"Schalke gegen Dortmund ist nichts"

Von Interview: Fatih Demireli
Olcay Sahan schickt einen Gruß an Fenerbahces Cristian Baroni und dessen Torjubel
© imago

Olcay Sahan wechselte vor der Saison vom 1. FC Kaiserslautern zu seinem Lieblingsklub Besiktas. Das Highlight feierte der 25 Jahre alte Offensivspieler am Sonntag. Beim letzten Derby im alten Inonü-Stadion schoss Sahan in der 93. Minute das 3:2-Siegtor gegen Erzrivale Fenerbahce. Seitdem ist nichts mehr, wie es einmal war.

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SPOX: Herr Sahan, wie viele Interviews mussten Sie in den letzten Tagen geben?

Olcay Sahan: Bestimmt an die 50. Ich habe den Überblick verloren (lacht).

SPOX: Klopft das Herz noch wie wild oder hat sich der Hype schon wieder etwas gelegt?

Sahan: Wenn ich mich an das Spiel erinnere und die Szenen im Fernsehen wieder sehe, kribbelt es schon. Das war einmalig. Es ist ein schönes Gefühl zu wissen, dass ich meinen Kindern und Enkeln etwas erzählen kann. Wir haben unsere Fans glücklich gemacht, ich habe ein wichtiges Tor geschossen. Einfach schön.

SPOX: War es Ihr bisheriges Karrierehighlight?

Sahan: Auf jeden Fall. Ich kenne die Derbys aus Deutschland. Schalke gegen Dortmund ist sicherlich ein heißes Duell, aber gegen ein Istanbuler Derby ist es nichts. Hier ist es viel emotionaler, viel intensiver. Wir haben Stunden gebraucht, bis wir am Stadion ankommen konnten, weil die Fans auf den Straßen Spalier standen. So etwas gibt es nur in der Türkei.

SPOX: Nebeneffekt des triumphalen Derby-Siegs: Besiktas hat Fenerbahce in der Tabelle überholt und ist wieder Zweiter. Das hätte vor der Saison kaum jemand erwartet, nachdem Quaresma, Simao und Co. gegangen sind. Sind Sie auch überrascht?

Die Tabelle der türkischen Süper Lig

Sahan: Überhaupt nicht. Ich war eher überrascht, dass uns das Umfeld und die Medien so schlechtgeredet haben und uns kein Platz unter den ersten Zehn zugetraut wurde. Ich war mir schon an meinem ersten Tag sicher, dass wir unter den ersten Drei landen werden, weil ich die Qualität der Mannschaft gesehen habe. Und ich bin auch überzeugt, dass wir bis zum Schluss um die Meisterschaft spielen werden.

SPOX: Die Istanbuler Konkurrenz hat Stars wie Drogba, Sneijder, Sow oder Meireles. Besiktas ist eine Mannschaft ohne Stars. Dennoch mischt man oben mit. Was ist das Rezept?

Sahan: Wir sind die einzige Mannschaft, die als echte Einheit auftritt. Die Disziplin, die wir an den Tag legen, ähnelt der einer deutschen Mannschaft. Einzelne Superstars holen keine Meisterschaft, das kann nur eine komplette Mannschaft und deswegen sind wir so erfolgreich.

SPOX: Sie persönlich gehören zu den Erfolgsgaranten: Acht Tore in einer Saison haben Sie bisher noch nie geschossen. Liegt Ihnen die Liga?

Sahan: Ich habe kein Erfolgsgeheimnis. Ich arbeite viel, mein Trainer schenkt mir Vertrauen und ich versuche, es mit jedem Spiel nicht zu missbrauchen und zurückzugeben. Ich spiele Fußball und das macht mich glücklich.

SPOX: Sie wechselten vom Bundesliga-Absteiger Kaiserslautern zum selbsterklärten Titelkandidaten Besiktas. Sie sind nun der einzige Spieler der Istanbuler Top-Klubs, der bisher alle Liga-Spiele bestritten hat. Hätten Sie erwartet, dass Sie so schnell so wichtig werden?

Sahan: Mein Bruder und Berater Osman Sahan und ich waren immer von meiner Qualität überzeugt, sonst hätten wir diesen Schritt nicht getan. Ich bin überzeugt, dass ich sogar noch erfolgreicher und wichtiger werden kann.

SPOX: Viele türkische Spieler in Deutschland nehmen Abstand davon, in jungen Jahren in die Süper Lig zu wechseln. Hatten Sie keine Zweifel?

