Kommentar zu Uli Hoeneß: Wenn du geschwiegen hättest, wärst du ein Philosoph geblieben

Uli Hoeneß hat am Sonntag erneut zu einer Verbal-Attacke ausgeholt.
© getty

Anstatt sich selbst zu hinterfragen, verhöhnt Uli Hoeneß ein Mitglied des FC Bayern, das Kritik an ihm äußert. Damit verpasst der Präsident des deutschen Rekordmeisters nicht nur eine Chance, Größe zu zeigen. Er forciert seine Entfremdung von einem stetig wachsenden Teil der Fans. Ein Kommentar von SPOX-Reporter Kerry Hau.

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Si tacuisses, philosophus mansisses. Wenn du geschwiegen hättest, wärst du ein Philosoph geblieben.

Mehr als dieses neunmalkluge Sprichwort aus der Spätantike hatte Uli Hoeneß bei der Jahreshauptversammlung des FC Bayern am Freitagabend nicht der Generalkritik von Mitglied Johannes Bachmayr an seinem Schaffen als Präsident entgegenzusetzen. Er müsse das auf ihn Eingeprasselte erst einmal verarbeiten, die eine oder andere Nacht darüber schlafen, ergänzte Hoeneß später im Gespräch mit den Journalisten.

Dass auch für sein Ermessen erstaunlich viele Fans ihn für seine ausbleibende Antwort an Bachmayr auspfiffen und teilweise beschimpften, nahm Hoeneß zunächst sichtlich mit.

Nachtreten statt Selbstreflektion: Der alte Hoeneß ist zurück

Er nutzte die Zeit danach aber nicht zur Selbstreflektion. Im Gegenteil: Als er bei einem Fanclubbesuch am Sonntagmittag in Kersbach wieder mit dem Fall Bachmayr konfrontiert wurde, zeigte sich der alte Hoeneß. Der, der sich für sein Verhalten geradezu auf die eigene Schulter klopfte und ohne einen Anflug von Einsicht zu seiner Lieblingsdisziplin überging: dem Nachtreten.

Bachmayr sei ohnehin nur Stellvertreter für einen "ganz kleinen Teil" (Hoeneß) der Bayern-Anhänger und habe ihn mit einer Aneinanderreihung von Unwahrheiten bloßgestellt, gar versucht, seinen "tadellosen Ruf als Manager, Vorstand und Präsident zu beschädigen", schimpfte Hoeneß.

Worte, die den Realitätsverlust eines trotzigen, beratungsresistenten Mannes kaum besser beschreiben könnten. Frei von Tadel ist der Ruf des Uli Hoeneß schon lange nicht mehr, auch wenn die Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung dem Privatmann Hoeneß galt.

Doch auch nach der Rückkehr an die Vereinsspitze hat der 66-Jährige mehrfach nicht den richtigen Ton getroffen, gerade in jüngerer Zeit. Zuletzt am 19. Oktober, als er auf einer berüchtigten Pressekonferenz den von seinem Nebenmann Karl-Heinz Rummenigge zuvor glorifizierten Artikel 1 des Grundgesetzes mit Füßen trat, indem er den ehemaligen Spieler Juan Bernat an den Pranger stellte.

Bayern-Fans: Zahl der Hoeneß-Jünger wird kleiner

Die wüsten Beschimpfungen gegenüber Bernat und auch die Verbannung von Ehrenspielführer Paul Breitner aus der Allianz Arena haben bei zahlreichen Fans das Fass zum Überlaufen gebracht. Obwohl viele verärgerte Mitglieder zuletzt ausgetreten sind oder aus Protest der Jahreshauptversammlung fernblieben, gab es am Freitagabend einen Proteststurm gegen Hoeneß wie nie zuvor.

Und so klein wie der FCB-Boss glauben machen will, ist inzwischen auch die Anzahl nicht mehr, die sich gegen Hoeneß und seinen Verbleib als Präsident über das Jahr 2019 hinaus positioniert. Dabei geht es nicht einmal so sehr um die umstrittene Kaderplanung, die schwierige Tabellensituation in der Bundesliga oder die Inthronisierung eines nahezu mundtoten Sportdirektors.

Es geht zuallererst um Manieren, es geht um das Aufbringen von Verständnis und Empathie sowie hin und wieder auch um das Eingestehen von Fehlern. So etwas passt aber nicht in die Welt des Uli Hoeneß.

Hoeneß sucht Schuld immer bei den anderen

Die Täter sind immer die anderen. Ob nun Felix Magath, Louis van Gaal oder Carlo Ancelotti in der älteren oder aber Juan Bernat, Paul Breitner oder Johannes Bachmayr in der jüngeren Vergangenheit.

Hoeneß hat in seinen 40 Jahren als "Mister Bayern" mit Sicherheit nicht alles falsch gemacht, sonst wäre er 2016 kaum mit einer überwältigenden Mehrheit von 97,7 Prozent wieder zum Präsidenten gewählt worden. Aber er sollte erkennen, dass er sich mit seiner mangelnden Selbstkritik und seinen zunehmend unsouverän wirkenden Verbalattacken selbst von seinen jahrelangen Verehrern entfremdet.

An dieser Stelle macht es vielleicht Sinn, Hoeneß ein neunmalkluges Sprichwort aus der Spätantike ans Herz zu legen: Si tacuisses, philosophus mansisses. Wenn du geschwiegen hättest, wärst du ein Philosoph geblieben.

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