Die Mentalitätsmeister

Von Für SPOX in Berlin: Fatih Demireli
Die Bayern haben unter Jupp Heynckes historisches geschafft und das Triple geholt
© getty

Der FC Bayern perfektioniert eine überragende Saison mit dem DFB-Pokalsieg und damit dem Triple. Der historische Erfolg war der spielerischen Übermacht der Münchener geschuldet. Aber spätestens im entscheidenden Schlusspart der Saison bewies die Mannschaft, was sie besonders auszeichnet: die gesunde Mentalität.

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Nein, jetzt hatten sie keine Lust mehr. Keine Analyse, keine negative Kehrseite, keine Neufokussierung. Die berechtigte Frage lautete: Warum hat der FC Bayern nach dem sicher geglaubten Sieg, es stand ja nach 60 Minuten 3:0 gegen den VfB Stuttgart, am Ende noch zittern müssen? "Das ist mir ehrlich gesagt scheißegal", sagte Jerome Boateng und setzte ein vielsagendes Grinsen auf.

Auch Arjen Robben wollte die Frage nicht ernsthaft beantworten. "Ach, das will ich jetzt nicht analysieren", sagte der Niederländer und grinste genauso breit wie sein Kollege mit der Nummer 17.

Der FC Bayern ist Triple-Sieger - wenn man den etwas vernachlässigten Supercup dazu nimmt - sogar Quadrupel-Sieger. Noch nie gewann eine deutsche Profi-Mannschaft so viele Titel in einer Saison, auch europaweit ist der FC Bayern München erst der siebte Klub, dem dieses Kunststück gelang.

"Die Sau rauslassen"

Doch wie dieser zustande kam, das war nach diesem Abend erst einmal allen Erfolgsgaranten egal. Die Devise gab das österreichische "Feierbiest" David Alaba vor: "Wir haben sehr hart gearbeitet, jetzt können wir auch richtig die Sau rauslassen", sagte der Linksverteidiger und schlich von dannen, weil die Bayern zum feucht-fröhlichen Bankett mussten: Der Anstoß zur Feiertour des glorreichen Rekordmeisters.

Die erfolgreichste Saison der 113-jährigen Vereinsgeschichte hat viele Facetten. Die spielerische Übermacht überwiegt freilich. Sie ist der ausschlaggebende Grund, weshalb der FC Bayern in jedem Wettbewerb bis zum Ende vertreten und fast in jeder Hinsicht konkurrenzlos war.

In die Bredouille kam die Mannschaft von Jupp Heynckes selten - und wenn, tat sich in der Art und Weise der Problemlösung eine nicht zu unterschätzende Facette hervor: die gesunde Mentalität. Sie ist mit der größte Unterschied zur Vorsaison, als der FC Bayern ebenfalls die Chance zum Triple hatte, den Trophäenschrank jedoch nicht weiter füllen konnte.

Der Vergleich zu 2012

Es klingt beinahe seltsam, dass die Bayern beim 2:5 gegen Borussia Dortmund 2012 ein spielerisch deutlich besseres Pokalfinale hinlegten als 2013. Das 3:2 gegen Stuttgart war keine Sache der hohen Kunst, sondern vielmehr harte Arbeit - mit eher gelegentlichen Ausflügen zum Topniveau.

Auch das Champions-League-Finale 2012 war von bayerischer Dominanz geprägt. Damals aber verloren die Bayern beide Spiele, weil sie sich für das DFB-Pokalfinale nicht heiß genug machen konnten und gegen den FC Chelsea schlicht die Nerven verloren. Diesmal gingen die Bayern feiernd vom Platz - und das eben nicht nur dank besserer spielerischer Mittel.

Mario Gomez: Erst zäh, dann Matchwinner

Das 4:3 bei Borussia Mönchengladbach am letzten Bundesliga-Spieltag war wie ein Vorbote für das, was noch kommen sollte: 1:3 stand es nach zehn Minuten. Die Bayern gewannen, weil sie sich selbst in diesem belanglosen Spiel aufrichten konnten und nicht nachgeben wollten. Es war wie ein Mental-Training für zwei Finals, in denen man zwar nicht früh in Rückstand geriet, aber zumindest der ernsthaften Gefahr ausgesetzt war. Die Bayern wankten, fielen aber nicht. Sie sind die Mentalitätsmeister.

Heynckes lebt vor

Die Entwicklung dorthin war ein langer Weg, der mit Sammers Regierungserklärung im Sommer begann, als er Konzentration für die Inhalte einforderte. Heynckes lebte derweil selbst vor, wie es gehen muss: Im Trainingslager am Gardasse, als er sich vor Eifer einen Muskelfaserriss zuzog oder später, als er mit forschen Tönen seine Macht unter Beweis stellte. Und letztlich dann auch, und das war vielleicht der wichtigste Meilenstein des Erfolgs, als feststand, dass Heynckes zum Saisonende gehen würde.

Der 67-Jährige verzog keine Miene, hielt das Tempo und den Fokus auf das Wesentliche auf einem hohen Level. "Er hält unsere Konzentration seit dem ersten Tag der Saison hoch", sagt Boateng. Und das auch ein letztes Mal im Finale, auch wenn es für den Trainer, der sein letzte Spiel als Bayern-Trainer absolvierte, kein leichtes Unterfangen war.

"Es hat sich alles rentiert"

"Es ist beeindruckend, welche Mentalität die Mannschaft eine Woche nach dem Champions-League-Finale an den Tag gelegt hat", lobte Sammer. Die Bayern hatten auf die bissige Art und Weise der Stuttgarter eine Antwort und belohnten sich schließlich selbst.

"Es hat sich alles rentiert, was wir in der Saison angegangen haben", sagte Bastian Schweinsteiger mit dem Pokal im Arm voller Stolz. Er zog mit Oliver Kahn gleich, hat nun genauso viele Pokalsiege wie der "Titan". Nach Schlusspfiff lief er mit rasanten Tempo Richtung Bayern-Kurve, um der mitgereisten Anhängerschaft zu danken. Eine Frage der Mentalität eben.

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