Neuanfang nach Ausverkauf?

Von Matti Peters
Der FC Southampton rangiert in der Premier League derzeit in der oberen Tabellenhälfte
© getty

Der FC Southampton steht wieder einmal vor einem Umbruch. Vorstandsboss Nicola Cortese warf das Handtuch, Klubchefin Katharina Liebherr denkt nun an den Verkauf des Klubs. Hoffnung macht die einzige Konstante der Saints: Die Talentschmiede.

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"Das ist ein normaler Geschäftsvorgang und wir werden sicherstellen, dass der Trainer, das Team und die Verantwortlichen alle Hilfe und Unterstützung bekommen, die sie brauchen", stellte Katharina Liebherr in einem Statement klar. Darüber hinaus habe sie den Rücktritt von Nicola Cortese "mit großem Bedauern" akzeptiert und betonte, er habe "tolle Arbeit geleistet". Man solle keine Bedenken um die Zukunft des Klubs haben.

Doch diese Aussagen werden dem geneigten Saints-Fan wohl kaum die Sorgenfalten von der Stirn treiben. Zu frisch ist die Erinnerung an die miesen Zeiten der Vergangenheit, zu groß der Anteil des Vorstandsvorsitzenden Cortese an der zuletzt so positiven Entwicklung des Vereins.

Noch 2009 nämlich stand der finanziell stark angeschlagene Klub eigentlich schon vor dem sicheren Ruin. Der Insolvenzvollstrecker hatte sein Messer bereits gewetzt. Nach dem ersten Abstieg in die Football League One nach über 30 Jahren hätte niemand auch nur einen Penny auf die Rückkehr in den Top-Flight gesetzt.

Die Heilsbringer

Diese Situation änderte sich schlagartig, als Investor Markus Liebherr den FC Southampton für einen Spottpreis von 13 Millionen Euro übernimmt. Der Deutsche mit Wohnsitz in der Schweiz verdient sein Geld mit der Produktion von Baufahrzeugen.

Cortese, damals noch bei einer Schweizer Bank als Berater reicher Sportler tätig, überzeugte den milliardenschweren Unternehmer für diese Investition und wurde im Gegenzug von Liebherr als Vorsitzender des Vorstands in den Verein eingebunden.

In dieser Funktion entwickelte er einen Fünf-Jahres-Plan, an dessen Ende die Rückkehr in die Premier League stehen sollte. Die gelang den Saints allerdings schon zwei Jahre früher, 2012 war Southampton wieder Premier-League-Mitglied. Liebherr erlebte diese positive Entwicklung nicht mehr. Er verstarb 2010 im Alter von 62 Jahren an Herzversagen.

Cortese der Macher

Das Vermächtnis trat Tochter Katharina an, obwohl sie keinerlei Erfahrung im Fußballgeschäft hatte und der bis dato einzige Bezug zur Mannschaft im Ausstellen der Gehaltschecks bestand.

Cortese hingegen übernahm von Anfang an die Leitung des Tagesgeschäfts und führte den Verein wie geplant zurück ins Oberhaus.

Er ist es auch, der den jetzigen Erfolgstrainer Mauricio Pochettino in die Hafenstadt im Süden Englands lockte und eine der erfolgreichsten Jugendakademien der Insel weiter ausbaute.

Der Bereich der Nachwuchsarbeit ist ohnehin eine der wenigen Konstanten innerhalb des Vereins. Die Talentschmiede brachte bereits Spieler wie Alan Shearer, Gareth Bale oder Theo Walcott zum Vorschein.

Die Absolventen und der Fabrikarbeiter

Unter Corteses Führung schafften außerdem englische Nationalspieler wie Rickie Lambert, Adam Lallana, Alex Oxlade-Chamberlain oder Jay Rodriguez den internationalen Durchbruch. Mit Luke Shaw, dem derzeit begehrtesten Talent auf der Insel, James Ward-Prowse oder Nathaniel Clyne befinden sich einige weitere Youngsters in den Reihen der Saints.

Besonders Lambert repräsentiert die positive Entwicklung, die der Verein in den letzten Jahren genommen hat. Cortese holte den Stürmer 2009 von den Bristol Rovers für umgerechnet 1,2 Millionen Euro. Heute ist der 31-jährige Spät-Entwickler das Fünffache wert.

Nachdem er neben dem Fußball aus Geldmangel zwischenzeitlich sogar in einer Rote-Beete-Fabrik am Fließband arbeitete, ist er mittlerweile WM-Kandidat für die Three Lions. "Southampton hat mein Leben verändert", sagte Lambert im August nach seinem Debüt für England gegen Schottland.

