Förster: "Wir haben das Ziel deutlich verfehlt"

SID
Deutschland bekam im WM-Halbfinale von Spanien deutlich die Grenzen aufgezeigt
© Getty

Europameister 1980, Vize-Weltmeister 1982 und 1986, einmal deutscher Meister und 81 Länderspiele: Karlheinz Förster hat in seinem Fußballer-Leben große Erfolge gefeiert - er galt sogar als einer der besten Vorstopper der Welt. Sein Spitzname: Der Treter mit dem Engelsgesicht. Bei der WM in Südafrika ist der 51-Jährige der SPOX-WM-Experte. In seiner fünften Kolumne schreibt Förster über das Halbfinal-Aus des DFB-Teams und die Zukunftsaussichten.

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Hallo Fußball-Fans,

ganz ehrlich: Ich bin einige Tage nach dem Aus gegen Spanien noch immer mittelschwer erschüttert. Klar, dass die Spanier eine fantastische Mannschaft haben, wusste ich schon vorher. Dass die Deutschen dann aber so rat- und chancenlos agieren - damit hatte ich nicht gerechnet.

Sie haben den Spaniern beim Spielen ja fast nur zugeschaut, das war ein Klassenunterschied. Das ist auch deshalb schade, weil die deutsche Elf in den Spielen gegen England und Argentinien hohe Erwartungen geschürt hatte. Dort hat man gesehen, dass sich die Mannschaft im Vergleich zur EM vor zwei Jahren weiterentwickelt hat. Das wurde auch im Ausland anerkennend registriert.

Wir haben das Ziel verfehlt

Aber auch wenn ich jetzt Gefahr laufe, gegen den Strom zu schwimmen und mir den geballten Zorn vieler Fans zuziehen werde: Ich bin nicht bereit, das Erreichen des Halbfinales als die Erfüllung aller deutschen Fußball-Träume zu feiern. Natürlich hat die Mannschaft phasenweise herzerfrischend gespielt. Natürlich war das toll anzusehen.

Aber als Fußball-Nation mit einer so erfolgreichen Vergangenheit haben wir ähnlich wie Brasilien und Argentinien immer den Anspruch, ins Finale zu kommen. Dieses Ziel haben wir verfehlt. Und zwar deutlich, wenn man nur die Partie gegen Spanien betrachtet.

Da hilft es auch nichts, wenn man behauptet, dass jetzt wenigstens kein Rumpelfußball mehr gespielt wird. Das ist eine Diskussion, die ich sowieso etwas befremdlich finde. Vielleicht auch deshalb, weil sie sich teilweise auch auf die 80er Jahre bezieht und ich damit ein direkt Betroffener bin.

Lieber mit Rumpelfußball ins Finale

Aber erstens wird da vieles schlechter gemacht, als es war. Denn in unserer Mannschaft standen Spieler, die international absolut anerkannt waren. Und die schon wussten, wie man Fußball spielt. Und zweitens: Selbst wenn man bei der Meinung bleibt, das sei Rumpelfußball gewesen - na und?

Wir standen 1982 und 1986 im WM-Finale. Es gibt eine Menge Holländer, die gerne mit uns getauscht hätten. Und es ist kein Zufall, dass die Niederländer heuer mit einer Mannschaft im Finale stehen, die mehr durch Effizienz als durch Spektakel auffällt. Denn am Ende zählt vor allem eines: der Erfolg.

Ich bin mir auch nicht ganz sicher, ob man sich nicht in die Tasche lügt, wenn man sagt, dass der Mannschaft die Zukunft gehört. Dass sie den Titel dann eben 2014 gewinnt. Ganz so einfach liegen die Dinge im Fußball dann doch nicht. Sicher, in dieser Mannschaft stehen eine Menge Talente.

Verlängerung mit Löw liegt nahe

Aber wenn ich in den letzten 30 Jahren etwas gelernt habe, dann das: Der Fußball ist ein extrem schnelllebiges Geschäft, in dem nur der Moment zählt. Wer garantiert denn, dass sich alle Profis so entwickeln, wie man sich das erhofft? Woher nimmt man die Gewissheit, dass andere Nationen stagnieren?

Dieses Turnier hat doch gezeigt, dass die Leistungsdichte immer enger wird. Mit Glück hätten die Deutschen ins Finale kommen können. Mit Pech wären sie bereits in der Vorrunde ausgeschieden.

Es ist ja nicht so, dass die Partie gegen Ghana ein Spaziergang war. Außerdem findet die WM 2014 in Brasilien statt, das ist schon alleine unter klimatischen Gesichtspunkten eine Herausforderung.

