"Dortmunds Ära ist nicht vorbei"

Von Daniel Reimann
War der Vorgänger von Jürgen Klopp: Thomas Doll
© getty

Thomas Doll war Jürgen Klopps Vorgänger bei Borussia Dortmund, mittlerweile trainiert er Ferencvaros Budapest. Im Interview spricht er über Klopps Abschied, die Hürden für seinen Nachfolger und die mögliche Signalwirkung.

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SPOX: Herr Doll, wie sehr hat Sie Jürgen Klopps Abschied überrascht?

Thomas Doll: Sehr, da ich als Außenstehender nicht weiß, wie sein Innenleben aussieht. Vielleicht wollte er nach sieben teilweise sehr erfolgreichen Jahren auch einfach mal etwas anderes machen.

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SPOX: Als Grund gab er an, dass er sich nicht mehr hundertprozentig sicher gewesen sei, ob er noch der perfekte Trainer für Dortmund sei. Können Sie nachvollziehen, dass er in Folge dessen einen Schlussstrich zieht?

Doll: Wenn er dieses Gefühl hat, dann ja. Klopp hatte eine ganz andere Erwartungshaltung an diese Saison, auch was die Neuzugänge betrifft. Letztlich kamen viele Faktoren zusammen, dass es doch nicht so funktionierte wie geplant. Eine solche Saison gibt es in einer Trainerkarriere immer mal. Man orientiert sich immer an den eigenen Erfolgen - dann fliegt man erst aus der Champions League, dann aus den Europa-League-Plätzen und kämpft plötzlich gegen den Abstieg.

SPOX: Sie kennen eine solche Problematik aus Hamburg. 2006/2007 folge auf Platz drei in der Vorsaison der sportliche Absturz.

Doll: Die Situation war ähnlich, auch was die zahlreichen Verletzten angeht. Ich weiß, wie man sich fühlt, wenn man plötzlich in der Bundesliga durchgereicht wird, obwohl man kurz zuvor noch erfolgreichen, schönen Fußball gespielt hat. Wenn so viele Ideen nicht greifen, kostet das Kraft und Energie.

SPOX: Klopp sagte aber, sein Abschied habe nichts mit fehlender Kraft zu tun.

Doll: Ich kann mir dennoch vorstellen, dass ihn die Phase im November und Dezember mitgenommen hat. Vielleicht kam es in dieser Zeit zu einem Bruch - womöglich auch in ihm selbst. Vielleicht hatte er Selbstzweifel. In jedem Fall muss man seine Entscheidung respektieren. Der Zeitpunkt war sehr mutig, aber umso wichtiger. Es war notwendig, damit rechtzeitig an die Öffentlichkeit zu gehen und nicht erst zum Saisonende.

SPOX: Andererseits steht das Saisonfinale bevor, Dortmund kämpft noch um den DFB-Pokal-Sieg und die Europa-League-Teilnahme.

Doll: Der Zeitpunkt war sehr vernünftig durchdacht und ist aus meiner Sicht vollkommen unproblematisch. Die Mannschaft wird ihm einen tollen Abschied bereiten wollen, davon bin ich überzeugt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass auch nur irgendein Spieler nachlassen wird. Ich glaube sogar, dass es den Verein kurzfristig sogar beflügeln wird.

SPOX: Glauben Sie, dass sich die einst so erfolgreiche Kombination aus Klopp und seinem Team letztlich abgenutzt hat?

Doll: Da lässt sich viel hineininterpretieren. Bestimmt hat das über die Jahre nachgelassen, aber es wäre zu pauschal, es nur darauf zu reduzieren. Thomas Schaaf, Otto Rehhagel oder Arsene Wenger verbrachten eine viel längere Zeit bei einem Verein. Sicherlich ist in dieser Saison etwas passiert, was Klopps Zweifel wachsen ließ. Seine Qualität als Trainer ist deshalb aber nicht geringer als zuvor.

SPOX: Klopp und Dortmund verband ein großer Teamgeist, ein starkes emotionales Band. Ist es schwer für einen Verein, den Wegfall dieses Faktors zu kompensieren?

Doll: Die Verabschiedung wird sicherlich sehr emotional werden. Wenn Klopp geht, wird bestimmt der eine oder andere schlucken oder eine Träne verdrücken. Vor allem die Fans werden todtraurig sein. Doch die Spieler werden schnell wieder zur Tagesordnung übergehen. Sie verkraften das, da sie in erster Linie an die eigene Karriere denken. So ist das Fußballerleben.

SPOX: Während Klopp nun für Klarheit gesorgt hat, ist die Zukunft mancher Leistungsträger ungewiss. Könnte der Abschied des Trainers eine Signalwirkung haben?

Doll: Das kann ich mir nicht vorstellen. Es kommt zwar oft vor, dass Spieler dem Trainer folgen. Aber in erster Linie achtet ein Profi darauf, was für ihn selbst am besten ist. Klopp hatte auch eine unglaublich gute Beziehung zu Mario Götze oder Robert Lewandowski. Trotzdem haben Sie sich für Bayern München entschieden. Ich selbst hatte als Trainer einst eine sehr gute Beziehung zu Daniel van Buyten oder Khalid Boulahrouz, dennoch sind beide gegangen. Für den Spieler ist am wichtigsten: Wo habe ich die besten Perspektiven, wo verdiene ich am meisten Geld? Das ist einfach so.

SPOX: Gehen Mats Hummels und Ilkay Gündogan also oder nicht?

Doll: Ich werde bestimmt niemandem einen Ratschlag geben. Die deutschen Spieler haben ein unglaublich hohes Ansehen im Weltfußball. Wenn einer ein Riesenangebot aus einer europäischen Topliga erhält, wo er netto das verdienen kann, was er hierzulande brutto bekommt, wird er sich bestimmt Gedanken machen. Es würde mich nicht wundern, wenn noch der eine oder andere den Weg von Sami Khedira oder Toni Kroos geht. Nicht jeder deutsche Nationalspieler kann ewig bei Dortmund oder Bayern unterkommen. Auch in England oder Spanien hätten sie gut dotierte Verträge und gute Perspektiven auf Titel.

SPOX: Auf lange Sicht auch wieder in Dortmund?

Doll: Bei einem Verein wie Borussia Dortmund wird es auch wieder um Titel gehen. Die Ära Jürgen Klopp endet jetzt. Aber die Ära Borussia Dortmund ist damit noch lange nicht vorbei.

SPOX: Nichtsdestotrotz dürfte es sein Nachfolger mit dem prominenten Erbe schwer haben, oder?

Doll: Der neue Trainer tritt in große Fußstapfen, denn Klopp hat einen sensationellen Job gemacht. Irgendwie muss es jedoch weitergehen. Denken Sie an den Abschied von Jupp Heynckes beim FC Bayern: Pep Guardiola musste einen Triple-Sieger übernehmen. Auch Klopps Nachfolger wird gewiss an dessen Erfolgen gemessen werden - aber weshalb sollte er sie nicht wiederholen können?

SPOX: Mit der Qualifikation für die Europa League könnte man die laufende Spielzeit noch halbwegs retten. Trauen Sie das dem Team zu?

Doll: Es ist möglich, die Qualität der Mannschaft ist immer noch sehr hoch. Diese Saison werden sie nicht so einfach abschenken. Das Team kann jetzt ein wenig befreiter aufspielen und seinem Trainer einen würdigen Abschied bereiten.

Thomas Doll im Steckbrief

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