Der Kampf um den Platz im Sturm

Von Daniel Börlein
Mario Gomez (l.) und Miroslav Klose kämpfen im DFB-Team um den Platz im Sturm
© Getty

Die deutsche Nationalmannschaft hat sich eindrucksvoll für die Europameisterschaft 2012 qualifiziert. Ohne Frage zählt die Elf von Trainer Joachim Löw im kommenden Jahr zu den Titelkandidaten. Während der eine oder andere Platz in der Startelf schon vergeben ist, gibt's im Sturm ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Miroslav Klose und Mario Gomez. Der Datencheck der beiden deutschen Stürmer.

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An die Saison 2009/2010 denkt man beim FC Bayern gerne zurück. Damals holten sich die Münchner die Meisterschaft, gewannen durch eine 4:0-Gala gegen Werder Bremen den DFB-Pokal und schafften nach neun Jahren mal wieder den Sprung ins Finale der Champions League. Selbst mit Trainer Louis van Gaal lief es damals noch glänzend.

Für Miroslav Klose und Mario Gomez allerdings nicht. Das Sturm-Duo saß, als es in die heiße Phase ging, nur noch auf der Bank. Ivica Olic genoss das Vertrauen von Coach van Gaal - was ganz Deutschland mit Blick auf die anstehende Weltmeisterschaft Sorgen bereitete. Nur Joachim Löw nicht.

Der Bundestrainer erklärte beharrlich, dass er vollstes Vertrauen in die Qualitäten seiner beiden Stürmer habe, insbesondere Klose habe schließlich bereits mehrfach bewiesen, wozu er im Nationaldress imstande ist. Und Klose enttäuschte Löw auch dieses Mal nicht. Der 33-Jährige spielte ein starkes Turnier. Gomez hingegen musste sich mit der Rolle des Jokers zufrieden geben.

Gomez hat aufgeholt

Inzwischen hat sich die deutsche Nationalmannschaft für das nächste Turnier qualifiziert. Doch anders als vor der Endrunde in Südafrika, steht nun längst nicht fest, wer in Polen und der Ukraine Deutschlands Stürmer Nummer eins sind wird. Denn klar ist: Gomez hat aufgeholt.

Nach der WM kamen sowohl Klose als auch Gomez im DFB-Team elf Mal zum Einsatz. Neu-Römer Klose stand dabei acht Mal in der Startelf (insgesamt 732 Spielminuten), Gomez neun Mal (794 Minuten). Klose erzielte zehn Treffer, bei Gomez waren es neun.

Auffällig allerdings: 2011 läuft es bei Gomez deutlicher besser. In seinen acht Länderspielen gelangen ihm sieben Tore, Klose war in sieben Partien nur viermal erfolgreich. Dementsprechend stand Gomez in seinen letzten sieben Länderspielen auch immer in der Startelf.

Dennoch gilt: Das Rennen um den Stammplatz im Angriff ist ein Duell auf hohem Niveau, in dem nicht zwingend die Anzahl der geschossenen Treffer entscheidet, sondern auch andere Faktoren.

Killerinstinkt: Gomez gilt als "Tormaschine" (Löw), Klose eher als der mannschaftsdienliche Arbeiter. Ein Blick in die Statistik zeigt allerdings: In der Nationalmannschaft hat Klose in den Spielen nach der WM in Sachen Killerinstinkt die Nase vorne. Von seinen 17 Großchancen verwertete der Lazio-Angreifer 53 Prozent, während Gomez von 14 hochkarätigen Möglichkeiten nur 36 Prozent nutzte.

Vielseitigkeit: Klose ist ein starker Kopfballspieler, er ist schnell und beidfüßig. Auch Gomez ist laut Löw mittlerweile "ein kompletter Angreifer". Selbst in Sachen Kopfballstärke, einst Kloses große Stärke, hatte Gomez zuletzt keine Nachteile mehr gegenüber seinem Konkurrenten. Im Gegenteil: Nach der WM erzielten beide je ein Tor mit dem Kopf. Gomez allerdings gewann bislang fast die Hälfte seiner Kopfballduelle (48 Prozent), Klose dagegen nicht mal ein Drittel (30 Prozent).

Auch in anderen Bereichen hat Gomez sich stark verbessert. Bestes Beispiel: Das 3:0 gegen Belgien, als der Bayern-Stürmer nach Doppelpass mit Mesut Özil mit seinem vermeintlich schwächeren linken Fuß aus rund 18 Metern traf. Klose wartet nach der WM noch auf ein Tor von außerhalb des Strafraums. Auch ein Kontertor ist dem 33-Jährigen - anders als Gomez - in seinen letzten elf Länderspielen nicht gelungen.

Spielbeteiligung: Bei den Bayern wird Gomez immer wieder dafür kritisiert, nicht oder nur unzureichend am Spiel der Mannschaft teilzunehmen. Es ist keine Seltenheit, dass der 26-Jährige in einer Partie nicht mal 20 Ballkontakte hat. Klose hingegen sucht die Aktivität. Hängt er im Sturmzentrum in der Luft, weicht er gerne mal auf die Flügel aus oder lässt sich tief in die eigene Hälfte zurückfallen.

Die Folge: Klose ist viel mehr am Spielgeschehen beteiligt als sein Konkurrent. Im Schnitt hat er in der Nationalelf pro 90 Minuten elf Ballkontakte (41) mehr als Gomez (30). Klose wird von den Kollegen auch deutlich häufiger gesucht, ist dadurch mehr ins Kombinationsspiel eingebunden und bringt es durchschnittlich auf 25 Pässe (Gomez: 15) und insgesamt auf 18 Torschussvorlagen (Gomez: 13) pro Spiel.

Defensivverhalten: Gomez' starke Quote in Kopfball-Duellen ist natürlich ein wichtiger Faktor bei gegnerischen Standards. Worauf Löw in der Defensive bei seinen Stürmern allerdings großen Wert legt, ist das Spiel gegen den Ball. Wie werden die Abwehrspieler angelaufen? Wer ist in der Lage, den Gegner möglichst erfolgreich unter Druck zu setzen?

Gomez hat darin unter Jupp Heynckes inzwischen zwar dazu gelernt und bestreitet in der Nationalelf mittlerweile fast so viele Zweikämpfe wie Klose (18 zu 20). Der Unterschied: Klose gewann davon gute 46 Prozent, während es Gomez nur auf 34 Prozent bringt, zumal Klose seine Gegenspieler häufig bis in die eigene Hälfte verfolgt und dadurch Überzahl in Ballnähe herstellt.

Fazit: Auch die Statistiken belegen den Eindruck, den man zuletzt hatte: Gomez hat sich seit der WM im DFB-Team nochmal enorm entwickelt und befindet sich mit Klose mittlerweile auf Augenhöhe. Den Härtetest gegen einen namhaften Gegner muss der Bayern-Stürmer allerdings erst bestehen. Noch wartet Gomez im Nationaltrikot auf ein Tor gegen einen Großen. Klose hingegen traf zuletzt gegen Italien.

Dennoch: Bleiben beide bis zur EM fit, hat Löw zwei hochkarätige Optionen zur Verfügung, die er je nach Gegner und Spielsituation einsetzen kann. Gomez scheint die richtige Variante gegen Gegner zu sein, die ihm erlauben, in die Tiefe zu gehen (wie zuletzt die Türkei oder teilweise Belgien). Klose hingegen wäre eine Lösung für Spiele, in denen es gilt, den Ball im Sturmzentrum festzumachen oder ihn auch mal zu schleppen.

Die deutsche EM-Quali-Gruppe

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