"Hier wachsen Persönlichkeiten"

Von Florian Bogner
Ab August 2009 sollen im Deutschen Fußball Internat Persönlichkeiten wachsen
© deutsches fußball internat

Schalkes ehemaliger Eurofighter Ingo Anderbrügge hat einen Traum: Er will 12- bis 18-Jährige im "Deutschen Fußball Internat" zu Fußball-Profis ausbilden. SPOX hat sich vor Ort umgesehen - und perfekte Voraussetzungen für den jugendlichen Traum von der Profikarriere vorgefunden.

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"Links ums Hütchen rum, du Schnarchhahn!", gellt es über den kleinen Kunstrasenplatz. Der 15-jährige Dennis zuckt kurz zusammen und tut dann, wie ihm geheißen. Die Ballführung wird enger, Dennis nimmt Tempo auf. Zügig umrundet er auch die letzten beiden Pilonen und kommt mit einem Grinsen bei Ingo Anderbrügge an, der ihm bestätigend zunickt.

Anderbrügges Wort hat in Marl-Sinsen Gewicht. Der Fußballlehrer betreibt hier am Rande des Ruhrgebiets seit elf Jahren die "Ingo Anderbrügge Fußballschule" und ist nun dabei, sich einen Traum zu verwirklichen: Er wird Jugendspieler in Vollzeit unter seine Fittiche nehmen - und will sie zu Fußballprofis machen.

"Deutsches Fußball Internat - Hier wachsen Persönlichkeiten", steht auf dem Gebäude hinter dem Kunstrasenplatz in großen Lettern. Ehrgeizige Ziele versteckt man hier nicht hinter dicken Mauern, man malt sie plakativ vorne drauf.

Ab August wird der erste Jahrgang des DFI hier seine Betten beziehen und irgendwann, so hofft man beim DFI, die Fußballwelt erobern.

Anderbrügge und Eglinski - das passt

Hinter dem Internat stehen vor allem zwei Namen: Ingo Anderbrügge und Thomas Eglinski. Anderbrügge ist hier im Dunstkreis von Gelsenkirchen und Dortmund zuhause, hat für den BVB und Schalke 04 in der Bundesliga gekickt, 1997 den UEFA-Cup gewonnen und seitdem seiner Heimat nur einmal kurz abgeschworen, als er 2007 frisch von der Schulbank des DFB in Burghausen anheuerte und nach wenigen Monaten im Grabenkampf mit der Vorstandschaft aufgeben musste.

Sein missglücktes Debüt als Profi-Trainer war gleichzeitig der Startschuss für das Fußball-Internat. In Burghausen lief dem DFB-Fußballlehrer nämlich Eglinski über den Weg - ein echter Glücksfall, wie sie heute betonen. Beide hatten vorher schon viele Erfahrungen im Jugendbereich gesammelt. Anderbrügge mit seiner Fußballschule in Marl, Tausendsassa Eglinski betreibt heute noch mit den "INTERSPORT kicker Fußballcamps" die größte Fußballschule Europas.

Die Idee, ein Internat für Fußballer auf die Beine zu stellen, hatte Eglinski schon vorher. Mit Anderbrügge hatte er den idealen Partner gefunden. "Wir haben uns beschnuppert und sind dann recht schnell zu dem Entschluss gekommen, dass die Fußballschule in Marl-Sinsen der ideale Standort wäre", sagt Anderbrügge heute. Ist man in Marl vor Ort, glaubt man ihm sofort.

Schule, Fußball, Persönlichkeit

Die Talentschmieden Schalke, Dortmund, Bochum und Wattenscheid sind nur wenige Kilometer entfernt, trotzdem ist man am DFI inmitten des Naherholungsgebiets Haard in einer echten Idylle gelandet. "Man denkt bei Ruhrgebiet immer gleich an Bergbau, ist hier bei uns aber mitten im Grünen", sagt Anderbrügge nicht ohne Stolz.

Einmal am Internat angekommen, werden die Internatsschüler je nach Leistungsniveau bei Vereinen in der Umgebung kicken, drücken nebenbei an einer der drei Partnerschulen in Marl die Schulbank und werden zudem am Internat individuell trainiert und nicht zuletzt - daher der Wahlspruch vorne auf dem Gebäude - zu echten Persönlichkeiten ausgebildet.

Dieses Drei-Säulen-Prinzip - Schule, Fußball, Persönlichkeit - ist die Grundlage des DFI. Für die schulische Betreuung hat das Internat einen Pädagogen angestellt, der die Schüler bei den Hausaufgaben betreut. Um den Fußballbereich kümmert sich Anderbrügge und das Persönlichkeitscoaching ist Eglinskis Steckenpferd, der in diesem Bereich schon mit mehreren Profis und Trainern, zum Beispiel Bruno Labbadia, zusammen gearbeitet hat.

