"Den Hype habe ich mir erarbeitet"

Loris Karius macht sich Hoffnungen auf die deutsche Nationalmannschaft
© getty

Loris Karius hat sich beim 1. FSV Mainz 05 durch gute Leistungen in den letzten Jahren in den Vordergrund gespielt. Im Interview spricht der 22-Jährige über alternatives Torwarttraining, das Ziel Europa und die Gründe, weshalb er - vorerst - in Mainz blieb. Zudem erklärt er den Hype um seine Person und verrät, dass die nächsten Stationen DFB-Team und Champions-League heißen sollen.

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SPOX: Herr Karius, Sie hatten sich 2015 im Sommer-Trainingslager den Spitznamen 'Lord' verdient - wegen Ihres Zöpfchens auf dem Kopf. Hat sich der Name nicht durchgesetzt?

Loris Karius: Nein, das hielt nicht lange an. (lacht) Die Frisur war auch weniger modisch als pragmatisch gedacht. Die Haare waren schon so lang, dass ich quasi auf einem Auge blind war - ich musste sie hochbinden. Von daher konnte ich über den vorübergehenden Titel auch mitlachen.

SPOX: Sie sagten mal: 'Die meisten, die mich kennen, kennen mich zum Glück ausschließlich durch meine Leistungen im Tor. Und das sollte auch so bleiben.' Auf Instagram posteten Sie vor einigen Wochen einen Unfall mit einem Hoverboard, bei dem Sie Ihre Wohnung fast zerlegt haben. So bleibt man außerhalb des Platzes aber wohl nicht unbemerkt.

Karius: Die Aussage war eher so gemeint, dass mich die Leute trotzdem als Fußballer erkennen und nicht als Entertainer auf Instagram. Dass man heute auch in sozialen Netzwerken aktiv ist, ist längst Normalität. Ich finde es schön, den Fans auch mal Einblicke in andere Bereiche des Alltags zu geben.

SPOX: Sportlich gaben Sie vor der Saison das persönliche Ziel aus, unter 40 Gegentoren zu bleiben. Aktuell stehen Sie bei 33 - bei noch sieben ausstehenden Spielen. Läuft?

Karius: Mit der Aussage habe ich mir eine anspruchsvolle Aufgabe gestellt, sie war und ist aber immer noch machbar. Im Schnitt dürfte ich noch ein Tor pro Spiel kassieren. Da ich noch einige Male zu Null halten will, ist es realistisch.

SPOX: Generell läuft es für die Nullfünfer in dieser Saison wieder richtig gut. Mit dem Abstieg hat der FSV nichts mehr zu tun. Kann man sich jetzt ohne Druck der Krönung der Saison widmen?

Karius: Wir haben intern beschlossen, in allen restlichen Partien immer auf Sieg zu spielen. Wir haben gar nichts mehr zu verlieren und können befreit aufspielen. Nach hinten brauchen wir uns nicht mehr orientieren, jetzt sollen in jedem Spiel drei Punkte her.

SPOX: So wenige Wochen vor Saisonende darf man selbst in Mainz in der aktuellen Lage auch mal von Europa sprechen, oder?

Karius: Klar können wir darüber sprechen. Nur vom Reden kommen wir aber nicht nach Europa. Wenn wir wirklich dahin wollen, brauchen wir noch einige Punkte. Gegen Augsburg ist es wichtig zu gewinnen, Wolfsburg ist ein direkter Konkurrent. In diesen Spielen wird man sehen, wie weit wir sind. Sollte es am Ende nicht für die internationalen Plätze reichen, wäre das kein Genickbruch für uns - das Ziel hat aber jeder im Team. Wir wollen das Maximale erreichen, alles andere wäre auch Quatsch.

SPOX: In welcher Position sehen Sie den FSV aktuell? Die Konkurrenz wie Wolfsburg oder Leverkusen hat im Rennen um Europa sicher mehr Druck?

Karius: Ob wir psychologisch wirklich einen Vorteil haben, ist schwer zu sagen. Diese Mannschaften sind es gewohnt, unter Druck zu spielen. Von ihnen wird es Woche für Woche erwartet, unter Spannung zu gewinnen. Ich glaube nicht, dass sich an deren Situation etwas verändert hat, nur weil wir jetzt oben mitmischen. Wir wollen sie ein bisschen ärgern, wegen uns zittern die Top-Teams aber nicht. Wir schauen deshalb nur auf uns und sollten uns bemühen, wieder mehr Chancen herauszuspielen. Das haben wir in den letzten Spielen etwas vermissen lassen. Wir werden aber wie immer sehr gut vorbereitet sein.

SPOX: Wie sieht diese Vorbereitung bei Ihnen aus? Es gibt Torhüter, die möglichst viele Infos über die gegnerischen Stürmer haben wollen. Gehören Sie dazu?

Karius: Nein, eher selten. Von mir aus gehe ich eigentlich nie auf die Trainer zu, um mir spezielle Infos zu holen, außer bei einem Stürmer ist mal etwas total auffällig. Ich bin wohl eher der intuitive Keeper. Ich weiß nicht, inwiefern mir Statistiken und Infos während eines Spiels überhaupt wirklich weiterhelfen. In vielen Situationen geht es so schnell, da bringt es eigentlich nichts, noch einen Fakt im Hinterkopf zu haben - vor allem dann nicht, wenn der Spieler es ausgerechnet in dem Moment anders macht als sonst. Bisher fahre ich gut damit, mir im Spiel ein eigenes Bild vom Gegenspieler zu machen.

SPOX: Wie stimmen Sie sich mental auf ein Spiel ein? Sie müssen immerhin auf den Punkt fokussiert sein, wenn der Ball aufs Tor kommt.

Karius: Am Abend vor einem Spiel versuche ich, mögliche Situationen schon einmal durchzugehen. Man kann in den 90 Minuten nie abschalten - auch dann nicht, wenn das Spiel gerade im anderen Strafraum abläuft. Wichtig ist aber, dass ich die einfachen Dinge nicht vergesse. Das geht vor. Die Super-Paraden, von denen immer alle sprechen, kommen on top, wenn man die Basics richtig macht. Von daher herrscht auch bei mir vor jeder Partie noch eine gewisse Anspannung. Ich kann mir ja nicht sicher sein, dass ich ein gutes Spiel machen werde.

SPOX: Wie sehr nimmt Sie auch Martin Schmidt im System des FSV in die Pflicht? Abgesehen vom Vereiteln von Torchancen, welche Rolle spielen Sie hinter dem 4-2-3-1 im Mainzer Spiel?

Karius: Die taktischen Anweisungen beziehen sich hauptsächlich auf die Feldspieler. Im Großen und Ganzen habe ich als Torwart auf jeden Fall meinen Freiraum, das ist auch gut so. Denn es ist schwer, das Spiel des Torhüters komplett vorzugeben, zumal sich im Spiel viele unvorhersehbare Situationen ergeben.

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SPOX: Gibt es taktisch und spielerisch keinerlei Vorgaben?

Karius: Natürlich soll ich gegen manche Gegner weniger riskant von hinten heraus spielen, als ich das vielleicht gegen andere Teams mache. Genauso hängt es vom Gegner ab, ob ich das Spiel eher mit kurzen oder langen Bällen aufbauen soll. Wenn es aber eine Situation gibt, in der ich das Gefühl habe, dem Team einen Vorteil zu verschaffen, wenn ich entgegen der Vorgaben des Trainers agiere, dann tue ich das auch.

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