Wer fliegt noch aus dem Kader?

Von Für SPOX in Eppan: Stefan Rommel
Einen Spieler muss Joachim Löw noch aus seinem Kader für die WM streichen
© Getty

Nach drei Wochen Vorbereitung muss Joachim Löw heute Abend entscheiden, wen er noch aus dem WM-Kader für Südafrika streicht. Vermeintliche Wackelkandidaten haben sich zu sicheren WM-Fahrern entwickelt, während andere plötzlich um das Ticket zittern müssen. Einer ganz besonders.

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Heute Abend wird das gar nicht mehr so große Geheimnis gelüftet, dann wird Joachim Löw den einen verbliebenen Streichkandidaten bekannt geben.

Bis spätestens 24 Uhr muss der Deutsche Fußball Bund dann die 23 WM-Spieler an die FIFA übermitteln. Gegen 19 Uhr will sich der Bundestrainer erklären - bis dahin darf weiter munter spekuliert und diskutiert werden, wer kurz vor dem großen Ziel doch noch seine Koffer packen muss. "Der Kader ist immer noch breit genug, wir sind bis auf das defensive Mittelfeld überall noch doppelt besetzt", sagt Löw.

Nach drei Wochen Vorbereitung mit zwei offiziellen Testspielen, etlichen Trainingseinheiten und drei schwerwiegenden Verletzungen haben sich viele Dinge geändert, sind aus vermeintlichen Streichkandidaten sichere WM-Fahrer geworden - und umgekehrt.

Manuel Neuer: Die drei Torhüter waren als eigene Spezies von Beginn an gesetzt. Neuer ist als neue Nummer eins bis auf Weiteres unumstritten. Konnte die Vorbereitung im vollen Umfang mitmachen und zeigte im ersten Spiel als Stammkraft eine tadellose Leistung.

Tim Wiese: Der Bremer durfte sich kurz Hoffnungen auf den Stammplatz im Tor machen. Jetzt sitzt er als Neuers Vertreter auf der Bank. Gar nicht so schlecht, wenn man bedenkt, dass er vor einem Jahr noch quasi raus war aus der Nationalmannschaft. Im Training wirkte er nicht immer konzentriert. Umso mehr verwundert deshalb auch seine Kritik an der Entscheidung des Trainerteams, ihn "nur" zur Nummer zwei zu machen.

Jörg Butt: Die WM-Teilnahme krönt sein unglaubliches Jahr. Stieß nach ein paar Tagen Sonderurlaub erst spät zur Mannschaft. Sein integratives Gemüt soll die Gruppe einen, von seiner Erfahrung sollen die Jungen zehren.

Andreas Beck: Der Hoffenheimer war schon bei der Kadernominierung einer der heißen Anwärter für die Streichliste und bekam diesen Makel seither nicht abgestreift. Beck fiel im Training kaum auf, auch beim Testspiel gegen den FC Südtirol ohne nennenswerte Akzente. Gegen Ungarn ohne eine einzige Spielminute. Scheint weiterhin die zweite oder dritte Option für die rechte Verteidigerseite zu sein. Einer der größten Wackelkandidaten im Team.

Jerome Boateng: Mit Licht und Schatten. Gute Trainingseindrücke machte er mit einer fahrigen Leistung in Budapest zunichte. Seine Flexibilität macht ihn aber zu einem wertvollen Spieler für Löw. Auch deshalb sollte es für die endgültige Nominierung reichen.

Philipp Lahm: Wohl Deutschlands einziger Spieler von Weltklasseformat im Kader. Auf seinen schmalen Schultern liegt unheimlich viel Verantwortung, der Münchener ist von unschätzbarem Wert für die Mannschaft. Und das nicht erst, seit er zum Kapitän ernannt wurde.