Erster Jahrgang kurz vor dem Einzug

"Viele Elternhäuser kommen ihrer ursprünglichen Aufgabe nicht mehr nach, haben große Probleme das zu vermitteln, worauf es ankommt", glaubt Eglinski. "Bei uns bekommen die Kinder Werte vermittelt, angefangen von Ehrlichkeit und Vertrauen über Leistung, Fleiß, Disziplin, Integrität, Selbstbewusstsein und Verantwortungsbewusstsein."

"Außerdem sollen die Schüler lernen, ihre Ziele genau zu kennen und zu formulieren: zu wissen, was man im Leben erreichen will - und kann", pflichtet ihm Anderbrügge bei. Als Fußballer müsse man zudem auch lernen, mit Siegen und Niederlagen umzugehen.

Wenn im August der erste Jahrgang seine Zimmer bezieht, haben die Jungs zwischen 12 und 18 Jahren ihr erstes Ziel schon erreicht: Sie sind am DFI angenommen worden. 48 Betten hat das Internat maximal zur Verfügung, im ersten Jahr wird das Internat wohl schon zur Hälfte ausgelastet sein.

"Ich will Profi werden"

Dennis ist einer der Kandidaten, die sich für die erste Generation bewerben. Deswegen spielt er heute am DFI vor. Sein Ziel? "Ich will Fußball zu meinem Beruf machen", gibt der 15-Jährige unumwunden zu. Sechs Kandidaten sind an diesem Probe-Wochenende im DFI zu Gast, sie alle wollen ab August hier wohnen und ihr Leben vollends dem Fußball verschreiben. Trennungsängste haben die wenigsten - dann schon eher die Eltern, die ihre Kinder mit gemischten Gefühlen abliefern.

"Mein Sohn ist ganz entspannt, er will das hier. Aber ich, ich bin noch ein bisschen vorsichtig und habe schon ein wenig Angst davor loszulassen", sagt ein Vater. Er ist mit seinem 16-jährigen Sohn extra aus dem Elsass angereist, sein Filius hatte vom DFI gehört und war sofort Feuer und Flamme.

Sohn Julian, der bisher für den SC Colmar in Frankreich kickte, ist in der Übungseinheit mit Anderbrügge einer der versiertesten am Ball. Sein Weg wird ihn im ersten Schritt wohl zu einem Verein in der Westfalenliga - der zweithöchsten Spielklasse - führen, wo er von den Nachwuchsscouts der Bundesligisten genau beobachtet werden wird.

Jeden Tag am Ball

Die Umstellung - neues Umfeld, neue Schule, neue Freunde - verlangt viel von den Schülern ab. Deswegen wird fußballerisch bei manchen lieber ein Schritt kleiner angefangen, bevor man sich auf der Ersatzbank wiederfindet.

Haben die Schüler dann mal kein Vereinstraining, wird am Internat trainiert. So sind die Jungen jeden Tag unter der Woche am Ball. "Wir arbeiten mit jedem einzelnen Spieler exakt an den Punkten, die im Vereinstraining zu kurz kommen oder gar nicht berücksichtigt werden können", sagt Eglinski. Die älteren haben sogar zweimal die Woche schon vor dem Frühstück den Ball am Fuß.

Als Grundvoraussetzung müssen die Schüler nicht schon mit 13 Jahren Pokale gewonnen haben und in Auswahlmannschaften spielen - sie müssen vor allem sportbegeistert und gewillt sein, sich weiterzuentwickeln.

Jahrhunderttalente? Alles Quatsch!

"Es ist wichtig, dass die Kinder bei uns merken, dass die meisten Attribute und Fähigkeiten, die heute ein überragender Fußballer hat, nicht angeboren, sondern angeeignet sind", sagt Eglinski. In einer offenen Gesprächsrunde lässt er die Schüler nach dem Training mit Anderbrügge Stichworte nennen, die einen Fußballer wie Cristiano Ronaldo auszeichnen. "Schnelligkeit", sagt Dennis. "Er muss die anderen mitreißen können", wirft Julian ein.

Am Ende stehen über 30 Begriffe auf dem Flipchart - und die Schüler merken, dass einem Fußballer fast nichts davon in die Wiege gelegt wird. "Das ist der erste Schlüsselmoment", erklärt Eglinski. Man müsse wegkommen vom Mantra der Medien, die permanent von Jahrhunderttalenten sprechen.

"Das ist alles Quatsch", meint er. "Ich halte es da eher wie Oliver Kahn, der mal gesagt hat, er wäre überzeugt, dass man mit harter Arbeit an vielen vorbeikommt, die vermeintlich mehr Talent haben."

Auch Dennis wird das früher oder später verinnerlicht haben. Und wenn er erst einmal am Internat fest angekommen ist, wird er bestimmt nicht mehr auf der falschen Seite am Hütchen vorbei laufen.

Das Konzept des Deutschen Fußball Internats

SPOX.com wird dem Deutschen Fußball Internat in Zukunft als Medienpartner zur Seite stehen und die Entwicklung der Schüler begleiten. Im Navigationsbereich Jugend finden Sie alle Themen zum Nachwuchsfußball und alle Storys rund um das DFI in Marl-Sinsen.