"Bayern hat Mats an den BVB verschenkt"

Mats Hummels wurde am 4. Januar 2008 bei Borussia Dortmund vorgestellt
© getty

Hermann Hummels arbeitete fast 20 Jahre in der Jugendabteilung des FC Bayern und ist mittlerweile Berater seiner beiden Söhne Mats und Jonas. Im 2. Teil des Interviews spricht Vater Hummels über seinen unrühmlichen Abschied vom FCB, seinen Einfluss auf Mats' Entscheidungen und übertrieben ungerechtes Training mit seinen Söhnen.

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SPOX: Bei den Bayern können Sie Ihre Vorstellungen, die Sie im 1. Teil des Interviews beschrieben haben, nicht mehr einbringen. Als es 2012 zum Ende kam, verlief dieses unrühmlich, man einigte sich letztlich vor Gericht. Wie blicken Sie heute darauf zurück?

Hermann Hummels: Genau genommen muss man einfach konstatieren: Das ist das Geschäft. Meine Beraterfirma habe ich seit 2010, Berater von Mats bin ich 2008 geworden - und in diesem Job begibt man sich eben auch in ein Haifischbecken. Ich habe mir damals von den Bayern zusichern lassen, dass ich sozusagen als Nebenjob meine beiden Söhne beraten darf. Es war klar, dass keine anderen Spieler hinzukommen würden. Ich hätte ja ohnehin gar keine Zeit dafür gehabt, da ich noch bei den Bayern angestellt war.

SPOX: War dies rückblickend betrachtet der Anfang vom Ende?

Hummels: Bei Bayern sind sie nervös geworden, nachdem Dortmund 2011 und 2012 zwei Mal in Folge deutscher Meister wurde. Im Nachhinein gesehen haben sie Mats ja eigentlich auch an den BVB verschenkt. Es gab dann später den Versuch einer Rückholaktion, die aber gescheitert ist. Die Situation war gerade nach dem verlorenen Pokalendspiel 2012 angespannt, die Stimmung wurde schlechter. Und ich hing mittendrin. Ich wollte aber meine beiden Söhne beraten und musste dann auch einfach mit den Konsequenzen leben können. Man hat einen Generationswechsel vorgenommen, Hans-Jörg Butt, Michael Tarnat und Christian Nerlinger waren dann für die Jugendabteilung zuständig.

SPOX: Blieb zwischen den Bayern und Ihnen etwas hängen?

Hummels: Es ist wie bei einer Ehe: Wenn die auseinander geht, hat man erst einmal die Schnauze voll vom Partner. Wir haben dann vor dem Arbeitsgericht eine ordentliche Lösung gefunden, mittlerweile hat sich das Verhältnis längst wieder normalisiert. Die Verhandlungen jetzt vor Mats' Rückkehr waren völlig unproblematisch.

SPOX: Welchen Rat haben Sie Mats denn damals, als die Bayern ihn erstmals zurückholen wollten, gegeben?

Hummels: Ich gebe Mats und auch Jonas keine Ratschläge. Ich kann ihnen helfen, indem ich skizziere, was sie in meinen Augen wo erwarten könnte. Ich sage aber nicht: Geh lieber zu Verein X und nicht zu Verein Y. Sie entscheiden allein und nicht nach meinen Vorgaben. Das ist mir sehr wichtig, denn sie sollen im Leben in der Lage sein, eigene Entscheidungen zu treffen. Das ist ein langwieriger Prozess, der damit beginnt, sehr früh sehr viele Entscheidungen alleine zu treffen - und zwar die ersten meistens falsch.

SPOX: Wäre es denkbar, dass Mats eines Tages einen anderen Berater hat?

Hummels: Diese Frage hat sich nie gestellt. Ich stehe mit meinen Söhnen seit klein auf beim Thema Fußball in engem Austausch, so dass zum Beispiel Mats nie darauf gekommen wäre, diese Dinge von einem zunächst einmal fremden Menschen erledigen zu lassen. Als die Bayern nun angefragt haben, wurde dieser große Vertrag nicht von mir diktiert.

SPOX: Als der Wechsel zu den Bayern bekannt wurde, gab es bereits erste Rufe, dass der FCB mit Neuer, Jerome Boateng und Ihrem Sohn keine Gegentore mehr bekommen würde und die Bundesliga dem Untergang geweiht sei.

Hummels: Die Bayern sind in der kommenden Saison schon sehr mächtig. Für Dortmund ist es heftig, mehrere wichtige Spieler verloren zu haben. Gefühlt ist der FCB noch etwas besser geworden, der BVB wird sich erst finden müssen. Ob das für einen wenig spektakulären Alleingang in der Bundesliga reicht, wird man sehen.

