Fest ohne Geburtstagskind

Von Fatih Demireli
Josep Guardiola im Blitzlichtgewitter, Uli Hoeneß ist der stille Begleiter
© getty

Am Mittwoch spielen der FC Bayern München und der FC Barcelona zu Ehren des Bayern-Präsidenten den Uli-Hoeneß-Cup aus. Zu einem Zeitpunkt, an dem Hoeneß nicht unbedingt in Feierlaune ist. Die einstige "Abteilung Attacke" hat sich öffentlich zurückgenommen. Dabei genießt er immer noch wichtige Unterstützung.

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Die Fahrt von München ins benachbarte Örtchen Irschenberg ist nicht sonderlich umständlich. Zwar stört derzeit eine Baustelle die Anfahrt zur Gemeinde südöstlich von München, aber eigentlich ist es nur wichtig, die Autobahn A8 Richtung Salzburg zu finden. Der Rest ist ödes Geradeausfahren. 20 Minuten später ist man in Irschenberg angekommen.

Uli Hoeneß hatte am Freitag wohl noch etwas zu tun, weil er zu spät kam. Möglich, dass es die erwähnte Baustelle war, die den Verkehr wahrscheinlich mal wieder lahmlegte. Als der Präsident des FC Bayern München erschien, war der Feier-Kranz schon aufgestellt und die erste Rede beim Irschenberger Richtfest voll im Gange.

In Irschenberg wird es die Tage sportlich: Ein Sportartikel-Hersteller macht ein Geschäft auf, auch das Tourismuszentrum - und eben der FC Bayern, der seine Fanartikel dort verkaufen will. Der Rohbau steht schon, ein Feiergrund. Hoeneß war als Ehrengast geladen. Der Bayern-Präsident gab sich freundlich, schüttelte viele Hände und saß später mit den Granden der Gemeinde zusammen. Nur: Er sagte kein Wort.

"Uli hat sich etwas zurückgezogen"

Doch immerhin ließ er sich mal wieder blicken. Es war Hoeneß' erster öffentlicher Auftritt seit dem 24. Juni. An dem Tag präsentierte der FC Bayern Josep Guardiola der Öffentlichkeit. Hoeneß war dabei, da er in den Verhandlungen mit dem angeblich weltbesten Trainer eine federführende Rolle gespielt hatte und an einem so wichtigen Tag nicht fehlen durfte. Und weil einfach der Präsident, besonders wenn er Hoeneß heißt, an so einem Tag aufs Podest gehört. Aber auch da redete Hoeneß nicht viel.

"Uli hat sich etwas zurückgezogen", sagt Bayerns Vorstandsvorsitzender und Hoeneß-Freund Karl-Heinz Rummenigge, "ich finde das klug und richtig." Die seit vielen Wochen anhaltende Steueraffäre um seine Person macht dem 61-Jährigen nicht nur juristisch zu schaffen, sondern auch persönlich. "Es ist die schlimmste Zeit meines Lebens", sagte Hoeneß kürzlich einem Interview mit der "Zeit". Und er sagt auch: "Es ist eine Situation, die kaum auszuhalten ist."

Gegenwind hat Hoeneß, der besonders in seiner Funktion als wortgewaltiger Manager des FC Bayern immer stark polarisierte, in seiner Laufbahn stets gespürt. Mal wurde es weniger, mal heftiger, wie damals als er den Stein um die Kokain-Affäre um Christoph Daum ins Rollen brachte und in vielen Stadien teils heftig angefeindet wurde. Ein Gut wurde ihm aber nie abgesprochen: Die Anerkennung.

Öffentliche Besuche abgesagt

Jetzt scheint Hoeneß' Lebenswerk zu bröckeln, obwohl noch kein einziger Richterspruch gesprochen wurde. Auch die zuletzt aufkommende Spekulation, dass der Bayern-Präsident möglicherweise mit einer Bewährungsstrafe davon kommt, hat die Situation nicht entscheidend verändert. Hoeneß ist angeschlagen - und er schweigt.