Per Mertesacker: Ein weiterer Eckpfeiler. Im Training der lautstarke Organisator und falls notwendig auch Regulator der Viererkette. Mertesacker lebt dem Rest mit seiner konzentrierten Arbeitsweise die Professionalität vor, die es bei einem Endturnier braucht. Auch außerhalb des Platzes mit großer Verantwortung.

Arne Friedrich: Auch der Berliner rückt auf der zwischenmenschlichen Ebene eine Stufe auf. Im Training ein steter Antreiber und mit seiner kommunikativen Art wichtig für die Mannschaft. Absolvierte die komplette Vorbereitung als einer der wenigen ohne Wehwehchen und ist topfit.

Serdar Tasci: Tasci ist zwar kein Allrounder, weil er in seinem Schaffen auf die Position in der Innenverteidigung fixiert ist. Trotzdem muss er sich keine Sorgen um seine Teilnahme machen. Wirkte in den Trainingseinheiten und Spielen frisch und spritzig, aber auch nicht immer ganz sattelfest.

Dennis Aogo: Zu Beginn der Vorbereitung galt Aogo als Platzhalter für den angeschlagenen Jansen und einer der damals noch vier Streichkandidaten. Nach den drei Ausfällen von Ballack, Träsch und Westermann, weil die Form Jansens immer noch zu wünschen übrig lässt und weil Aogo zwei konzentrierte Wochen hingelegt hat, gilt er als einer der Gewinner der Vorbereitung und dürfte sein Ticket so gut wie sicher haben.

Holger Badstuber: Als er in Südtirol ankam, galt er als heißer Streichkandidat. Auch er profitiert ein wenig von Westermanns Verletzung. Löw ist sich sicher, dass "er für uns sehr wertvoll werden kann". Sein Plus ist, dass er neben der Innenverteidigung auch als linker Verteidiger eingesetzt werden kann, wo Löw ja noch das eine oder andere Problem zu lösen hat.

Marcell Jansen: Weiter eine große Unbekannte. Teammanager Oliver Bierhoff wollte sich in der Personalie Jansen nicht in die Karten schauen lassen, sagte nur kurz: Stand ist, dass er alle Trainingseinheiten mitmachen konnte." Es bleibt ein Restrisiko, zumal ihm Löw in Budapest noch nicht einmal eine Halbzeit Spielpraxis zutrauen wollte.

Bastian Schweinsteiger: Stieg in der Hierarchie zum Vize-Kapitän auf. "Emotionaler Leader" (Löw) soll Schweinsteiger für die Mannschaft sein, Fixpunkt und nach Ballacks Ausfall der eigentliche Chef auf dem Platz.

Sami Khedira: Sein WM-Ticket war eigentlich schon immer sicher. Dafür ist der Stuttgarter zu reif und zu gut. Hätte sich auch ohne Murren auf die Bank gesetzt und sein erstes großes Turnier bei der A-Nationalmannschaft aufgesaugt. Jetzt ist er auf einer Position von zentraler Bedeutung ein Hoffnungsträger. Im Training und bei den Testspielen stark.

Toni Kroos: Eigentlich als linker Flügelspieler oder im Zweifel als Backup für Özil in die Vorbereitung gegangen. Mittlerweile gilt er sogar als Notlösung für die Position vor der Abwehr. Machte dort gegen allerdings fahrlässig körperlose Ungarn eine gute Partie neben Khedira. "Es ist durchaus denkbar, dass man dort einen offensiven Spieler hinstellt, der dann aber auch defensiver denkt, disziplinierter spielt", sagt Löw, der vor allen Dingen Kroos' überragende Technik schätzt, mit der er perfekt in das spielstarke deutsche Mittelfeld passt.

Piotr Trochowski: Der Hamburger war offenbar auch lange ein sicherer Streichkandidat. Durch die Verletzungen, aber vor allen Dingen auch durch sehr konzentrierte und engagierte Trainingsleistungen hat sich Troche, auch wenn längst noch nicht alles bei ihm passt, ein wenig freigeschwommen. Sehr auffällig: Trochowski hat körperlich extrem zugelegt, ist ein wahres Muskelpaket geworden und in körperlicher Spitzenverfassung.