Sahan: Junge Spieler können diese Zweifel haben, aber ich bin mit 25 nicht mehr jung und habe in Deutschland viel Erfahrung gesammelt. Ich habe vorher auch viel Negatives über den türkischen Fußball gehört, was beispielsweise die Gehälter angeht.

SPOX: Hat es sich bestätigt?

Sahan: Nein, ich habe alle meine Gehälter bekommen und bin glücklich in Istanbul. Ich kann jedem empfehlen, diesen Schritt zu machen.

SPOX: Wie lebt es sich denn in Istanbul?

Sahan: Istanbul ist ungewöhnlich. Eine zweispurige Straße wird schnell mal fünfspurig. Ich bin gebürtiger Düsseldorfer, das ist auch eine sehr schöne Stadt, aber Istanbul ist ein eigenes Land für sich.

SPOX: Stimmt es, dass Kaiserslauterns Vorstandschef Stefan Kuntz, der früher selbst für Besiktas gespielt hat, Ihnen zu einem Wechsel zu Besiktas geraten hat?

Sahan: Das war eher seine Frau.

SPOX: Wie das?

Sahan: Stefan Kuntz hat damals seiner Frau erzählt, dass Besiktas wegen mir in Kaiserslautern angefragt hat. Sie hat daraufhin gesagt: "Was hältst du den Jungen hier noch auf. Schick' ihn dorthin. Das ist der beste Klub in der Türkei." Das war aber auch seine Meinung.

SPOX: Es gab auch noch ein Angebot von Galatasaray, das finanziell lukrativer war. Wieso haben Sie sich nicht dafür entschieden?

Sahan: Fakt ist, dass sich Kaiserslautern und Galatasaray schon einig waren. Ich war aber davon überzeugt, dass ich bei Besiktas den Durchbruch schaffen kann und es die bessere Lösung ist.

SPOX: War Besiktas auch Ihr Lieblingsklub in der Türkei?

Sahan: Ja, davon können Sie überzeugt sein.

SPOX: Sie genießen in der Türkei eine große Wertschätzung. Haben Sie diese in Deutschland auch so gespürt?

Sahan: Deutschland war traumhaft für mich. Als kleiner Junge war mein Wunsch, einmal in der Bundesliga zu spielen. Das habe ich geschafft. Aber es ist auch für jeden Türken ein Traum, eines Tages für einen der Istanbuler Top-Klubs zu spielen und auch das ist mir gelungen.

SPOX: Wollen Sie irgendwann nach Deutschland zurückkehren?

Sahan: Ja und zwar nicht nur als Fußballer, denn ich will nach meiner Karriere in Deutschland leben. Wenn ein gutes Angebot kommen würde, würde ich es mir überlegen. Ich bin aber bei Besiktas sehr glücklich und mein Ziel ist es, nächstes Jahr mit dem Klub international zu spielen.

SPOX: Wie sieht die geliebte Bundesliga aus der Ferne aus? Verfolgen Sie das Geschehen noch?

Sahan: Na klar. Viele Freunde spielen in der Bundesliga, zu denen ich noch regen Kontakt habe. Der internationale Fußball ist in der Türkei hoch angesehen und fast jedes Bundesliga-Spiel wird live gezeigt. Bayern ist sehr stark in dieser Saison. Einfach unglaublich.

SPOX: Sie kennen beide Ligen, Sie kennen Schalke 04 und Galatasaray. Wer ist Ihr Favorit in diesem Duell?

Sahan: Das wird für beide Teams sehr schwer. Beide haben einen starken Kader. Wenn Galatasaray einen guten Tag erwischt, denke ich, dass sie weiterkommen können.

SPOX: Eine Sache müssen Sie uns noch erklären: Warum isst die Mannschaft nach jedem Spiel Menemen, ein Gericht aus Eiern und Gemüse.

Sahan: Unser Trainer Samet Aybaba war selbst Spieler bei Besiktas. Zu seiner Zeit durfte die Mannschaft nach den Spielen nicht nach Hause, sondern musste ins Trainingscamp. Da gab es dann Menemen zu essen und am Ende dieser Saison wurde Besiktas Meister. Das machen wir jetzt auch und hoffen, dass wir Meister werden.

SPOX: Ihnen schmeckt's auch?

Sahan: Ja, natürlich.

Der Besiktas-Kader im Überblick