SPOX: Sie standen in der Zeit rund um die Wechselgerüchte auch in den Schlagzeilen, da Sie einen Hinweis darauf gegeben hatten, Mats könne zum FC Bayern zurückkehren. Bereuen Sie, sich überhaupt geäußert zu haben?

Hummels: Nein, das Ganze wäre sowieso ein paar Tage später in Gang gekommen. Ausgangspunkt war, dass Mats nach dem Pokalhalbfinale gegen Hertha erklärte, die Entscheidung über seine Zukunft würde ihm etwas den Schlaf rauben und er befände sich deshalb in einer misslichen Situation. Er hatte zwei gute Angebote: aus München und aus Dortmund. Hätte es die Offerte aus München nicht gegeben, wäre er beim BVB geblieben.

SPOX: War es eine strategische Entscheidung von Mats, sich unmittelbar nach dem Einzug ins Pokalfinale so kryptisch zu seiner Zukunft zu äußern?

Hummels: Nein, aber es war im Zeitplan dessen, was ausgemacht war. Es musste vor dem Pokalfinale eine Entscheidung getroffen und verkündet werden.

SPOX: Nach Mario Götze und Robert Lewandowski ist Mats nun der dritte Dortmunder Leistungsträger, der zum Konkurrenten nach München wechselt. Wie sensibel war dieses Thema grundsätzlich?

Hummels: Für ihn und alle anderen war das natürlich hoch sensibel und sehr heikel. Wäre er ins Ausland gegangen, hätte man das deutlich früher und ohne größere Bedenken verkünden können. Das war aber nicht der Fall, so dass wir einfach rechtzeitig mit offenen Karten spielen wollten.

SPOX: Uli Hoeneß hatte dann etwas nebulös davon gesprochen, die Hummels-Seite habe sich den Bayern angeboten.

Hummels: Ich habe keine Ahnung, wieso diese Aussage getroffen wurde. Das war natürlich nicht schön und entsprach auch nicht den Tatsachen.

SPOX: In München wird Mats nicht mehr Kapitän sein, auch die Struktur des Teams ist eine andere als in Dortmund. Glauben Sie, dass die Umstellung für ihn groß sein wird?

Hummels: Seine Rolle innerhalb der Mannschaft und außerhalb des Platzes wird sich von der in Dortmund zunächst einmal unterscheiden, das ist richtig. Innenverteidiger zu spielen ist in München aber nichts anderes als beim BVB. Es wird für ihn ein neuer Reiz und eine neue Erwartungshaltung, einfach ein neuer Klub. Man kann jetzt für viele Argumente ein Gegenargument finden: Die Gewohnheit in Dortmund kann dich einschläfern, das Neue in München kann dich wach machen. Die Gewohnheit in Dortmund gibt dir Sicherheit, das Neue kann dich verunsichern.

SPOX: Ihr Sohn Jonas hat kürzlich mit 25 Jahren seine Karriere nach zwei Kreuzbandrissen und Knorpelschäden beenden müssen, während Mats Weltmeister ist. Wie sieht da Ihre Gemütslage als Vater aus?

Hummels: Mats hat sich zu einem Weltklassespieler entwickelt. Auch Jonas hat von seinem Startpunkt aus eine ungeheure Entwicklung genommen, aber leider viel Pech gehabt. Zwischen dem Weltmeistertitel von Mats und dem zweiten Kreuzbandriss von Jonas lagen nur zwei Wochen. Das waren jeweils hochgradig emotionale Momente für uns alle. Letztlich ist es eben so, wie es ist - und ein Spiegelbild des Sports.

SPOX: Sie haben Jonas früher nicht selbst trainiert, dafür aber Mats. Wie sind Sie als Trainer mit Ihrem Sohn umgegangen?

Hummels: Übertrieben ungerecht und viel zu hart. (lacht)

SPOX: Wie hat Mats darauf reagiert?

Hummels: Er war recht selbstbewusst, manches Mal auch frech, aber immer respektvoll . Gute Voraussetzungen für eine Sportlerkarriere.

SPOX: Jonas sagte im SPOX-Interview, dass er früher auch mal am Tag vor dem Training auf eine Party und dann eben später ins Bett gegangen sei, während Mats gleich zu Hause blieb.

Hummels: Jonas war viel fokussierter und lernwilliger als Mats, er gibt das nur nicht zu. Mats ist anders lernbereit, er kommt eher über den Wettkampf, an den er sich gut anpassen kann. Jonas dagegen würde im Training mehr machen.

SPOX: Welche Eigenschaft am Spieler Mats Hummels gefällt Ihnen am besten?

Hummels: Die Fähigkeit, Spielsituationen ungeachtet der äußeren und möglicherweise störenden Einflüsse zu betrachten. Für solche Situationen gibt es in der Regel genau eine optimale Lösung. Diese findet er schnell und sicher. Egal ob Freundschaftsspiel in der Vorbereitung oder WM-Endspiel.

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