Marko Marin: Auch er wackelte einige Zeit. Vor allem auch, weil er in der Schlussphase der Saison bei Werder plötzlich auf der Bank saß. Die erste Woche in Eppan verlief auch nicht unbedingt nach Wunsch, Marin konnte auf seiner Position im rechten Mittelfeld nicht überzeugen. Die Partie in Budapest aber gereichte ihm wohl zum Durchbruch: Dort stellte er seine Spezialfähigkeiten im Tempodribbling eindrucksvoll unter Beweis. Seitdem ist die Rede von "Odonkor 2".

Mesut Özil: Der Chef im offensiven Mittelfeld und Sinnbild des neuen deutschen Kurzpass-Fußballs. Özil hat eine starke Vorbereitung hinter sich, hat sich auch körperlich gut entwickelt und wirkt wieder so spritzig wie in der Hinrunde der abgelaufenen Saison, als er schlicht überragend war.

Lukas Podolski: Nominell wird Podolski immer noch als Stürmer gelistet, sein Aufgabengebiet hat sich aber auf die linke Mittelfeldseite verlagert. Im Training und im Spiel wirkt er im Vergleich zu seinen Auftritten beim 1. FC Köln wie ausgewechselt, ist locker und gelöst und auf dem Weg dahin, wo Löw ihn haben will.

Cacau: Einer der großen Gewinner. Bei seiner Einbürgerung wurde er noch belächelt, mittlerweile gilt er sogar als Kandidat für die Startelf. Kann sich im kritischen Raum vor der gegnerischen Abwehr verstecken, um dann zu explodieren. Seine Leistungen und sein angenehm zurückhaltendes Auftreten lassen nur einen Schluss zu: Cacau ist hundertprozentig dabei.

Miroslav Klose: Der Problemfall. Kam wie die anderen Bayern-Spieler erst später dazu - allerdings im Gegensatz zu seinem Teamkollegen nahezu ohne Spielpraxis. Fing quasi bei 50 Prozent an und ist jetzt allenfalls bei 70 Prozent. Klose benötigt von Trainerteam und Mitspielern am meisten Unterstützung. Seine Leistungen bisher rechtfertigen eigentlich keine Nominierung. Trotzdem ist er bei Löw gesetzt.

Stefan Kießling: Der Verlierer der Vorbereitung und sehr wahrscheinlich auch derjenige, der seine Koffer packen muss. Vom Malta-Spiel an, wo er einige hochkarätige Chancen vergab und sich danach über die zu harte Kritik beschwerte, baute er immer mehr ab. Im Training oft unkonzentriert, bei der letzten Einheit vor der finalen Nominierung am Dienstagmorgen mit einer laxen Einstellung und wenig verheißungsvoller Körpersprache. Mit der Verletzung Westermanns greift Löws Ansinnen, bei einem weiteren Ausfall einen der sechs Stürmer doch zu Hause zu lassen. Der Leverkusener ist trotz 21 Bundesligatoren in der abgelaufenen Saison der heißeste Kandidat für die kurze Streichliste.

Thomas Müller: Wirkt etwas überspielt und mental noch nicht ganz frisch. Trotzdem kam er mit dem Schwung einer bärenstarken Saison zur Mannschaft und wird seine Defizite noch aufarbeiten. Im Gegensatz zu Kießling zeigt seine Formkurve nach oben.

Mario Gomez: Auch der Münchener ist nicht unumstritten. Mit vernünftigen Trainingseinheiten und einem Tor gegen die Ungarn. Aber auch ihm fehlen noch einige Prozent zur vollen Leistungsstärke. Die sportliche Leitung will ihm aber die letzten Tage bis zum Turnierbeginn noch gewähren.

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