Aber ich drücke selbstverständlich die Daumen - und bin gespannt, wer das Team dann trainiert. Derzeit deutet vieles auf eine Vertragsverlängerung mit Joachim Löw hin, was nach dieser Entwicklung auch nahe liegend ist. Ich bin zu weit weg, um das beurteilen zu können.

Spielertyp wie Träsch hätte uns gut getan

Fachlich ergibt das sicher Sinn, aber ich hoffe nur, dass bei den ersten gescheiterten Gesprächen nicht allzu viel Porzellan zerdeppert wurde. Denn eines weiß ich ganz sicher: Um Erfolg zu haben, müssen alle an einem Strang ziehen.

Das gilt für das Umfeld, aber auch für die Mannschaft. Womit wir schon beim Thema Michael Ballack wären. Ich habe schon vor dem Turnier gesagt, dass er dem Team nicht sportlich, aber als Persönlichkeit fehlen wird. Daran hat sich nichts geändert.

Allerdings sollte er sich überlegen, ob es nicht der richtige Zeitpunkt wäre, das Feld einer neuen Generation zu überlassen. Michael Ballack wäre bei der EM 2012 schon 35 Jahre. Ich denke nicht, dass man da von einer zukunftsträchtigen Lösung sprechen kann.

Zumal Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira bei dieser WM einen großen Schritt nach vorne gemacht haben - und dahinter Christian Träsch auf seine Chance lauert. So ein Spielertyp, wie ihn auch Torsten Frings verkörpert, hätte uns schon gegen Spanien gut getan. Laufstark, mit großem Willen ausgestattet und aggressiv in den Zweikämpfen.

Spiel um Platz drei? Braucht kein Mensch!

Gegen Träsch zu spielen, kann sehr weh tun. Das hätte die Spielfreude der Spanier vielleicht etwas gedämpft. So agieren beispielsweise ja auch die Holländer.

Da steht Mark van Bommel in der Zentrale und hält seiner Kreativabteilung den Rücken frei. Getreu dem Motto: Geht ihr da vorne ruhig ein bisschen spielen, den Rest erledige ich schon. Ich bin sehr gespannt, wie die Spanier am Sonntag im Finale darauf reagieren werden.

Für das deutsche Team steht tags zuvor noch das Spiel um Platz drei auf dem Programm. Ich will zwar nicht als Spaßbremse dastehen, aber dazu sage ich nur eines: Das braucht kein Mensch. 2006 in Deutschland war das eine etwas andere Situation, weil es der emotionale Abschied der Mannschaft vom eigenen Publikum war.

Aber so eine Partie um Platz drei gegen Uruguay in Südafrika zu spielen, ist nichts, was als Spieler dein Herz höher schlagen lässt. Im Gegenteil. Schließlich haben es die Jungs in den kommenden Monaten auch so schon schwer genug.

Man bräuchte drei Monate Urlaub

Denn so ein großes Turnier zehrt - an Körper und Geist. Das kenne ich aus eigener Erfahrung. Da fühlst du dich nur noch leer, da willst du einfach deine Ruhe haben. Und eigentlich bräuchte man drei Monate Urlaub.

Aber nach drei Wochen steht schon wieder das erste Training im Klub auf dem Programm. Und kurz darauf startet auch schon die Liga. Das ist sowohl für den Verein als auch für den Spieler selbst eine schwierige Situation.

Bei mir war das speziell nach dem verlorenen WM-Finale 1982 eine ganz zähe Angelegenheit. Ich war verletzt, ich war krank, ich musste Antibiotika schlucken - und schleppte mich mehr schlecht als recht in die Winterpause.

Dazu kommt, dass man erst einmal verarbeiten muss, so nahe am Traum WM-Sieg gewesen und doch gescheitert zu sein. Das ist etwas, was dich lange beschäftigt. Das wird auch die aktuelle Mannschaft zu spüren bekommen. Ich bin sehr gespannt, wie sie mit der Situation umgehen wird.

Euer Karlheinz Förster

 

 

 

 

 

Karlheinz Förster, geboren am 25. Juli 1958 in Mosbach, gilt als einer der besten deutschen Abwehrspieler aller Zeiten. Der heute 51-Jährige startete seine Profi-Karriere 1977 beim VfB Stuttgart, mit dem er 1984 deutscher Meister wurde. 1986 führte ihn sein Weg nach Frankreich zu Olympique Marseille. Nach seiner aktiven Laufbahn war er u.a. für den VfB Stuttgart als Manager tätig, aktuell arbeitet er als Spielerberater.

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