Dass genau in dieser Phase der ihm zu Ehren veranstaltete Uli-Hoeneß-Cup ausgetragen wird, erscheint kalendarisch unglücklich. Die weltbesten Klubs, der FC Bayern und der FC Barcelona, spielen am Mittwoch das Freundschaftsspiel, das der FC Bayern Hoeneß zum 60. Geburtstag geschenkt hat. Beim derzeitigen Gemütszustand des Ehrengastes wird es wie ein Fest ohne Geburtstagskind.

Hoeneß wird selbstverständlich dabei sein und auch wieder ein paar öffentliche Worte finden, zumal er die Einnahmen, die sich auf drei Millionen Euro belaufen sollen, komplett der Dominik-Brunner-Stiftung spenden wird. Die schmuckvolle Inszenierung um Hoeneß, die es unter normalen Umständen gegeben hätte, fällt allerdings aus. Hoeneß ist dem nicht zu Mute. Einen Besuch beim bayerischen Sportpreis, zu dem Hoeneß als Ehrengast geladen war, lehnte er kürzlich ab.

2600 Einträge bei Google

Hätte die Staatsanwaltschaft nicht wegen Steuerhinterziehung ermittelt und würden keine strafrechtlichen Folgen im Raum stehen, hätte Hoeneß auf verschiedenen Plattformen völlig berechtigt über sein Leben als Erfolgsmodell erzählen dürfen.

Nochmal die Geschichte, wie seine Fußballerkarriere (zu) früh beenden musste und den einst wirtschaftlich kränkelnden FC Bayern zu einem der wichtigsten Marken der Welt entwickelte. Und natürlich hätte er wieder ein paar sozialkritische Punkte angesprochen. In der neuen Situation sagt Hoeneß wenig, da jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wird und das Thema auch außerhalb der Fußballwelt große Stahlkraft hat.

Der eigentlich Technik uninteressierte Hoeneß ließ vor geraumer Zeit seine Anwälte messen, wie stark frequentiert das Steuer-Thema im Internet behandelt wird. Sie zählten über 2600 Einträge bei Google. Inzwischen dürfte sich die Zahl fast verdoppelt haben. "Ich versuche, so gut wie nichts zu lesen, aber natürlich bekomme ich viel mit. Die hohen Einschaltquoten bei Günther Jauch, als sie über mich redeten. Es ist schon ein Wahnsinn, was da passiert", sagte Hoeneß im "Zeit"-Interview.

Inzwischen sollen ihm seine Ärzte geraten haben, gänzlich darauf zu verzichten, die Berichterstattung um seine Person aktiv zu verfolgen. Auch wenn er ungewollt immer wieder daran erinnert wird: Beim Besuch in Irschenberg sprach ihm der dortige Bürgermeister, der einfach nur ehrlich nett sein wollte, seine Unterstützung zu.

Blatters Umarmung

Die Nähe der Menschen mag Hoeneß aber nicht missen. "Meine Familie steht wie eine Eins hinter mir, darauf bin ich sehr stolz. Ich habe einige Freunde, auf die ich mich verlassen kann. Außerdem werde ich von meinen Anwälten sehr gut beraten", so Hoeneß. Er sagt aber auch: "Ich erlebe, wie manche Freunde zu Verrätern werden."

Diese Aussage gilt aber nicht für seine Freunde im Klub. Der Aufsichtsrat, zu dem Deutschlands Top-Manager gehören, hält zu ihrem Vorsitzenden. "Ich bin der Meinung, dass es keinen Besseren für diese Position gibt", sagt Adidas-Chef und Aufsichtsratsmitglied Herbert Hainer. Er plädiert dafür, Hoeneß "eine zweite Chance" zu geben.

Selbst FIFA-Boss Sepp Blatter hat kürzlich Hoeneß, der einer seiner größten Kritiker ist, warme Worte zugesandt: "Wenn Uli vor mir gestanden wäre, hätte ich ihm nicht nur die Hand gegeben, sondern ihn umarmt."

Am Mittwoch wird Hoeneß viele Umarmungen bekommen. Inzwischen ist auch geklärt, zu welcher Uhrzeit. Da das ZDF um 20.30 Uhr das EM-Halbfinale der Frauen-Fußballnationalmannschaft ausstrahlen will, muss das Hoeneß-Spiel schon um 18.30 Uhr stattfinden. Als Zeichen darf das nun aber nicht gelten.

Uli Hoeneß Steckbrief