Rickie Lambert im Porträt: Der Sascha Mölders von England

Für eine optimale Nachwuchsförderung plante Cortese zudem die Erweiterung des Staplewood-Trainingskomplexes. Der Bau sechs weiterer Fußballfelder unterschiedlichster Beschaffenheit sowie eines Multi-Media-Gebäudes startete im vergangenen Sommer. Ein Platz wird später einmal komplett von einem Dome umgeben sein, so dass selbst bei schlimmster Witterung trainiert werden kann.

Der Anfang vom Ende

Doch im Hintergrund begann die erfolgsversprechende Fassade des Klubs bereits zu bröckeln. Im Mai 2013 wurden erste Stimmen laut, wonach die Investoren-Tochter den Verein loswerden möchte, um sich anderen Projekten zu widmen. Der Verkauf einiger wichtiger Säulen wie Lambert oder Shaw steht setidem zur Debatte.

In der Folge war die Stimmung in der Klubspitze äußerst angespannt und Cortese zog seinen Rücktritt in Erwägung. Pochettino äußerte ähnliche Gedanken: "Ich würde nicht weitermachen, wenn Nicola nicht hier wäre. Er hat mir vertraut und wir liegen auf einer Wellenlänge, was den Klub angeht. Daher würde es für mich keinen Sinn ergeben hier zu bleiben, wenn er gehen würde."

Hoffnungsschimmer für neue Saison

Doch Cortese blieb zunächst, wohl auch auf deutlichen Wunsch der Spieler und des Trainers. Die Saints starteten furios in die neue Saison. Das Konzept, auf den eigenen Nachwuchs zu setzen, ging voll auf.

Mitte November lag man mit 22 Punkten und nur einer Niederlage auf einem Qualifikationsplatz für den internationalen Wettbewerb. Southampton besiegte den FC Liverpool trotzte Manchester United im Old Trafford einen Punkt ab.

Gleichzeitig brodelte es in der Vereinsführung wieder gewaltig. Die Unruhen im Verein machten sich dann auch in sportlicher Hinsicht bemerkbar. Nur drei der folgenden zehn Partien wurden gewonnen. Daraufhin zog Cortese Mitte Januar einen Schlussstrich.

Totaler Neuanfang?

Mit seinem Rücktritt droht dem FC Southampton nun ein erneuter Umbruch. Als Grund für den Abschied nennen britische Medien unterschiedliche Ansichten über die Zukunft des Klubs im Vergleich zu Liebherr.

Es könnte der Beginn eines Zerfallsprozesses sein. Der Abschied von Cortese hat große Auswirkungen auf die restlichen Gefüge im Verein. Pochettino bekannte sich zunächst immerhin klar zum Verein: "Ich stehe 100 Prozent zu meinem Team, ich stehe 100 Prozent zu diesem Projekt und meinem Vertrag. Ich habe gegenüber dem FC Southampton eine Verantwortung."

Wenige Tage später hört sich Pochettino dann so an: "Bis zum Ende der Saison werde ich bleiben, wenn der Verein es denn wünscht."

Ausverkauf möglich

Es ist kein Geheimnis, dass auch die Mannschaft große Stücke auf den Leitwolf des Klubs hält. Der Großteil der Mannschaft hat Cortese schließlich viel zu verdanken. Mit ihm geht auch ein Stück Vereinsphilosophie.

Im Hinblick auf die scheinbar unsichere Zukunft des Trainers und des Vereins dürften sich dem einen oder anderen Spieler Wechselgedanken aufdrängen.

Mit ManUnited, Chelsea und den Citizens stehen einige Spitzenklubs für einen möglichen Transfer von Shaw bereits Schlange und auch Torjäger Lambert wird von West Ham United heftig umworben. Beide haben sich zu ihrem Verein bekannt, allerdings vor Corteses überraschendem Abschied.

Bekenntnis oder Schadensbegrenzung?

Liebherr ihrerseits hat jüngst in einem offenen Brief an die Fans geäußert, den eingeschlagenen Weg weiter gehen zu wollen: "Ich werde mich absolut dafür einsetzen, dass der Klub den Erfolg fortsetzen kann. Wir haben uns auch dazu entschieden, keinen Spieler in der Wintertransferphase abzugeben."

Nach ihrem Zerwürfnis mit Cortese hat die junge Geschäftsfrau allerdings einen schweren Stand bei Medien und Fans. Ihre Glaubwürdigkeit hat unter den Vorkommnissen der letzten Monate stark gelitten und so wirkt ihr Statement wie ein letzter verzweifelter Versuch, die Gunst der Fans wieder zu erlangen.

Es bleibt noch offen, wie der Verein die erneute Zerreißprobe meistern wird. Doch selbst wenn Trainer und Leistungsträger gehen sollten, auf ein Fundament kann sich der FC Southampton stützen: Die herausragende Jugendarbeit, die im Fall der Fälle neue Leistungsträger generieren dürfte.

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