag ins Gefängnis gewandert oder hätte Insolvenz anmelden müssen. Dann hätten wir keine Chance gehabt, die Lizenz zu bekommen, auch nicht für die Regionalliga."

23. Oktober 2006: Die Delegiertenversammlung der Löwen gerät wegen eines peinlichen Formfehlers zu einem Debakel. Weil die Einladungen nicht rechtzeitig verschickt worden waren, können keine rechtswirksamen Entscheidungen getroffen werden.

28. März 2007: Nach monatelangen Querelen wird Albrecht von Linde vom Aufsichtsrat zum neuen Präsidenten bestimmt. Vize-Präsident wird TV-Produzent Otto Steiner, zu dessen Gunsten von Linde nach 18 Monaten zurücktreten soll.

6. September 2007: Steiner erklärt seinen Rücktritt.

11. Mai 2008: Geschäftsführer Ziffzer attackiert von Linde nach dem Spiel gegen Osnabrück: "Dieser Präsident ist eine Schande für 1860. Der Fisch stinkt vom Kopf - und bei 1860 ist der Kopf der Präsident. Entweder gehe ich als Präsident voran und führe den Verein - oder verstecke mich im Keller und lasse mich alle drei Tage mit einem Fanschal fotografieren. Wir brauchen dringend einen Präsidenten, auf den München stolz sein kann." Eine Stunde später stellt von Linde Ziffzer zur Rede: "Herr Ziffzer, Sie sind fristlos entlassen."

13. Mai 2008: Von Linde erteilt Ziffzer Hausverbot. Ziffzer tritt nach: "Meine Rede war kein Ausrutscher. Auf diesen Moment habe ich sechs Monate gewartet. Der Präsident wollte mich vom ersten Moment abschießen. Mir tut's leid für 1860, weil der Verein Besseres verdient hat." Der bisherige Manager Stefan Reuter übernimmt die alleinige Geschäftsführung.

14. Mai 2007: Trikotsponsor Trenkwalder erwägt wegen des Führungschaos bei 1860 den Ausstieg.

27. Mai 2008: Rainer Beeck löst von Linde als Präsident ab. Beeck über Reuter: "Er genießt unser vollstes Vertrauen."

2. Februar 2009: Geschäftsführer Reuter wird entlassen, Stevic neuer Sportdirektor. Stevic bringt mit Rukavina und Gulan zwei Spieler mit und mit der Immobiliengruppe Schwarzer einen Investor. Vize-Präsident Maget: "Es geht um den Erfolg von 1860." Präsident Beeck gewährt Stevic totale Handlungsfreiheit: "Stevic trägt jetzt die Verantwortung und wird sich ein Bild von der Gesamtsituation machen. Danach wird er personelle Entscheidungen treffen."

3. Februar 2009: Stevic verzichtet auf ein Treuebekenntnis für Trainer Marco Kurz mit den Worten: "Das wäre unseriös." Vize-Präsident Hasenstab verplappert sich: "Mit Reuter als Geschäftsführer wäre Schwarzer nicht gekommen."

6. Februar 2009: Trikotsponsor Trenkwalder verkündet seinen Rückzug zum Saisonende.

9. Februar 2009: 1860 gibt in einer Presseerklärung bekannt, dass das Engagement mit Investor Schwarzer wegen Bedenken seitens der DFL "auf Eis gelegt wird". Stevic sagt einen TV-Auftritt im Bayrischen Fernsehen kurzerhand ab. Stattdessen kommt Vize-Präsident Maget und eiert herum: "So ein Einstieg ist immer heikel. Wir glaubten, einen guten Weg gefunden zu haben. Der Rückzug kommt überraschend. Es gab ein Kommunikationsproblem mit der DFL."

10. Februar 2009: Die DFL weist die Behauptung von 1860 zurück, wonach Bedenken der DFL das anvisierte Geschäft des Klubs mit Schwarzer verhindert hätten. Nach "tz"-Informationen ist Aufsichtsratsmitglied Jo Brauner zurückgetreten. Aufsichtsrat Christian Ude attackiert das Präsidium in der "SZ". "Es ist grundsätzlich nicht gut, wenn das Präsidium Geschäfte aushandelt. Dafür ist die Geschäftsführung da." Und Stevic erklärt: "Es gab Irritationen. Aber ich will mein Amt weiterführen."

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